Die Reaktivierung des Kohlekraftwerks Mellach bei Graz durch den Verbund ist das prominenteste Beispiel für Erdgassubstitution. Viele weitere Großverbraucher sucht man vergebens.

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Wien – Mit den bestehenden Instrumenten wird es so bald nichts mit dem Umstieg von Gas auf Heizöl oder Kohle. Das meinen zumindest die Industrieexperten in der Wirtschaftskammer. Denn das bestehende Energielenkungsgesetz sieht den Switch von Gas auf Öl- oder Kohlebefeuerung im Fall einer Gasnotlage nur für Großverbraucher mit einer Anschlussleistung von mehr als 50 Megawatt vor.

Damit ist diese Zwangsmaßnahme – der Staat ordnet Umrüstung und Energieträgerwechsel im Fall von Gasengpässen an und trägt die damit verbundenen Kosten – auf ein paar Dutzend Energieversorger und Industriekonzerne wie Voestalpine oder Amag beschränkt, jedoch längstens für sechs Monate. Letzteres sei betriebswirtschaftlich fragwürdig, weil innerhalb dieser Frist ein Komplettumstieg auf erneuerbare Energieträger illusorisch sei, man müsste danach also wieder zurück zum Gas.

Eine Frage der Kosten

Der große Rest von rund tausend Unternehmen in der Sachgüterindustrie, die ebenfalls auf Heizöl-leicht wechseln könnten, schaut grundsätzlich durch die Finger. Sie müssten die Kosten für eine Erdgassubstitution selber tragen und bekommen nach derzeitiger Gesetzeslage auch keine Entschädigung, obwohl eine Umrüstung dem erklärten Ziel, den Gasverbrauch zu senken und so für Versorgungssicherheit zu sorgen, dienlich wäre.

Im August sei der Erdgasverbrauch der Industrie um 21,4 Prozent gesunken, im Juli waren es knapp zehn Prozent, sagte der Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer, Andreas Mörk am Donnerstag. Mehr sei auf die Schnelle nicht möglich, man stoße an Grenzen, etwa bei Genehmigungen von Betriebsanlagen, die beim Tausch von Energieträgern unumgänglich seien und im Normalfall gut ein Jahr dauerten. Es brauche Rechts- und Investitionssicherheit, "sonst nehmen Unternehmen das Geld nicht in die Hand", warnt Mörk.

Sondergesetz

Da von politischer Seite nichts komme, will die Industrie nicht länger warten und hat ein Sondergesetz für Erdgassubstitution und betriebliche Versorgungssicherheit ausgearbeitet, mit dem der vorübergehende Switch von Energieträgern auch in der Breite ermöglicht würde. Die Eckpunkte: Die alternativen Anlagen würden nach "Stand der Technik" für längstens drei Jahre bewilligt, und Nachbarschaftsrechte blieben gewahrt.

Lange Prozeduren und Genehmigungsverfahren würden durch diesen "Fast Track" insofern obsolet, als Bundes- und Landesrecht vorübergehend überlagert würden. Ein Bescheid, in dem die zuständige Bezirksbehörde das Vorhaben zur Kenntnis nimmt, würde genügen. Falls nicht, müsste die Behörde mittels Fristsetzung reagieren. Das würde die Verfahren enorm beschleunigen.

Verfassungsmehrheit

Wie Energiegesetze im Allgemeinen bräuchte auch ein solch befristetes Sondergesetz eine Zweidrittelmehrheit. Die Rückmeldungen der Sozialpartner für ein Erdgassubstitutionsgesetz seien durchwegs positiv, einzig von den zuständigen Ministerien gebe es keine Signale, die man deuten könne. Dagegen spricht, dass Verfassungsmehrheiten wieder schwer wegzubekommen sind. Im Fall einer Befristung der Anlagengenehmigungen auf drei Jahre wäre der Schaden allerdings eher überschaubar.

Im Klimaschutzministerium zeigte man sich grundsätzlich gesprächsbereit, bevorzugt allerdings einfachgesetzliche Regelungen. Es sei fraglich, ob ein weitreichendes Sondergesetz mit EU-Umweltrecht in Einklang steht.

Alternativ könnte das Emissionsschutzgesetz für Kessel denselben Zweck erfüllen. Nicht zu vergessen das Gewerberecht, hier könnte der Wirtschaftsminister aktiv werden.

Doppelbesteuerung

Die Einführung des CO2-Preises per 1. Oktober führt übrigens zu einer seltsamen Doppelbesteuerung. Denn große Emittenten der Industrie zahlen für ihre Treibhausgasemissionen bereits für Verschmutzungsrechte, die Emissionszertifikate (ETS). Nun kommt der CO2-Preis oben drauf, was sich laut Angaben der Industrie auf rund hundert Millionen Euro an Mehrkosten belaufen könnte. Die Doppelbelastung wird aber nicht von Dauer sein. Die Ausnahme für ETS-pflichtige Unternehmen ist von der EU-Kommission zu genehmigen, was in einem Aufwaschen im Unternehmensenergiekostenzuschussgesetz erfolgt. (Luise Ungerboeck, 7.10.2022)