Der diesjährige "Marsch für das Leben" wurde von Gegenprotesten und Blockaden begleitet.

Foto: Markus Sulzbacher

Vom Karlsplatz zum Heldenplatz und wieder zurück: Am Samstag fand in Wien erneut der "Marsch für das Leben" in Wien statt, dieses Jahr sind rund 1.400 Personen gekommen, um gegen Abtreibungen zu demonstrieren. Die Organisatorinnen und Organisatoren wollen mit ihrem Marsch ein "Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Abtreibung nicht nur ein Kind tötet, sondern auch schwere Folgen für die Frau haben kann", wie auf der Homepage zu lesen ist.

Kinderchor, Alt-Bischof Klaus Küng und Martin Sellner

Zum Auftakt der Kundgebung sang ein Kinderchor, der katholische Alt-Bischof Klaus Küng hielt eine Rede darüber, wie wichtig Kinder seien, es gab Infostände und Luftballons. Ein Redner begrüßte anwesende ÖVP-Politiker. Im Publikum waren auch bekannte Gesichter aus der rechtsextremen Szene zu sehen. Inmitten von streng katholischen "Lebensschützern", wie sie sich selbst bezeichnen, wie der ÖVP-Nationalratsabgeordneten Gudrun Kugler und der Sprecher für Christdemokratie der Wiener ÖVP Jan Ledóchowski, war auch Martin Sellner von den Identitären zu erspähen, aber auch Fußball-Hooligans oder von Corona-Demonstrationen bekannte Aktivisten.

Eine der Forderung der Abtreibungsgegner*innen: "Keine Bannmeile um Österreichs Abtreibungskliniken".
Foto: Markus Sulzbacher
Der als Redner von Corona-Demonstrationen bekannte Alexander Tschugguel (mit Hut) führte den Marsch an.
Foto: Markus Sulzbacher

Sellner hatte bereits zuvor auf Telegram sein Kommen angekündigt und zur Teilnahme aufgerufen. Rechtsextreme und ultrakonservative Christinnen und Christen eint die Ablehnung des Rechts auf Abtreibung. Sie wollen nicht, dass Frauen selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben wollen – oder eben nicht. Alexander Tschugguel, einer der Organisatoren des Marsches, zeigt keine Berührungsängste mit dem rechtsextremen Lager. Im vergangenen Jahr trat der politische Gefährte des einstigen FPÖ/BZÖ-Politikers Ewald Stadler – gemeinsam gründeten sie die Partei "Rekos – die Reformkonservativen" – etwa bei einer Corona-Demonstrationen als Redner in Erscheinung. Er sprach auch in einem Podcast der Zeitschrift "Info Direkt" über den "Marsch für das Leben". In der Zeitschrift kommen Identitäre, ehemalige Südtirol-Attentäter ebenso zu Wort wie FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Gegenproteste

Als der Marsch loszog, wurde er, wie in den vergangenen Jahren, von Gegenprotesten begleitet. Ebenso von einem beachtlichen Polizeiaufgebot. Entlang des Weges riefen Passantinnen den Teilnehmenden unfreundliche Worte zu, andere hielten Schilder mit feministischen Botschaften hoch und vor der Albertina gab es eine Kundgebung, die sich gegen den Marsch richtete.

Video: Gegendemonstrant*innen starten Blockade.
Blockade der Ringstraße.
Foto: Markus Sulzbacher
Polizei setzt Hunde ein, um die Blockade aufzulösen.
Foto: Markus Sulzbacher

Als der Marsch sein erstes Etappenziel, den Heldenplatz, schon beinahe erreicht hatte, wurde er von einer Gruppe Demonstrierender gestoppt. Sie blockierten die Ringstraße – bis die Polizei einschritt. Dabei kam es zu wilden Rangeleien, die Polizei setzte auch ihre Hunde ein, um einige Personen in eine Seitenstraße abzudrängen und über einen längeren Zeitraum einzukesseln. Danach wurden wieder Personen einzeln aus dem Kessel gezogen, um ihre Identität festzustellen.

Zeitweise beobachteten zwei Drohnen der Polizei das Geschehen von der Luft aus. Schließlich wurden zahlreiche Personen von der Polizei mitgenommen, von denen sich am Sonntagvormittag noch immer einige in Gewahrsam der Polizei befanden. In der Presseaussendung der Polizei wird folgene Bilanz gezogen: 30 verwaltungsstrafrechtliche Festnahmen, 24 Identitätsfeststellungen, 48 Anzeigen nach dem Versammlungsgesetz.

Polizei bei der Identitätsfeststellung.

Während die Polizei die Gegendemonstrierenden eingekreist hatte, zog der Marsch erneut an ihnen vorbei Richtung Karlsplatz. Dabei wurden die Teilnehmenden entlang der Route immer wieder beschimpft, was Einzelne mit Hinweis auf eine "Strafe von Gott" beantworteten. Nachdem der Marsch sein Ziel erreicht hatte, wurde die Ringstraße kurzzeitig erneut blockiert. An die dreidutzend Personen forderten in Sprechchören die Freilassung der Eingekesselten, bis die Polizei einschritt und auch diese Blockade auflöste.

ÖVP und Identitäre

Dass Politikerinnen und Politiker der ÖVP gemeinsam mit bekannten Rechtsextremen und Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Milieu der Corona-Demonstrationen durch Wien marschierten, ist sehr beachtlich. Schon im vergangenen Jahr sorgte die Teilnahme der Abgeordneten Kugler für Aufsehen. Die ÖVP fordert allenthalben ein Verbot der Identitären und Politiker, wie der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer, gingen juristisch gegen Aussagen von Sellner vor. (Markus Sulzbacher, 16.10. 2022)