Drei Stunden lang musste der Zugverkehr am Samstag eingestellt werden.

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Berlin – Ein Chaos im Zugverkehr mit großflächigen Ausfällen in Norddeutschland geht nach Aussage der Deutschen Bahn auf Sabotage zurück. "Aufgrund von Sabotage an Kabeln, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind, musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr im Norden heute Vormittag für knapp drei Stunden einstellen", sagte eine Sprecherin am Samstag. Die Sicherheitsbehörden hätten Ermittlungen aufgenommen. Die Auswirkungen auf den österreichischen Bahnverkehr hielten sich in Grenzen.

Die heftigen Probleme in Norddeutschland am Vormittag seien auf eine Störung des digitalen Zugfunks GSM-R (Global System for Mobile Communications – Rail) zurückzuführen gewesen, erklärte die Sprecherin. "Er dient der Kommunikation zwischen den Leitstellen, die den Zugverkehr steuern, und den Zügen und ist damit unverzichtbarer Bestandteil für den reibungslosen Zugverkehr." Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagten eine rasche Aufklärung zu.

Verkehrsminister: "gezieltes und mutwilliges Vorgehen"

"Wir wissen, dass an zwei unterschiedlichen Standorten in Deutschland die Kabel vorsätzlich durchtrennt worden sind", sagte der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Samstag. Es sei klar, dass es sich um ein "gezieltes und mutwilliges Vorgehen" handle. Die Hintergründe der Tat seien derzeit aber noch nicht bekannt. Die Bundespolizei ermittele. Durch das schnelle Krisenmanagement der Deutschen Bahn sei es in Abstimmung mit seinem Ministerium gelungen, dass der Zugverkehr noch am Vormittag wieder aufgenommen werden konnte.

Laut dem deutschen Spiegel fiel das Funk-Kommunikationsnetz Samstagfrüh gegen 6.40 Uhr aus. Unbekannte hätten bei Berlin-Karow, einem Ortsteil im Bezirks Pankow, eine entscheidende Datenleitung in einem Kabelschacht durchtrennt. Auch in Herne in Nordrhein-Westfalen sollen Kabel durchtrennt worden sein. Dabei seien auch die Backup-Systeme der Bahn ausgefallen, hieß es in Sicherheitskreisen.

Ermittlungen im Gange

Die Bundespolizei bestätigte die Tatorte in Berlin und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW), wie ein Sprecher bekannt gab. Die Ermittlungen würden mit Hochdruck in alle Richtungen geführt. "Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen", sagte er. Zu weiteren Details könne er auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Innenministerin Faeser äußerte sich zurückhaltender: "Wir müssen von vorsätzlichen Taten ausgehen, die den Bahnverkehr in Norddeutschland mehrere Stunden lahmgelegt haben." An zwei Orten seien für den Bahnverkehr unverzichtbare Kabel durchtrennt worden. "Die Bundespolizei ermittelt mit Hochdruck." "Sollte es einen verfassungsfeindlichen Hintergrund geben, wird der Generalbundesanwalt ermitteln", betonte Justizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter.

Der Zugverkehr war Samstagfrüh nach Angaben der Deutschen Bahn vor allem in den Bundesländern Niedersachsen, Hamburg und Bremen ausgefallen. Dies betraf sowohl den Fern- als auch den Regional- und Güterverkehr. Allerdings waren auch die Fernverbindungen etwa nach Nordrhein-Westfalen sowie Berlin betroffen. Noch am Vormittag konnte nach drei Stunden Unterbrechnung der Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden. Die Störung sei wieder behoben, hieß es. "Mit Beeinträchtigungen ist allerdings weiter zu rechnen", hieß es seitens der Deutschen Bahn.

Furcht vor Anschlägen ausländischer Akteure gewachsen

In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Anschläge auf die Deutsche Bahn gegeben, etwa durch Linksextremisten. Zudem gab es Störungen durch Kabeldiebstähle. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den Lecks in den Gaspipelines durch die Ostsee wächst allerdings die Furcht vor gezielten Anschlägen auf die kritische Infrastruktur in Deutschland, auch durch ausländische Akteure. Am Vormittag hatte die Bahn auf die Frage nach einer Fremdeinwirkung noch gesagt, dass es sich um eine technische Störung handele

Auf den Zugverkehr auf österreichischem Boden hatten die Probleme in Norddeutschland bisher nur geringe Auswirkungen. "Die Züge, die nach Österreich verkehren sind, bis auf wenige Ausnahmen verlässlich im Zeitplan", hieß es seitens der Pressestelle der ÖBB auf. Vereinzelt sei es zu Ausfällen gekommen beziehungsweise zu Verspätungen von bis zu 60 Minuten. (APA, Reuters, red, 6.10.2022)