Wer einen langen Anlagehorizont hat, für den kann der Bereich der erneuerbaren Energien durchaus interessant sein.

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Ob Aktien oder Anleihen – starke Kursverluste prägten den bisherigen Jahresverlauf an den Börsen. Einer der wenigen Lichtblicke im heurigen Kursdebakel kommt aus dem Energiebereich, der im Gegensatz zum breiten Aktienmarkt deutliche Gewinne einfahren konnte. Ist das Wiederentdecken des zuvor an der Börse etwas vernachlässigten Energiesektors der Beginn eines langfristigen Trends? Oder doch nur ein Strohfeuer wegen des Ukraine-Kriegs, womit es für Veranlagungen schon zu spät wäre?

Besonders Ölkonzerne und manche Stromerzeuger lukrierten Kurszuwächse, während der Bereich der erneuerbaren Energien zuletzt an der Börse etwas unter Druck gekommen ist, berichtet Alfred Kober, der für die Grazer Security KAG das Management der Aktienfonds leitet. Warum korrigieren sie, obwohl Energie knapp und teuer ist? Ähnlich wie bei Technologieaktien liegen bei Erneuerbaren die stärksten Unternehmensgewinne weit in der Zukunft, erklärt Kober. Daher hätten die jüngsten Zinsanstiege die Aktien unter Druck gebracht. Aus seiner Sicht ist diese Kursdelle eine Gelegenheit, um zu investieren, denn: "Das ist schon ein Megatrend, denn man auch nutzen kann."

Wichtig ist also ein langer Anlagehorizont, dazu rät Kober, bei Erneuerbaren regional zu streuen und sowohl auf Erzeuger als auch auf Betreiber von Anlagen zu setzen. In diesem Bereich erwartet er viel Forschung und Entwicklung. Je länger die hohen Energiepreise anhielten, desto interessanter werde dieser Bereich. Rückenwind erwartet der Fondsmanager auch durch weltweite Regulierung, wie es die EU mit der Taxonomieverordnung schon vorexerziert habe. Diese legt fest, welche unternehmerischen Tätigkeiten als nachhaltig gelten. Finanzmarktanbieter müssen darüber informieren, inwieweit sie in der Veranlagung Nachhaltigkeit berücksichtigen.

Fossiles Zeitalter dauert an

Aber auch im Bereich fossiler Energieträger sieht Kober für jene, die sich nicht wegen der Nachhaltigkeit daran stoßen, Chancen. "Ich bin der Meinung, dass uns fossile Energie noch eine Zeitlang begleiten wird, weil der Anteil hoch ist und der Übergang Zeit braucht." Trotz bereits deutlicher Kursgewinne seien die Aktien aber angesichts der hohen Unternehmensgewinne nicht teuer, sondern eher günstig.

Lange Zeit sei in diesem Bereich nur wenig investiert worden, und auch jetzt herrsche wegen des Trends zu Nachhaltigkeit immer noch Zurückhaltung. Dafür würden die Konzerne hohe Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten. "Wir sehen jetzt, wie wichtig der Energiesektor ist", sagt Kober.

Grüner Anstrich

Shanna Strauss-Frank vom Broker Freedom Finance Europe weist darauf hin, dass Investitionen in Ölkonzerne wie BP oder Shell auch in Erneuerbare fließen, da die Konzerne entsprechende Projekte vorantreiben. In den USA würden milliardenschwere Steueranreize als zusätzlicher Wachstumsmotor die Nachfrage nach Erneuerbaren anheizen. "Solange die Preise nicht stark fallen, bleibt der Energiesektor attraktiv", sagt Strauss-Frank, die wegen hoher Nachfrage und knappen Angebots dafür keine Anzeichen sieht.

Deutlich kritischer denkt Fondsmanager Eric Lych von Scharf Investments darüber und verkündet: "Die Energie-Rallye wird nicht anhalten." Länger als einige Monate würden die Aufwärtsbewegungen am Energiemarkt selten andauern, weshalb Lynch sagt: "In den vergangenen Jahren hat sich der Energiemarkt nicht von der Stelle gerührt – es ist eine Achterbahnfahrt ins Nichts." (Alexander Hahn, 6.10.2022)