Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) müssen noch reden.

Foto: imago/Reuhl

Robert Habeck hat es dieser Tage wirklich nicht leicht. Jetzt ist dem deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzminister von den Grünen auch noch Greta Thunberg in den Rücken gefallen.

Die Klimaschutzaktivistin war in der ARD-Sendung "Maischberger" zu Gast und sprach über Energieversorgung. "Wenn die AKWs schon laufen, ist es ein Fehler, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden", sagte sie.

Bei den deutschen Grünen hört man so etwas nicht gern. Sie möchten eigentlich, dass – wie seit langem geplant – am 31. Dezember die letzten drei Atomkraftwerke, die derzeit noch in Betrieb sind, vom Netz gehen.

Natürlich wäre das auch Habeck am liebsten. Aber es wird nicht zu machen sein. Das hat der grüne Minister schon eingeräumt. Denn die Gefahr eines Blackouts ist ihm dann doch zu hoch. Also hat er, schweren Herzens, vorgeschlagen, zwei der drei Meiler (Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg) bis April 2023 in Reserve am Laufen zu halten.

Es ist das Maximum dessen, was Habeck sich vorstellen kann, und gleichzeitig für den liberalen Koalitionspartner viel zu wenig. Die FDP nämlich will, dass alle drei Kernkraftwerke (also auch Lingen in Niedersachsen) mindestens bis 2024 weiterlaufen.

So nutzte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner auch Thunbergs Aussage gleich als Steilvorlage und twitterte: "Ich begrüße den Zuspruch der FFF-Initiatorin Greta Thunberg für die FDP-Position, unsere Kernkraftwerke am Netz zu lassen."

Lindner verweigert sich

Und er ärgert Habeck noch auf andere, viel konkretere Weise. Damit die beiden Kernkraftwerke im Süden in Reserve gehalten werden können, braucht es einen Kabinettsbeschluss. Es müssen das Atom- und das Energiewirtschaftsgesetz geändert werden. Doch Lindner verweigert bisher seine Zustimmung.

Dadurch gerät Habeck in eine schwierige Lage. Eigentlich will er ja nicht einmal den Reservebetrieb. Aber weil er meint, um den nicht herumzukommen, ist rasch eine Gesetzesänderung nötig.

Denn am AKW Isar 2 stehen Reparaturarbeiten an und die Kernkraftwerksbetreiber bräuchten Klarheit, betont man in Habecks Ministerium. "Die Zeit drängt", sagt Habeck selbst, "wenn man will, dass die Atomkraftwerke nach dem 31. Dezember noch Strom produzieren können, muss man jetzt den Weg dafür frei machen."

Das sei "schlicht eine Frage der Technik, nicht der Politik", so Habeck. Lindner beharrt mit einem ähnlichen Satz auf dem Weiterbetrieb aller drei Anlagen: "Das ist nicht Politik, sondern Physik."

Die beiden Minister haben sich völlig verhakt. Lindner beharrt bisher auch deswegen auf seiner Position, weil er das Profil der FDP schärfen will. Diese hat bei den vier Landtagswahlen des Jahres 2022 nur Niederlagen erlitten, am Sonntag erst ist sie aus dem Landtag in Niedersachsen geflogen.

Viele in Berlin erwarten nun ein Machtwort von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Doch der sagt bloß: "Sie können sicher sein, dass wir in Kürze damit fertig sind."

Druck der Grünen

Doch Habeck steht auch in der eigenen Partei, also von der anderen Seite, unter Druck. Die Basis kommt ab Freitag zu einem dreitägigen Delegiertentreffen – so heißen Parteitage bei den Grünen – zusammen.

Dabei müssen die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour ein Ja der Basis zum Weiterbetrieb der beiden Atomkraftwerke im Süden erreichen – sonst haben die Grünen in der Ampelregierung ein massives Problem.

"Die rote Linie ist für unsere Partei ganz klar", sagt Grünen-Bundesgeschäftsführerin Emily Büning. Die Delegierten würden einer Einsatzreserve der beiden Meiler im Süden Deutschlands nur zustimmen, wenn klar festgelegt wird, dass im Gegenzug keine neuen Brennelemente gekauft werden.

In Isar 2 und Neckarwestheim kann der Betrieb noch mit den alten Brennstäben gestreckt werden. Neue brauchte man für einen regulären Weiterbetrieb der Meiler, wie ihn die FDP fordert.

"Die Partei braucht Debatten und Debattenräume", meint Büning, betont aber auch, dass man schon sehe, unter welchem Druck Habeck stehe und seine Entscheidungen treffen müsse.

Habecks Rede zur Atomkraft ist für heute, Freitag, um 22.40 Uhr angekündigt. Die Abstimmung könnte sich dann noch bis nach Mitternacht hinziehen. Und so mancher in Berlin unkt, die Grünen hätten gut von CDU-Parteitagen gelernt: Lästiges wird auf den späten Abend geschoben. (Birgit Baumann aus Berlin, 13.10.2022)