Kontrolliert werden soll mit einem verbundenen Kamerasystem bei den Ein- und Ausfahrten sowie bei den Parkgaragen, fotografiert werden sollen die Kennzeichen.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Schon seit Jahren verfolgen die Stadt Wien und der Erste Bezirk das Vorhaben, motorisierte Einfahrten in die Innenstadt zu reduzieren. Unter Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) gab es die Festlegung, dass die Zufahrten mit einem kamerabasierten Modell kontrolliert werden sollen. Am Donnerstag wurde eine diesbezügliche Machbarkeitsstudie vorgestellt. Allerdings ist für eine Umsetzung noch eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nötig. Und erst dann können Ausschreibungen erfolgen.

Geplant ist, dass die Zufahrt in den Ersten Bezirk künftig signifikant beschränkt wird. Ausnahmen soll es für Anrainerinnen und Anrainer, Wirtschaftstreibende, Müllabfuhr, Einsatzfahrzeuge und Taxis geben. Außerdem können alle Fahrzeuge weiterhin kostenpflichtige öffentliche Garagen ansteuern. Ausnahmen gibt es auch für den Hol-, Liefer- und Bringverkehr: Diese Autos müssen allerdings binnen 30 Minuten die City wieder verlassen haben. Das gilt auch für jene, die warum auch immer mit ihrem Auto innerhalb des Rings gelandet sind. Wird die 30-Minuten-Marke überschritten, soll es für jene, die keine Ausnahmegenehmigung haben, Verwaltungsstrafen geben.

Acht Zufahrtsmöglichkeiten sollen wegfallen

Kontrolliert werden soll das Ganze mit einem verbundenen Kamerasystem bei den Ein- und Ausfahrten sowie bei den Parkgaragen, fotografiert werden sollen die Kennzeichen. Verkehrsplaner Andreas Käfer vom Unternehmen Traffix, das die Machbarkeitsstudie im Auftrag der Stadt und des Bezirks durchgeführt hat, geht von einem Überwachungsmodell mit drei Kameras pro Standort aus. Apropos Standort: Aktuell gibt es laut Käfer derzeit 34 Stellen am Ring mit Zufahrtsmöglichkeiten. Diese sollen mit Einführung des Kamerasystems auf 26 reduziert werden. Damit fallen künftig acht Möglichkeiten weg, in die Innenstadt zu fahren.

Die acht Zufahrtsmöglichkeiten bei den rotmarkierten Punkten sollen wegfallen.

Unklarheiten gibt es aber über die Verkehrsreduktion. Sima geht davon aus, dass aktuell knapp 53.000 Kfz pro Werktag in die City fahren. Diese Zahl soll mit den neuen Regeln um ein Drittel reduziert werden: Laut Sima soll das Minus etwa 15.700 Einfahrten pro Tag betragen.

Laut einem Rohbericht des Verkehrsplanungsbüros, der im Juni durchgesickert ist, wurde damals aber nur von aktuell 32.000 Kfz-Einfahrten ausgegangen. Die Zahl der Einfahrten sollte sich pro Tag um nur 14 Prozent – oder 4.600 Fahrzeuge – reduzieren. Vom STANDARD darauf angesprochen, sagte Käfer, dass sich die 32.000 Einfahrten nur auf Hauptzufahrtswege in den Ersten bezogen hätten. Daten zu den Nebengassen habe man im April und Mai noch nicht gehabt. Die Berechnung, wie viele Ein- und Ausfahrten es derzeit gebe, sei jedenfalls nicht einfach: "Es gibt nicht auf Knopfdruck eine Zahl."

Mit der geplanten Verkehrsberuhigung werden auch weniger Parkplätze im öffentlichen Raum benötigt. Die Machbarkeitsstudie rechnet mit einer Reduktion der Stellplatzauslastung um rund 23 Prozent. Was mit den frei werdenden Parkplätzen passiert, wird aber erst erarbeitet, konkrete Pläne gibt es noch nicht. Im Gespräch sind Begrünungsmaßnahmen, mehr Aufenthaltsangebote sowie mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr.

Errichtungskosten von rund 13 Millionen Euro

Die Errichtungskosten des kamerabasierten Systems belaufen sich inklusive Kameras und IT auf rund 13 Millionen Euro. Für den laufenden Betrieb ist laut Käfer mit rund zwei Millionen Euro zu rechnen. Wie viel das System tatsächlich kostet, kann laut Sima aber erst nach erfolgter Ausschreibung seriös gesagt werden.

Auch in diesem Bereich weichen die Kostenschätzungen jedenfalls deutlich vom ersten Rohbericht im Juni ab. Damals war man von geschätzten Investitionskosten in der Höhe von 18,6 Millionen Euro ausgegangen, die Betriebskosten wurden mit etwa 2,4 Millionen Euro pro Jahr angesetzt. Verkehrsplaner Käfer sagte dazu: "Wir haben seit Juni alles einer Revision unterzogen." Sima wollte die genannte Kostenschätzung nicht kommentieren – und verwies auch hier auf die Ausschreibung. Bis dahin mache es laut Sima keinen Sinn, über "ungelegte Eier" zu sprechen.

Verkehrsberuhigte Innenstadt nicht vor 2025

Bis es zur Umsetzung des Gesamtmodells kommt, wird es aber noch dauern. Schließlich fehlt weiterhin eine Reform der Straßenverkehrsordnung, die eine Kontrolle der Zufahrten per Kameraüberwachung ermöglicht. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte angekündigt, das Vorhaben zu prüfen. Nach Inkrafttreten der StVO-Änderung braucht es mitsamt den Ausschreibungen aber noch zwei bis zweieinhalb Jahre für die Umsetzung des Kamerasystems, sagt Käfer. Damit dürfte die verkehrsberuhigte Innenstadt nicht vor 2025 kommen.

Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) verwies bei der Präsentation am Donnerstag darauf, dass hinter der Erarbeitung des Projekts vier Parteien im Bezirk stehen würden: ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos. "Wir gemeinsam sind diesen Weg gegangen", sagte Figl.

Noch vor der Wien-Wahl 2020 wurde unter Simas Vorgängerin als Verkehrsstadträtin, Birgit Hebein (Grüne), ebenfalls ein Modell für eine verkehrsberuhigte Innenstadt präsentiert. Dieses sah kein kamerabasiertes Modell vor, sondern Kontrollen der Exekutive. Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) erteilte den Plänen aber damals schnell eine Absage: Laut einem Rechtsgutachten des Magistrats sei das Vorhaben verfassungswidrig, sagte Ludwig damals.

Kritik

Die Rechtsabteilung im Rathaus führte als Begründung grundrechtliche Bedenken, unter anderem in Bezug auf den Datenschutz, an. Der Verfassungsjurist Konrad Lachmayr hatte das Vorhaben damals in einem Gutachten als verfassungskonform eingeschätzt. Die Grundrechts-NGO Epicenter Works, die den Einsatz von Überwachungskameras ablehnt, kritisierte, dass die Argumente für das Aus "vorgeschoben" seien und auch im aktuellen Fall zur Anwendung kommen müssten.

Überhaupt sei der Einsatz von Überwachungskameras problematisch, argumentierte sie gemeinsam mit anderen Non-Profits wie Amnesty International und System Change not Climate Change, da etwa auch Demonstrationen und Kundgebungen im ersten Bezirk stattfinden würden – anders als etwa bei Section-Control-Anlagen auf der Autobahn.

Ein Rechtsgutachten, das von Städtebund und Klimaschutzministerium in Auftrag gegeben worden war, hatte der Idee, den Verkehr mittels Videoüberwachung zu kontrollieren, bescheinigt, datenschutzkonform zu sein. Dem widerspricht Epicenter Works vehement: Demnach sei keine ausreichende Grundrechtsabwägungen getroffen. Die aktuelle Gesetzeslage würde der Polizei ermöglichen, auf Videomaterial im öffentlichen Raum zuzugreifen. Einer der grundlegenden Argumente für das aktuelle Konzept lautet hingegen, dass die Kontrollierbarkeit stärker gegeben sei, da die Einfahrt in den ersten Bezirk anderenfalls nur punktuell überprüft werden kann. (David Krutzler, Muzayen Al-Youssef, 13.10.2022)