Die Fellfarben der nordamerikanischen Wölfe (Canis lupus) geben Biologen schon länger Rätsel auf: Je weiter man sich vom arktischen Kanada aus nach Süden bewegt, desto häufiger trifft man zwischen den herkömmlichen rötlich, braun bis silbergrau gefärbten Wölfen auf schwarze Exemplare. Woher der sogenannte Melanismus bei den Wölfen kommt, darauf hat 2007 eine Forschungsgruppe von der Stanford University in Kalifornien eine Antwort gefunden: Das schwarze Wolfsfell ist einer Mutation in einem Gen namens CBD103 zu verdanken. Nun zeigte sich, dass eine Virusinfektion die Farbverbreitung unter den nordamerikanische Wölfen entscheidend beeinflusst.

Schwarze Wölfe haben größere Chancen, eine Hundestaupe-Infektion zu überleben.
Foto: Daniel Stahler/NPS

"In den meisten Regionen der Welt kommen schwarze Wölfe nicht oder nur sehr selten vor, doch in Nordamerika sind sie in einigen Gebieten weitverbreitet. In anderen wiederum sind sie gar nicht vorhanden", sagte Tim Coulson von der University of Oxford, Hauptautor der im Fachjournal "Science" veröffentlichten Arbeit. "Wir haben jetzt eine Erklärung für dieses Phänomen gefunden, die auf Wolfserhebungen in ganz Nordamerika und auf Modellberechnungen basiert. Den Grundstein dafür legten unter anderem außergewöhnliche Daten, die Kolleginnen und Kollegen vom Yellowstone Nationalpark gesammelt hatten."

Dominante Dunkelheit

Die Farben des Pelzes eines Wolfes werden vom Gen CPD103 bestimmt, erklärte Coulson. Abhängig von der jeweiligen Variante kann sein Fell entweder schwarz oder grau sein. Bei der schwarzfärbenden Mutation dieses Gens entsteht eine veränderte Version des Proteins ß-Defensin, das bei der Pigmentsynthese eine Rolle spielt. Dieses bewirkt, dass statt des gelben Pheomelanins schwarzes Eumelanin produziert wird. Wie frühere Analysen gezeigte haben, ist diese als KB bezeichnete Genmutation dominant gegenüber der ursprünglichen Genvariante.

Das Team um Coulson hat nun herausgefunden, dass das mutierte Gen auch mit dem Schutz vor Atemwegserkrankungen wie dem Hundestaupevirus (CDV) in Zusammenhang steht. Die DNA-Region, auf dem das Gen sitzt, kodiert nämlich auch für ein Protein, das für die Abwehr von Infektionen in der Lunge sehr wichtig ist. Die Schlussfolgerung der Forschenden aus dieser Erkenntnis lautet: Besitzt ein Wolf ein schwarzes Fell, hat das Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, mit der das betroffene Tier eine Infektion mit dem Hundestaupevirus überlebt.

Jenes Gen, das bei Wölfen für einen schwarzen Pelz sorgt, ist dominant gegenüber der anderen, graumachenden Variante.
Foto: Daniel Stahler/NPS

Schwarze Wölfe in Hundestaupegebieten

Um diese Hypothese zu überprüfen, analysierte das Team zwölf Wolfspopulationen in Nordamerika, wobei insbesondere das Vorhandensein von CDV-Antikörpern im Fokus stand. Trägt ein Wolf CDV-Antikörper in sich, dann war er in der Vergangenheit mit CDV infiziert gewesen und hatte überlebt. Die erhobenen Daten sprachen letztlich für sich: Wölfe mit CDV-Antikörpern waren im Durchschnitt eher schwarz als grau. Und es zeigte sich, dass schwarze Wölfe häufiger in Gebieten vorkamen, in denen es zu CDV-Ausbrüchen kam.

Auch im Yellowstone-Nationalpark wiederholte sich dieses Muster: Schwarze Wölfe überlebten CDV-Ausbrüche eher als graue Wölfe. Hier konnte das Team auf einem besonders großen Datenschatz aufbauen, der von Forschenden in den vergangenen 20 Jahren aufgehäuft worden war. In Gebieten, in denen das Hundestaupevirus grassierte, wäre es also für die Wolfspopulation von Vorteil, wenn sich helle und schwarze Wölfe häufiger zusammentun, um die Wahrscheinlichkeit für Nachkommen mit einem schwarzen Fell zu erhöhen.

Ein graues Männchen und ein schwarzes Weibchen im Yellowstone-Nationalpark bei der Paarung; zwei andere Rudelmitglieder sehen zu. Die neue Studie zeigt, dass die Wölfe in Regionen mit Hundestaupe-Ausbrüchen ihre Partner bzw. Partnerinnen eher nach ihrer Farbe auswählen.
Foto: Daniel Stahler/NPS

Die Resultate eines einfachen mathematischen Modells, das auf dieser Annahme beruht, deckten sich weitgehend mit den Beobachtungen: Schwarze und graue Wölfe paarten sich in jenen Gebieten eher, in denen CDV-Ausbrüche häufiger vorkommen. In Regionen, in denen das Hundestaupevirus nicht auftrat, ging dieser Wettbewerbsvorteil verloren, berichten die Forschenden.

Genvarianten und Virus kam von den Hunden

"Es ist faszinierend, dass das Gen für den Schutz vor CDV eigentlich von Haushunden stammt, die von den ersten Menschen nach Nordamerika gebracht wurden" sagte Koautor Peter Hudson von der Pennsylvania State University. "Das Virus, das die Staupe auslöst, kam erst viele Tausend Jahre später nach Nordamerika; es war ebenfalls von Haushunden eingeschleppt worden."

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter spekulieren, dass andere Arten einem ähnlichen Muster folgen könnten. Bei vielen Insekten, Amphibien, Vögeln und nichtmenschlichen Säugetieren besteht ein Zusammenhang zwischen Farbe und Krankheitsresistenz. Es könne gut sein, dass Infektionskrankheiten ein wichtiger Faktor sind, der die Farbgebung jenes Partners beeinflusst, den ein Tier bevorzugt. (tberg, 23.10.2022)