Wien – Es sei kein reines Krisenbudget, sagt Finanzminister Magnus Brunner von der ÖVP über seinen ersten Etat. Die Republik setze Schwerpunkte bei Ausgaben und Einnahmen. Ist das tatsächlich so?

Pensionen: Inflation treibt Kosten für Ruhebezüge an

Die Pensionen gehören mit 23,9 Milliarden Euro zu den Ausgabenbrocken 2023. Der Aufwand für Altersversorgung von Pensionisten und Ruhegenussbeziehern (Beamte, pragmatisierte Lehrer) ist mit Unsicherheiten behaftet. Und er steigt stetig, verschlingt fast ein Viertel der gesamten Steuereinnahmen. Mit zwei Milliarden Euro wird die Pensionsversicherung alimentiert, weil die Beiträge nicht reichen.

Aufgrund der hohen Inflation und der damit einhergehenden hohen Pensionsanpassungen erwartet Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) einen Aufwand. Was die Regierung zur Einbremsung der Steigerungen unternimmt? Hier verweist Brunners Budgetbericht lediglich auf das Gutachten der Alterssicherungskommission, das Ende November vorliegen wird. Eine laut Experten notwendige Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters an das gesetzliche? Fehlanzeige. Unvorhergesehene Vorhaben sollen durch "Umschichten" gedeckt werden. (ung)

Von der Opposition kommt scharfe Kritik, dass die Regierung ein weiteres Mal Geld mit der Gießkanne verteilt.
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Kalte Progression: Steuersenkung, die kaum jemand spürt

Die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhungen durch Nichtanpassung der Tarifeckwerte an die Inflation (kalte Progression) gehört zu den Errungenschaften des Budgets 2023. Dieses inflationsbedingte Mehraufkommen an Einkommensteuer wird künftigen Regierungen fehlen, denn zusammen mit der automatischen Valorisierung von Familienbeihilfe und Co wird es eng beim Gestaltungsspielraum.

Denn die Einnahmen verringern sich allein durch die kalte Progression bis zum Endausbau 2026 um 12,5 Milliarden Euro. Zusammen mit weiteren Maßnahmen des dritten Teuerungsentlastungspakets summiert sich der Aufwand auf 16,4 Milliarden Euro. Unselbstständig Erwerbstätige werden von der kostspieligen Maßnahme dennoch nicht viel merken: Bei einem Monatsbrutto von 1.500 Euro steigt das Einkommen pro Monat um 16 Euro, bei 2.000 Euro um 31 Euro. Ab einem Monatsbrutto von 9.000 Euro beträgt der Vorteil laut Berechnungen des Budgetdienstes des Nationalrats immerhin 50 Euro pro Monat. (ung)

Vor allem auf die Abschaffung der kalten Progression ist Finanzminister Magnus Brunner stolz.
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Gesundheit/Pflege: Große Zahlen, wenig Inhalt

Der Pflege wird mit 5,03 Milliarden zwar mehr Geld zugesprochen. Der Großteil bezieht sich aber auf Transferleistungen für das bereits beschlossene Entgelterhöhungszuschussgesetz, womit jede Pflegekraft pro Jahr ein zusätzliches Gehalt bekommt, aber nur für die Jahre 2022 und 2023. Ebenso fallen hier jene 600 Euro hinein, mit der die Pflegeausbildung attraktiver gemacht wird.

"Es fehlt aber jeder Spielraum, um etwa im Bereich der 24-Stunden-Betreuung oder für berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung von Pflegern dringend nötige Reformen durchzubringen", kritisiert Fiona Fiedler, Neos-Sprecherin für Gesundheit, Pflege und Menschen mit Behinderung. Drastischer ist die Lage in der Gesundheit, wo wegen Corona-Kosten 1,7 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Offen bleibt hier etwa die Mutter-Kind-Pass-Reform. Das Budget dafür bleibt im Gesundheitsministerium mit 41 Millionen Euro gleich hoch, was allein wegen der hohen Inflation laut Fiedler schon eine Kürzung darstellt. (bpf)

Das zusätzliche Geld, das der Pflege zugesichert wurde, bezieht sich in erster Linie auf Transferleistungen.
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Sonderprofite: Neue Steuern für Energiekonzerne

Warum sind im Budget keine Einnahmen aus Steuern für Sondergewinne der Energiekonzerne – vulgo Übergewinnsteuer – eingeplant, wie sie SPÖ, ÖGB, AK fordern? Weil es die notwendigen Gesetze dafür noch nicht gibt. 400 Millionen Euro zusätzlich zu den laufenden Dividenden hat sich der Staat vom Verbund bereits gesichert.

In Sachen Übergewinnsteuer wartet Österreich auf das Ende September vorgestellte EU-Modell. Das hält Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller aus standortpolitischen Erwägungen für vernünftig. Die Länder sollen demnach befristet Abgaben von jenen mit niedrigen Erzeugungskosten (etwa Versorger mit hohem Erneuerbaren-Anteil wie Verbund) bei einer Erlösobergrenze von 180 Euro/MWh erheben. Dazu ist ein "temporärer Solidaritätsbeitrag" von mindestens 33 Prozent auf Sondergewinne im fossilen Sektor (etwa die OMV) geplant. Die konkrete Ausgestaltung obliegt den Nationalstaaten. (rebu)

Staatsschulden

Bei zehn Milliarden Euro an inflationsbedingten Mehreinnahmen bei Einkommens- und Umsatzsteuer Neuschulden im Volumen von 17 Milliarden Euro zu produzieren, das ist in Zeiten von Corona- und Energiekrise kein Kunststück. Bei guten Aussichten auf bessere Zeiten wäre es wohl ein mittelfristig lösbares Problem. Aber die Konjunktur schwächelt. Der Ukraine-Krieg macht die Zeiten unsicher, und die lockere Fiskalpolitik treibt die Staatsschulden bis 2026 auf fast 400 Milliarden Euro.

Der Schuldenabbau ist wie eine Wette: Um die Milliardenberge abschmelzen zu lassen, bräuchte der Finanzminister eine hohe Inflation (weil dadurch ein Teil der Steuersenkungen wettgemacht wird), die er mit Hilfspaketen zu lindern sucht. Steigende Zinsen für Staatsanleihen verteuern nun die Schuldenaufnahme. Allein die jüngste Leitzinserhöhung kostete acht Milliarden. Die Sparpakete der Zukunft – Stichwort Maastricht-Verschuldung – sind programmiert. (ung)

Das Budget, heruntergebrochen auf einzelne Bevölkerungsgruppen

  • Neue Budgetmittel fließen auch in Richtung Familien

Abseits der diversen Hilfspakete, die – so die Kritik der Opposition – großteils nach dem Gießkannenprinzip verteilt worden seien, stehen recht konkrete Entlastungsvorhaben zu Buche, die vordringlich den Familien zugutekommen sollen. So werden ab 1. Jänner 2023 die Familienbeihilfe und der Mehrkindzuschlag, das Kinderbetreuungsgeld und der Familienzeitbonus valorisiert. Diese Maßnahmen allein brächten rund 253 Millionen Euro höhere Sozialleistungen im nächsten Jahr, sagt Finanzminister Magnus Brunner. Der Familienbonus Plus sei bereits von 1.500 Euro auf 2.000 Euro aufgestockt worden. Dieser höhere Familienbonus Plus und der höhere Kindermehrbetrag seit Jahresbeginn brächten noch heuer eine zusätzliche Entlastung von 175 Millionen Euro für die Familien. 2023 steige diese Entlastungswirkung durch den Familienbonus Plus und Kindermehrbetrag auf 600 Millionen Euro an, sagt Brunner. (mue)

  • Staat rechnet mit Milliardenanstieg bei Arbeitslosenversicherung

Der Arbeitsmarkt erweise sich bisher in der Energiekrise als "äußerst resilient". So steht es im jüngsten Budgetbericht. Heuer im September sei die niedrigste Arbeitslosenquote seit 14 Jahren verzeichnet worden. Laut Prognosen soll sie auch in Zukunft stabil bleiben. Das wirke sich auch positiv auf das Arbeitsmarktbudget aus.

Der Finanzminister hat zunächst weniger Geld für Corona-bedingte Hilfen veranschlagt. Aber es gibt sie noch. Etwa das Jobprogramm Sprungbrett, das Langzeitarbeitslosigkeit durch die Pandemie verringern soll. Für heuer und nächstes Jahr sind dafür 300 Mio. Euro vorgesehen. Mehr Mittel hingegen fließen in Richtung Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Insgesamt sinken die Ausgaben im Arbeitssegment für das Jahr 2023 zwar um 628,3 Millionen Euro. Bis 2025 glaubt man aber an einen Kostenanstieg von 4,2 Milliarden Euro wegen höherer Auszahlungen bei Leistungen der Arbeitslosenversicherung aus. (jan)

  • Die Universitäten erhalten ein höheres Budget und Studierende Finanzhilfen

Wie viel letztendlich tatsächlich bei den Studierenden ankommen wird und wann, ist noch unklar. Angekündigt ist zumindest, dass in die Universitäten, in die Forschung und wissenschaftliche Arbeit mehr Geld fließen wird. Das Forschungsbudget in den Jahren 2023 bis 2026 wird um 510 Millionen Euro aufgestockt. Für Universitäten werden im Rahmen eines Teuerungsausgleichs jährlich zusätzliche Mittel in Höhe von 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Um auch die Studierenden zu entlasten und ihre finanzielle Situation zu verbessern, wird einerseits die Studienförderung angehoben und andererseits jährlich valorisiert, versprach Finanzminister Magnus Brunner in seiner Budgetrede. Davon sollen rund 50.000 Studienbeihilfebezieherinnen und -bezieher finanziell profitieren. Das dafür vorgesehene Budget für die Jahre 2023 bis 2026: 300 Millionen Euro. (mue, 14.10.2022)