Laut Olaf Scholz müssen Beitrittskandidaten wie die Ukraine, Moldau, die Westbalkan-Staaten und perspektivisch Georgien die Kriterien für den EU-Beitritt erfüllen.

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Berlin – Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich erneut für Reformen der Europäischen Union stark gemacht, um sie für die Aufnahme neuer Mitglieder fit zu machen. Beim Kongress der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) warb er am Samstag dafür, das Prinzip der Einstimmigkeit für Entscheidungen in der Außenpolitik, aber auch in anderen Bereichen wie der Steuerpolitik schrittweise abzuschaffen.

"Ich weiß, dass wir da noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen", sagte der SPD-Politiker. "Aber ich sage auch klar: Wenn ein geopolitisches Europa unser Anspruch ist, dann sind Mehrheitsentscheidungen ein Gewinn und kein Verlust an Souveränität."

Die EU stehe bei den Beitrittskandidaten im Wort, zu den mehrere Balkanstaaten, aber auch die Ukraine und Moldau gehören. "Eine geeinte Europäische Union aus 27, 30, 36 Staaten mit dann mehr als 500 Millionen freien und gleichberechtigten Bürgerinnen und Bürgern kann ihr Gewicht in dieser Welt noch stärker zur Geltung bringen", betonte er. Dabei dürften die Sorgen gerade der kleineren Mitgliedstaaten nicht aus dem Blick geraten. "Auch in Zukunft muss jedes Land mit seinen Anliegen Gehör finden, alles andere wäre ein Verrat an der europäischen Idee." Gegenwärtig hat die EU 27 Mitgliedsstaaten mit insgesamt knapp 450 Millionen Einwohnern.

Legale Migration für Fachkräfte

Scholz setzte sich auch für eine stärkere – auch militärische – Eigenständigkeit der EU ein. Er forderte eine koordinierte Beschaffung von Waffen und Ausrüstung, eine schnelle Eingreiftruppe der EU bis 2025 und ein echtes EU-Hauptquartier für die europäischen Streitkräfte, sagte er. "Wir müssen selbstbewusst gemeinsame, europäische Verteidigungsanstrengungen voranbringen."

Scholz rief die EU-Mitgliedstaaten zudem auf, Konflikte in der Finanz- und Migrationspolitik beizulegen. Migration müsse vorausschauend gestaltet werden. Das bedeute auch, irreguläre Migration zu verringern und zugleich legale Migration und den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland zu ermöglichen.

Rendi-Wagner und Ludwig dabei

Die EU-Staaten sollen nach dem Willen der europäischen Sozialdemokraten mehr finanziellen Spielraum bekommen, um ihren Bevölkerungen in der Energiekrise helfen zu können. Dazu sollten die Vorschriften für nationale staatliche Beihilfen gelockert werden, hieß es in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des SPE-Kongresses.

Die SPÖ-Delegation unter der Leitung von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ist mit sieben Delegierten auf dem Kongress vertreten, unter anderem mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und sowie den EU-Abgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner. Rendi-Wagner sprach am Samstag im Rahmen des Panels "Unser Europa: Rücksicht auf den Planeten."

Gespräche mit Scholz, Marin, Sánchez und Andersson

"Wir müssen verhindern, dass aus der Energiekrise eine soziale Krise wird. Die vergangenen Monate haben uns klar gezeigt, dass der europäische Energiemarkt in dieser Krise nicht funktioniert und sich gegen Menschen und Wirtschaft richtet. Die logischen Konsequenzen müssen eine Marktregulierung und ein Gaspreisdeckel in Europa sein. Mit einem gemeinsamen Gaseinkauf durch die EU-Ländern und der Weitergabe zu gestützten Preisen an Haushalte, Industrie und Energieerzeuger können die Preise gesenkt werden", sagte Rendi-Wagner auf der Bühne laut einer SPÖ-Mitteilung.

Rendi-Wagner sprach mit Deutschlands Bundeskanzler Scholz, außerdem fanden Treffen mit der finnischen Regierungschefin Sanna Marin, Spaniens Premier Pedro Sánchez und der scheidenden schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson statt. (APA, Reuters, red, 15.10.2022)