Neidisch könnte man werden. Die Generation Z hat von einem Tiktoker namens Zaid Zepplin den Begriff "Quiet Quitters" verpasst bekommen. Die leisten nur das, wofür sie bezahlt werden. Nach Dienstende wird das Handy abgedreht und keine Mail mehr beantwortet. Nicht so wie die Twens meiner Generation, wo es ein Maßstab war, eine gute Mitarbeiterin zu sein, wenn man als Letzte aus dem Büro gegangen ist, um noch Fleißaufgaben zu leisten. Weil man sich ja so identifizierte mit der Firma und man gar nicht anders konnte vor lauter Begeisterung. Auch wenn man so zur Online-Tetris-Queen geworden ist. Die Quiet Quitters definieren ihren Wert nicht mehr über berufliche Produktivität. Sie feiern den Mangel an Enthusiasmus, stand wo geschrieben. Sie mögen vielleicht ihre Jobs, aber sie hackeln halt so wenig wie möglich. Das klingt gesünder irgendwie.

Wo bitte quitten?

Wie aber kann ich quietly quitten, als Selbstständige und Mutter zweier Kinder? Wegen der besseren Life-Work-Balance! Oder um ein einziges Mal erleben zu können, dass alles erledigt ist, man einfach nur Zeit hat für ein Buch, mit der Aussicht, dass keiner stört. Das wäre unglaublich. Ich startete einen Versuch.

Zunächst wälzte ich Überlegungen, in welchen Bereichen man das Engagement reduzieren könnte. Da wären also Arbeit, Kinder, Beziehung, erweiterte Familie ... beim Stylingaufwand vielleicht. Freundschaften. Haushalt. Gesellschaftliche Verpflichtungen.

Arbeit: Ich nehme Schreibaufträge an. Kolumnen, Bücher, Pressetexte für Kulturprojekte, Dossiers für TV-Sendungen. Der Status quo meines Arbeitspensums ist immer, und zwar seit ewig, der, dass ich bei mindestens zwei Dingen schon nach der Deadline bin und in konzentrierter Panik feststelle, dass das, was noch erledigt werden muss, dann wohl ebenso kaum rechtzeitig fertigzukriegen ist. Wenn da ein Migränetag dazwischenkommt, heißt das Nachtschicht am Tag darauf. In der Zeit darf man auf keinen Fall Artikel zum Thema "Schlafmangel macht dick" lesen. Ich könnte also quietly quitten, indem ich weniger Aufträge annehme. Und dafür sparsamer lebe. Das ist nur leider so nicht gut möglich, denn ich lebe sparsam und könnte nur umziehen, um die Fixkosten zu reduzieren. Die Kinder werden daher Therapien brauchen, weil sie das echt nicht wollen und ... Es geht einfach nicht.

Vielleicht könnte ich quietly im Bereich der Kinder quitten. Ich habe zwei Buben, zehn und vierzehn Jahre alt. Was soll ich sagen, sie sind cool und verständnisvoll, weil ich so viel arbeite, damit ich unser Leben derzahle. Wenn ich mal Zeit habe für ein Brettspiel oder einen Ausflug, wird das so gefeiert, dass mir fast die Tränen kommen. Und ich habe einen kleinen Hund. Den habe ich, damit ich spazieren gehe und nicht mit der Couch verwachse. Den kann ich nicht quitten, sonst riecht’s bei uns.

Trotzdem, ich habe ein paar Elternabende gestrichen und begleite auch niemanden mehr ins Theater der Jugend. Und ich gebe den Kindern Geld für die Jause statt des Pausenbrotgeschmieres. Trotzdem, man hat mit ihnen zu tun, einfach damit sie versorgt sind. Am Nachmittag geht man verlorene Buntstifte einkaufen, macht Arztbesuche, weil immer einer eine Beule oder einen ausgeschlagenen Zahn hat, kauft ein, bringt sie zum Taekwondo oder zum Volleyball. Und sogar wenn sie beim Vater sind, es kommt der Anruf, dass der Laptop vergessen wurde, Wechselwäsche gebe es auch keine mehr. Immer ist irgendwas. Ich hab halt Kinder.

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Stille Kündigung: Lässt sich die neue Arbeitseinstellung auch auf den Rest unseres Lebens voller To-dos übertragen?
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Quality-Time, hm

Bezüglich Beziehung, Freundschaften und gesellschaftlicher Verpflichtungen: Es reicht energetisch ohnehin nur so weit, dass ich hie und da jemanden treffe. Ansonsten versuche ich, alle zwei Wochen irgendwen von den Omas und Opas zu sehen. Die wohnen in alle Winde zerstreut in Niederösterreich, und es kostet einen Tag, wenn man sie sehen will. Das war’s. Da etwas zu reduzieren würde mir selber wehtun.

Detto beim Stylingaufwand, es gibt und gab niemals jemals eine Frau, die dermaßen wenig in diese Dinge investiert. Dafür habe ich sehr gute Freundinnen, die sich zu Tode genieren, wie ich daherkomme. Sie lassen mir dann die Haare schneiden, schleppen mich zu einer Kosmetikerin unter dem Vorwand "Freundinnen-Quality-Time" und beschenken mich mit Kleidung, die meine Figur erahnen lässt, also nicht die gemütlichen Hoodies, die ich mir sonst jeden Tag anziehe. Hier ist höchstens zu reduzieren, dass ich ewig brauche, um mir was rauszusuchen aus dem Kasten, denn da drinnen herrscht der Anti-Geist der Marie Kondo. Man findet nichts. Für Quiet Quitting in spe: Aufräumen. Bin gespannt, wann ich das mache und ob mir bis dahin noch irgendeiner der Fetzen passt.

Was pickt, pickt nicht

Für die Wohnung habe ich eine Reinigungshilfe – so viel zur Reduzierung von Haushaltstätigkeiten. Die ist aber die meiste Zeit in Polen und kann nur alle zwei Wochen. Ich bin immer in Wien. Also habe ich aufs Klo einen Zettel gepickt, was jeder eine halbe Stunde lang tun kann. Man muss das mit Datum und Hakerln versehen, wenn es erledigt ist. Da wären: Wäsche raus aus der Maschine und aufhängen, Wäsche rein in die Waschmaschine und einschalten. Dasselbe mit dem Geschirrspüler. Alle Oberflächen abräumen. Mit dem Hund Gassi gehen. Einkaufen.

Als ich am nächsten Tag zurück war vom Spar, wo der Hund angebunden vergessen worden war, der dort eine Stunde ausgeharrt hatte, half ich, die durchwegs rosa Wäsche aufzuhängen. Nicht ohne festzustellen, dass sie nicht nur eingefärbt, sondern auch schmutzig geblieben ist. Einer der Buben brachte mir drei Stapel Mathehausübungen, die zu machen gewesen wären, konnte ja keiner ahnen, dass ich nicht mehr Druck mache und mir das ansehe. Da ist mir erst aufgefallen, wie viel ich allein mache. Da könnte ich ansetzen: guter Quiet-Quitting-Punkt!

Verbrachte dann aber noch die halbe Nacht mit Mathetutorials auf Youtube.

Geschriebene Texte: null.
Panik: eine. Große.
Komm, Commitment

Ich hatte immer eine besondere Vorstellung von mir. Mein ausgeprägter Erlebniswille würde mich schon noch zu einer Entwicklung mit mehr Struktur und voller Zufriedenheit bringen. Aber, wie es das Leben so will, diesbezüglich bin ich die Profi-Quiet-Quitterin. Niemals lasse ich zu, dass mich Erwachsensein aus meiner Komfortzone des gewohnten Vollchaos holt. Damit bin ich reifetechnisch irgendwo bei den Millennials, habe also noch viel Zeit, was zu ändern. Jeden Tag bin ich gespannt, ob irgendwas von dem zu schaffen ist, was geplant ist. Mein Leben, es ist ein Fest voll lautstarkem Commitment. (Heidi List, 15.10.2022)