Die Idee, dem noch jungen Automobil im Rahmen eines Ausstellungssalons eine eigene Bühne zu geben, ist eine typisch französische. 1898 wurde sie erstmals in den Tuilerien umgesetzt, 232 Fahrzeuge wurden präsentiert, 140.000 Besucher angelockt. In den 2010er-Jahren war daraus ein Millionenpublikum geworden, doch inzwischen ist viel passiert, digitale Revolution und Corona-Krise, selbst die großmächtige Autobranche auf der anderen Seite des Rheins musste sich für die Neuauflage der über Jahrzehnte hinweg bedeutendsten Automesse der Welt, der IAA, ein neues Konzept einfallen lassen, mit München war nach Frankfurt auch ein neuer Standort gefunden.

Dabei spielt die Autoshow, die bis 23. Oktober in der Paris Expo Porte de Versailles läuft, insofern noch mit Versatzstücken der Historie, als das Motto lautet: "Revolution is on" (jetzt verlernen also auch die Franzosen ihre große Kultur- und Muttersprache). Und ähnlich wie bei der IAA ist die Messe eingebettet in die Paris Automotive Week, mit Events und Publikumsbeteiligung in der Stadt.

Präsident Emmanuel Macron nimmt Platz im Hopium Machina, einem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Fahrzeug eines französischen Start-ups.
Foto: Reuters / Gonzalo Fuentes

Wenn der Präsident reinkommt, müssen die Normalsterblichen raus oder zumindest auf Distanz gehen, wie beim Besuch von Emmanuel Macron am Montag geschehen, Politiker sind eben nicht zum Berühren da. Die Autos schon, aber damit zunächst einmal zur Liste der Hersteller, die Paris heuer fernblieben: BMW, Ford, Honda, Hyundai-Kia, Jaguar Land Rover, Mazda, Mitsubishi, Nissan, Subaru, Suzuki, Toyota, Volvo, VW-Konzern. Eh fast alle, meinen Sie? Eine rein französische Veranstaltung? Der Eindruck ist nicht ganz von der Hand zu weisen, und bespielt werden letztlich nur drei der sieben Hallen, umso imposanter, was Renault und Stellantis hier auffahren.

A110 R: 34 Kilo leichter als die S-Version. Die 300-PS-Maschine katapultiert diese Alpine in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Foto: Andreas Stockinger

Speziell Renault zieht alle Register, zieht eine bombastische Leistungsschau ab, und die trägt schon eindeutig die Handschrift des vom VW-Konzern geholten Chefs Luca de Meo. Gehen wir es alphabetisch an. Alpine A110 R, R wie radikal. Hübscher Versuch, die Attraktivität des Sportgeräts über den Lebenszyklus aufrechtzuhalten: 34 kg leichter als der eh schon vergleichsweise federgewichtige A110 S, Aerodynamik-Feinschliff für mehr Abtrieb und weniger Luftwiderstand, kombiniert mit der 300 PS starken 1,8-Liter-Maschine. So soll der A110 R zum Beispiel für noch bessere Rundenzeiten auf der Rennstrecke gut sein.

Dacia Manifesto. Die Studie ist näher dran an einem Buggy als an einem Geländewagen, setzt auf Allradantrieb – soll aber vor allem auf das Design künftiger Dacias hinweisen.
Foto: Andreas Stockinger

Purismus steht auch auf der Agenda des Dacia Manifesto, bei ganz konträrem Einsatzfokus, damit könnte man die Karpaten unsicher machen. In erster Linie dient die ebenso luftige wie lustige Geländewagenstudie aber als Appetitanreger für die künftige Modellpalette der erfolgreichen Billigmarke, und mit dem Jogger Hybrid 140 debütiert auch der erste Hybridantrieb-Dacia, erhältlich ab März.

Twizy-Nachfolger Duo von der jungen Renault-Submarke Mobilize. Das vollelektrische zweisitzige Stadtmobil tritt frühestens 2024 in Österreich im Carsharing-Bereich in Erscheinung.
Foto: Andreas Stockinger

Mit Mobilize hat de Meo eine Dienstleistungs-Submarke installiert, die unter anderem auf Carsharing zielt – hier ist das zugehörige Minimalmobil: Mobilize Duo. Der 2,43 m kurze E-Zweisitzer ist Nachfolger des Twizy, wieder zwei Sitze hintereinander, aber die Kabine ist jetzt zu. Bei der Basisversion ist bei 45 km/h Schluss mit Temporausch, bei der flotteren bei 80, die Reichweite liegt bei 140 km.

Das fetzige Showcar hier ist bereits ein deutlicher Fingerzeig auf den 2025 kommenden neuen Renault 4 – ein Elektromobil, versteht sich.
Foto: Andreas Stockinger

Weiter geht’s mit Renault, und zwar so: R4, R5 Turbo 3E, Kangoo E-Tech Electric, Hippie Caviar Motel, Scénic Vision. Die Meldungen im Einzelnen: Renault 4: Die g’schmackige Hommage auf den berühmten Vorgänger aus Studentenrevolutionszeiten ist ein erster Hinweis auf die elektrische Neuauflage.

Der neue R5 (hinten) geht schon ein Jahr früher als der R4 an den Start. Das Showcar R5 Turbo 3E (vorne) erinnert an den "Backenturbo" von 1980.
Foto: Andreas Stockinger

Hält der Zeitplan, geht der Elektro-R4 2025 an den Start, ein Jahr nach der Wiedergeburt des R5. Auch dazu hat Renault was auf die Messe mitgebracht, das an den legendären "Backenturbo" erinnernde Showcar R5 Turbo 3E. Studienkonfiguration: Heckantrieb, 280 kW (380 PS).

Jetzt ist auch die Pkw-Version des Kangoo rein elektrisch erhältlich. Mit 90-kW-Motorisierung und maximal 285 km Reichweite.
Foto: Andreas Stockinger

Deutlich ziviler gibt sich der Kangoo E-Tech Electric. Ja, die Pkw-E-Version des beliebten Kastenwagens ist fertig und debütiert an der Seine mit 90-kW-E-Motor (120 PS), 45-kWh-Akku, 80-kW-Schnellladen und bis zu 285 km Reichweite. Österreich-Start ist im März.

Hippie Caviar Motel nennt sich dieser Beitrag – enorm vielseitige Camper-Studie auf Basis Renault Kangoo und mit derselben E-Technik ausgestattet.
Foto: Andreas Stockinger

Dieselbe Technik kommt auch im Hippie Caviar Motel (wenn es beim R4 ein wenig um 68 und die Studenten ging und das Motto ja "Revolution is on" lautet, dürften auch die Langzotteln nicht fehlen) zum Einsatz, eine originelle Camper-Studie auf Kangoo-Basis. Und Publikumspremiere feiert noch der Austral, nähere Infos folgen.

Scénic Vision: Renault gibt dem Van noch eine Chance im Elektrozeitalter, aus der Studie wird 2024 ein Serienmodell, bei den Materialien liegt ein starker Fokus auf Wiederverwertbarkeit.
Foto: Andreas Stockinger

Mit dem Scénic Vision lenkt Renault zuletzt noch die Aufmerksamkeit auf eine Fortsetzung der Karriere des einst so beliebten Vans in der Elektroära. Das Konzeptfahrzeug, das im Design leicht an den Hyundai Ioniq 5 erinnert und Anfang 2024 in ein entsprechendes Serienmodell mündet, ist als E-Mobil mit Wasserstoff-Range-Extender konzipiert, zur Verwendung kommen hauptsächlich rezyklierte und wiederverwertbare Materialien.

E-Tense Performance: Machbarkeitsstudie von DS im Supersportwagen-Erscheinungsbild.
Foto: Andreas Stockinger

Damit kommen wir zu Stellantis und seiner Markenwelt. Notiert haben wir: DS 3, DS 7, DS 9 E-Tense Opéra Première, E-Tense Performance, Jeep Avenger, Peugeot e-208 und 408. Das DS-Kapitel ist rasch abgehakt, bei den ersten beiden handelt es sich um Facelifts, in deren Zuge "Crossback" verschwindet, und der 9er ist ein Sondermodell, erhältlich ab Frühling. Und beim DS E-Tense Performance handelt es sich um einen gemeinsam mit der Rennsportabteilung der Formel E entwickelten Prototypen im Supersportwagenformat mit dazu passenden 600 kW Leistung.

Zweifellos eine der wichtigsten Weltpremieren in Paris ist der Jeep Avenger. Erster rein elektrischer Jeep! Erster auch auf der PSA-Plattform e-CMP und Vorbote vieler künftiger Elektro-Jeeps. Auf der technischen Architektur sind auch verbrennungsmotorische Ableger darstellbar, in Italien und Spanien zum Beispiel wird der Avenger auch mit Benzinmotoren erhältlich sein, bei uns nicht, zu uns kommt der Rächer nur unter Strom – und zwar Anfang des zweiten Quartals 2023.

Jetzt wird’s auch bei Jeep elektrisch: Der Avenger startet zunächst als Fronttriebler, die Studie 4Xe verrät aber schon, dass da noch was mit Allrad nachkommt.
Foto: Andreas Stockinger

Mit den Geländefähigkeiten wird es zunächst nicht allzu weit her sein, weil: Frontantrieb. Ein bisserl was geht aber immer, auch dank Selec Terrain und Bergabfahr-Assistenten. Mit 4,08 m Länge ist der Avenger ein sehr kompaktes Fahrzeug, der E-Motor leistet 115 kW (156 PS), und die 54-kWh-Batterie soll den Jeep bis zu 392 km weit in die Welt hinaus sowie in die neue Ära bringen. Für die 1st Edition gibt es schon einen Preis, los geht’s bei 39.900 Euro. Eine beim Salon ebenfalls enthüllte Avenger-Studie weist aber darauf hin, dass dann doch auch eine Allradversion geplant ist.

Der Peugeot e-208 kommt mit aktualisierter Technik 22 km weiter als bisher.
Foto: Andreas Stockinger

Bei Peugeot bekommt der e-208 im ersten Quartal ’23 eine Reichweitensteigerung, nämlich auf 400 km (22 km mehr als bisher), und dank des neuen E-Motors erstarkt der e-208 um 15 Prozent auf 115 kW, vergleiche: Avenger.

Mutiges Design, spannendes Konzept: Mit dem 408 macht Peugeot ein ganz neues Segment auf.
Foto: Andreas Stockinger

Die bedeutendste Neuheit beim Peugeot-Stand ist aber natürlich der 408. Wie die ersten Fotos vermuten ließen: Richtig fesches, mutiges, 4,69 m langes Fließheck-Crossover-Konzept, und motorisch stehen ein 3-Zylinder-Benziner mit 130 PS sowie zwei Plug-in-Hybride mit 180 und 225 PS zur Auswahl – alle mit 8-Gang-Automatik. Marktstart ist im Februar, ein elektrischer 408 folgt im Herbst.

Hopium Machina, französischer Showstopper mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb.
Foto: Andreas Stockinger

Der Pariser Rest sind China-Marken und Exoten aus aller Welt, im Wasserstoff-Brennstoffzellen-Vehikel Machina (500 PS, 1.000 km Reichweite) des französischen Start-ups Hopium nahm auch Monsieur le Président Platz ...

Jetzt wird auch Vietnam (Elektro-)Autonation: Mit Fahrzeugen wie dem SUV Vinfast VF 7 zeigt der Hersteller 2023 Flagge – in Deutschland.
Foto: Andreas Stockinger

... und Vinfast aus Vietnam zeigt, wie weit man elektrisch und modellpolitisch bereits gekommen ist.

E.GO e.wave X, Exotenbeitrag aus Germanistan.
Foto: Andreas Stockinger

Von den weiteren Exoten genannt seien E.GO (e.wave X) aus Deutschland und Microlino aus der Schweiz, der französisch-marokkanische Newcomer NamX (HUV), und damit noch einmal Stichwort China.

Startet ebenfalls in manchen Märkten Europas durch, nur noch nicht in Österreich: Ora Funky Cat aus dem Bauchladen von Great Wall.
Foto: Andreas Stockinger

Neben den Great-Wall-Marken Ora und Wey sei vor allem auf BYD verwiesen – Denzel tritt nämlich als Importeur der Fernost-Elektroautomarke in Erscheinung.

Mit dem Elektro-Trio BYD Atto 3, Han und Tang geht der chinesische Automobilhersteller ab Jahreswechsel in Österreich auf Kundenfang, der kompakte SUV Atto 3 wird dabei das Volumensmodell.
Foto: Andreas Stockinger

Los geht es im Jänner gleich mit einem Trio, den SUVs Atto 3 (kompakt) und Tang (groß) sowie der Limousine Han, Ende 2023 sollen bereits sieben BYD-Modelle in Österreich erhältlich sein. Kostenpunkt für den Atto 3, den präsumtiven Bestseller: vermutlich ab etwa 40.000 Euro, Reichweite: 420 km.

Abseits des Pariser Salons präsentierte Mercedes den EQE SUV, er teilt sich mit dem noch luxuriöseren EQS SUV die rein elektrische Plattform.
Foto: Mercedes-Benz

Abseits des Messegeländes, in den Gärten des Musée Rodin, zeigt aus Deutschland Mercedes Flagge. Aber nur für geladene Gäste. Könnte sonst ja jede(r) kommen. Der EQE SUV steht auf derselben rein elektrischen Plattform wie das Topmodell EQS SUV, gibt sich aber bei den Abmessungen – 4,88 m Länge – so viel bescheidener wie der EQE gegenüber dem EQS. Die beiden AMG-Versionen leisten 350 und 460 kW, die 90,6-kWh-Batterie erlaubt Reichweiten von bis zu 488 bzw. 470 km. Marktstart ist vermutlich im Lenz. (Andreas Stockinger, 19.10.2022)