Die Gefangenen sind laut Regierung an Rauchvergiftungen gestorben.

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Teheran/Wien – Im Iran ist es nach dem Brand in einem Gefängnis zu neuerlichen Protesten gekommen. Bei dem Brand im Teheraner Evin-Gefängnis kamen am Wochenende acht Häftlinge ums Leben gekommen. Vier weitere Häftlinge seien im Krankenhaus gestorben, teilte die Justiz am Montag mit. Zuvor war offiziell von vier Toten die Rede gewesen.

Dutzende weitere Inhaftierte wurden verletzt. Beobachter befürchten eine noch höhere Opferzahl. Am Samstag waren in der Hatftanstalt mehrere Explosionen zu hören, wie Augenzeugen und Medien aus Teheran berichteten. Nach einem Konflikt sei es zudem zu einem Brand gekommen. Nach offizieller iranischer Darstellung soll es sich um einen internen Konflikt in dem Gefängnis handeln. Diese Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Folter und Misshandlung

Auf tausendfach in den sozialen Medien geteilten Videos waren chaotische Bilder rund um das Gefängnis zu sehen. Viele Angehörige der Inhaftierten eilten demnach aus Sorge um Angehörige zum Ort des Geschehens.

Das Evin-Gefängnis ist wegen der dort inhaftierten politischen Gefangenen und Kritik von Menschenrechtsgruppen wegen Folter und Misshandlungen international bekannt. Auch Demonstranten sind dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert. Auch mehrere Ausländerinnen und Ausländer sowie Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft – darunter auch zwei Österreicher – sind dort inhaftiert.

Zwei Österreicher unbeschadet

Das Außenministerium teilte am Montag auf APA-Anfrage mit, es stehe seit Samstagabend ständig in Kontakt mit den iranischen Behörden, europäischen Partnern vor Ort und mit den Familien der beiden österreich-iranischen Doppelstaatsbürger. "Wir sind erleichtert, dass Herr Massud Mossaheb und Herr Kamran Ghaderi den Brand im Evin-Gefängnis soweit unbeschadet überstanden haben", hieß es. Die Führung des Iran trage volle Verantwortung für die Gefangenen im Evin-Gefängnis. Das Außenministerium wolle sich weiterhin mit aller Kraft für die Freilassung der beiden Österreicher aus humanitären Gründen einsetzen, wurde betont.

Das Umfeld von Mossaheb berichtet am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter, der 76-Jährige leide an den Folgen des Einsatzes von Tränengas und habe eine Rauchvergiftung erlitten. Der seit mehr als drei Jahren inhaftierte Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft leidet seit längerem unter gesundheitlichen Problemen. Ende August hatte er aus medizinischen Gründen vorübergehend Hafturlaub erhalten, befindet sich aber mittlerweile wieder in Evin. Seit 2016 sitzt dort auch der Wiener IT-Experte Ghaderi.

Die iranische Führung sieht sich seit einem Monat mit einer landesweiten Protestwelle konfrontiert. Ausgelöst wurde diese durch den Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini. Sie war am 13. September in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie gegen die Regeln zum Tragen eines Kopftuchs verstoßen haben soll. Drei Tage später starb sie.

Sanktionen der EU

Am Montag gingen erneut Regierungsgegner in Yazd im Zentrum des Landes sowie in mehreren anderen Städten auf die Straßen, darunter auch in Piranshahr nordwestlich von Teheran. Auf dem von vielen Menschen abonnierten Twitter-Konto Tasvir1500 wurde ein Video veröffentlicht, in dem Menschen Reifen in Brand setzten und den Tod des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei forderten. Die Authentizität der Aufnahmen konnte nicht überprüft werden.

Die Sicherheitskräfte konzentrieren ihre Einsätze gegen Regierungskritiker auf den Nordwesten Irans, wo die meisten der zehn Millionen Kurden des Landes wohnen. Die Proteste sind allerdings auf weitere Minderheiten in anderen Landesteilen übergesprungen. Trotz des Einsatzes der gefürchteten Basij-Milizen und freiwilliger Militäreinheiten ist es der Regierung bisher nicht gelungen, die seit Wochen andauernden Proteste einzudämmen. Die Elitetruppe Revolutionsgarden ist bisher nicht gegen die Demonstranten eingesetzt worden. Sie haben am Montag Manöver gestartet.

Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind bisher mindestens 215 Demonstranten getötet worden – darunter 27 Kinder. Rund 8.000 Menschen sollen demnach in 111 Städten festgenommen worden sein. Die Regierung bestreitet, dass Kundgebungsteilnehmer von Sicherheitskräften getötet wurden und sieht ausländische Drahtzieher am Werk. Die EU verhängte am Samstag wegen der Gewalt gegen die Demonstranten Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei und weitere Verantwortliche des Landes. (APA, red, 17.10.2022)