Am Pariser Autosalon hat sich Renault diese Woche ja sehr futuristisch dargestellt; man möchte fast meinen, es handle sich um eine rein elektrische Marke à la Tesla. Dass die Franzosen allerdings doch noch Verbrenner herstellen, sogar neue, sieht man am Austral, der Anfang Sommer bereits angekündigt wurde und seit September vorzubestellen ist.

Die auffällige karierte Front des Austral kaschiert geschickt den Kühlergrill.
Foto: Renault

Diesel weicht Hybrid-Antrieb

In Renaults Modellreihe ersetzt er den Kadjar, um den äußerst lukrativen Mittelklasse-SUV-Slot der Marke zu füllen. Gegenüber seinem Vorgänger ist er ein wenig gewachsen, und das äußere Design ist ans momentane Jahrzehnt angepasst worden. Wenig überraschend wurde die Diesel-Motorisierung abgeschafft und durch drei verschiedene Benzin-Hybrid Modelle ersetzt. Die beiden Einstiegsversionen müssen sich mit einem Mild-Hybrid-Antrieb auf 12-Volt-Basis zufriedengeben, der mit seinem 1,3-Liter-4-Zylinder-Turbomotor jeweils 140 PS über ein manuelles oder 160 PS über ein CVT-Getriebe liefert.

Renault hofft allerdings, die Hälfte der Flotte in der Top-Motorisierung verkaufen zu können. Diese verdient sich, dank des Voll-Hybrid-Antriebs, den "E-Tech"-Beinamen und kommt mit einem 131-PS-Ottomotor und einem 68-PS-Elektromotor auf 199, sagen wir, 200 Pferdestärken (146 kW). Mit der größeren Batterie kann es sich der E-Tech leisten, im Stadtverkehr primär elektrisch unterwegs zu sein und den Verbrenner nur bei höheren Geschwindigkeiten (oder bei niedriger Stromladung) in Betrieb zu nehmen. Dadurch sollte es der "AUSTRALE", wie er auf seiner Heckklappe bezeichnet wird, mit seinen circa fünf Litern Verbrauch auf rund 900 Kilometer Reichweite schaffen, was den Verlust des bisher verfügbaren Dieselmotors hoffentlich ein bisschen verkraftbarer machen wird.

Hinterradlenkung

Auch 4Control, Renaults Allradlenksystem, gibt im viereinhalb Meter langen Austral ein Comeback. Kunden des Vollhybriden können sich für einen Aufpreis von ungefähr 1.600 Euro die dritte Version der Lenkunterstützung besorgen, deren Vorgänger bereits im Talisman und Mégane verbaut wurden. 4Control Advanced erhöht den maximalen Einschlagwinkel der Hinterradlenkung von 3,5 auf fünf Grad, um den Wenderadius des Kompakt-SUVs auf 10,1 Meter zu reduzieren. Das Heck folgt dadurch näher der Spur, die die Vorderräder vorgeben, perfekt für die engeren Straßen europäischer Innenstädte, solange diese noch befahrbar sind. Bei höheren Geschwindigkeiten (ab etwa 80 km/h) wechseln die Hinterräder von einer Gegen- zu einer Gleichlenkung. Somit kann sich das Fahrzeug "schräg" vorwärts bewegen und unterstützt dabei Spurwechsel auf der Autobahn.

Die Aggressivität der Hinterradlenkung lässt sich in den verschiedenen Fahrmodi separat einstellen. Warum man sie nicht permanent auf höchster Stufe haben möchte, sei dahingestellt.
Foto: Renault

Hochmoderner Innenraum

Als Neuwagen des Informationszeitalters legt der Austral selbstverständlich einen großen Wert auf die User-Experience. Langsam, aber sicher realisieren Fahrzeughersteller, einige jedenfalls, dass nicht jedes Benutzerelement in einem Unter-Untermenü auf einem Touchscreen zu Hause sein muss. Positiv überrascht die Fahrerkabine des Austral mit physischen Bedienelementen für Klimaeinstellungen und Musikwiedergabe, besonders weil in Spanien, wo die Testfahrt stattgefunden hat, das Bedienen des Bordcomputer-Touchscreens während der Fahrt illegal ist. Einen Kollegen aus Deutschland hat diese Versuchung anscheinend am Vortag bereits 200 Euro gekostet. Verständlich. Ganz ohne Touch geht's leider doch nicht: Die Sprachsteuerung ist, wie fast immer, mittelmäßig.

Die Akzentfarben der Fahrerkabine passen sich dem ausgewählten Fahrmodus an. Hier zu sehen: Comfort.
Foto: Renault

Was nicht mittelmäßig ist, ist das eingebaute Navigationssystem, das vom Aussehen her verdächtig nahe an Google Maps dran ist. Renault hat mit dem Silicon-Valley-Giganten kollaboriert, und voraussichtlich wird sich diese Zusammenarbeit nicht nur auf Kartenmaterial beschränken, die Integration des Google Play Store ist bereits angekündigt, und der Sprachassistent soll ebenfalls Google-Unterstützung bekommen.

Ebenfalls ausgezeichnet ist das ausgesprochen große Head-up-Display (HUD), das auf 9,5 Zoll die gewohnten Informationen wie Geschwindigkeit, Wegbeschreibung und Tempomat-Einstellungen anzeigt. Eine Reihe an Sensoren lassen den Austral andere Verkehrsteilnehmer erkennen, und auf dem Armaturenbrett kann man während der Fahrt eine kleine 3D-Simulation beobachten, auf der alle Pkw, Lkw und Motorradfahrer in Relation zum Fahrzeug angezeigt werden. Sollte man aber nicht tun, momentan ist die Windschutzscheibe noch immer zuverlässiger.

Ein großes Head-up-Display ist ein Luxus, ohne den man nicht mehr leben kann, hat man sich einmal daran gewöhnt.
Foto: Renault

Außerdem bequem: Mit der neuesten Weiterentwicklung in der Autoschlüsseltechnologie muss der Fahrer nicht einmal mehr einen Knopf oder Berührungssensor an der Türklinke betätigen, das war wohl etwas zu viel Aufwand. Sobald man sich dem Fahrzeug nähert, sperrt es automatisch auf und macht das Gegenteil, wenn man sich mehr als ein paar Meter entfernt. Ja, die Tür muss man zwar trotzdem noch selber öffnen, was vermutlich jegliche Zeitersparnis zunichtemacht, aber es fühlt sich trotzdem gut an.

Wie auch schon der Kadjar wird der Austral im Norden Spaniens zusammengesetzt.
Foto: Renault

Hergestellt wird der Austral in Spanien, in Palencia (mit einem P), und soll ab Jänner an Kunden mit Vorbestellung ausgeliefert werden. Preislich beginnt der Austral bei 32.000 Euro, die E-Tech-Ausstattung bei 40.500. (Felix Pisecker, 24.10.2022)