iPad Pro: Der Unterschied zum Vorjahresmodell dürfte für die meisten Nutzenden denkbar gering ausgefallen sein.

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Wie es so auf dem Tisch liegt, fällt es eigentlich gar nicht auf: Das neue iPad Pro ist da. Natürlich, die 12,9-Zoll-Variante bleibt mit ihrer Größe an sich schon beeindruckend, aber am Design hat sich im Vergleich zum letzten Mal nichts geändert. Anders als beim neuen iPad 10 sind es bei den heurigen Pro-Modellen die inneren Werte, auf die es ankommen soll. Ein überarbeiteter Prozessor verspricht 15 Prozent mehr Leistung im Vergleich zu den Vorjahresmodellen. Aber ist das wirklich alles? DER STANDARD konnte ein Modell mit 12,9 Zoll testen.

Alte Bekannte

Rein äußerlich ist es tatsächlich nur der Schriftzug auf der Rückseite des neuen iPad Pro, durch den sich das Tablet vom Vorjahresmodell unterscheidet. Ansonsten sind Aussehen und Maße exakt dieselben geblieben: 280,6 Millimeter lang, 214,9 Millimeter breit und 6,4 Millimeter dick ist die größere der beiden verfügbaren Varianten. Mit demselben Gewicht von bis zu 685 Gramm (5G-Version) ist es tendenziell auch besser am Arbeitsplatz, auf einem Tisch, im Magic Keyboard oder auf dem Schoß aufgehoben als direkt in der Hand.

Links: das iPad Pro in elf Zoll aus dem Vorjahr. Rechts: das neue iPad Pro mit 12,9 Zoll Bildschirmdiagonale.
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Dennoch: Wenn man den schweren Brummer einmal in Händen hält, fällt natürlich sofort wieder die äußerst hochwertige Verarbeitung des Geräts auf. Er wirkt wie aus einem Guss, Spaltmaße zwischen Display und Gehäuse aus Aluminium lassen sich allenfalls ertasten, so muss das bei einem Premiumgerät sein. Unverändert bleibt auch die Position der drei Buttons, der USB-C-Buchse (18 Watt), der vier Aussparungen für die Lautsprecher an der Ober- und Unterseite des Geräts sowie der Einschub des SIM-Karten-Slots an der unteren rechten Seite.

Bewährtes Design muss freilich nicht krampfhaft verändert werden, das mag zum Großteil auch für das iPad Pro gelten. Abgesehen vom heimlichen Wunsch nach schmäleren Displayrändern wundert man sich dennoch ein wenig über die Entscheidung, dass die Position der Frontkamera beibehalten worden ist. Bei der jüngsten Generation des "normalen" iPads ist sie ja bereits auf die Längsseite gerutscht. Gerade für Pro-Modelle, die als Arbeitsgeräte tendenziell noch stärker im Querformat genutzt werden, wäre das eine praxisnahe Verbesserung im Alltag gewesen. Offensichtlich aber keine einfach umsetzbare.

Kamera-Hardware unverändert

Apropos Kamera: Hier wurde hardwareseitig – man kann es sich fast schon denken – alles auf dem Stand des letztjährigen Modells belassen. Für die Rückseite bedeutet das ein Dual-System aus Weitwinkelkamera mit zwölf Megapixeln und Ultraweitwinkelkamera mit zehn Megapixeln sowie den integrierten LiDAR-Sensor. Die Frontkamera verfügt über eine Auflösung von zwölf Megapixeln, die Nutzerinnen und Nutzer bei Videotelefonaten dank Center Stage auch freihändig im Mittelpunkt behält.

Die Kamera wurde vom Vorjahresmodell übernommen.
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Eine recht kleine Neuerung gibt es im Zusammenhang mit der Kamera dennoch zu vermelden: Dank leistungsstarken M2-Prozessors lassen sich jetzt qualitativ hochwertigere ProRes-Videos aufnehmen. Auch wenn Apple diese und andere Kinoqualitäten – nicht zuletzt auch wegen der Unterstützung von Dolby Atmos – gerne betont, liegen die alltagtauglicheren Stärken der Kamera tatsächlich im tadellosen Scannen von Dokumenten oder in der Nutzung von AR-Anwendungen. Die Qualität von Schnappschüssen ist auch bei schwachem Umgebungslicht brauchbar, erste Wahl zum Fotografieren oder Filmen sind die Kameras aber nicht, was nicht zuletzt auch an den Abmessungen des Geräts selbst liegt.

Gewohnt starkes Display

Wer darauf gehofft hat, dass heuer endlich energieeffizientere und hellere OLED-Displays für die Pro-Modelle am Start sind, der wird leider enttäuscht. Letzten Gerüchten zufolge dürfte das Upgrade überhaupt erst 2024 so weit sein. Das Mini-LED-Display mit einer Auflösung von 2.732 x 2048 Pixel hat beim Testgerät zwar nur eine Pixeldichte von 264 PPI, dennoch wirken die gezeigten Inhalte attraktiv und scharf.

Bei HDR-Content kann der 12,9-Zöller mit seinem exklusiven Helligkeitsboost bis zu 1.600 Nits nochmal punkten, das 11-Zoll-Modell muss weiterhin mit herkömmlichem LED-Display auskommen, hier ist bei 600 Nits Schluss. Die komplette Pro-Linie verfügt nach wie vor über das ProMotion-Display mit 120 Hz, das Bewegungen am Display, allen voran das Scrollen, besonders flüssig und geschmeidig wirken lässt. Der dynamische Weißabgleich rundet das Bild ab.

Auch beim Display ist es wieder eine Kleinigkeit, die das neue Line-up aufwerten soll. Der sogenannte Referenzmodus ermöglicht es, das iPad Pro als Referenzdisplay bei Farbstandards und Videoformaten zu verwenden. Das funktioniert allerdings nur beim 12,9-Zöller mit dem Liquid Retina XDR Display.

M2, das Highlight

Herzstück der neuen Pro-Modelle ist der M2-Chip. Laut Apple soll er 15 Prozent mehr Rechen- und bis zu 35 Prozent mehr Grafikleistung bieten als der Vorgänger M1. Im Test konnte der 12,9-Zöller (mit 16 GB RAM) beim 3DMark Wild Life Extreme einen Wert von 6.980 Punkten und durchschnittliche 41,8 Bilder pro Sekunde erzielen. Zum Vergleich: Das Pro mit 11 Zoll aus dem Vorjahr (und mit 8 GB RAM) kommt bei diesem Benchmark auf 5.134 Punkte und 30,7 Bilder pro Sekunde. In Geekbenchs CPU-Benchmark erreichte der M2-Chip 1.881 Punkte im Single- und 8.484 Punkt im Multi-Core-Score. Das ältere Modell kam dabei auf 1.705 beziehungsweise auf 7.324 Punkte.

Wie lässt sich das auf den Alltag ummünzen? Klar ist: Der M2 ist zweifelsohne ein extrem starker Chip und der Leistungssprung definitiv messbar. Wirklich davon profitieren dürfte allerdings nur ein ausgewählter Kreis an Nutzerinnen und Nutzern, der professionelle Video- und/oder Fotobearbeitung betreibt. Besonders beim leistungshungrigen Schneiden und Konvertieren hochauflösender Videos ist jedes Quäntchen an Leistungssteigerung willkommen. Ein Vorteil bietet sich möglicherweise auch für Spieler fernab cloudbasierter Dienste, die die Rechenleistung direkt am Gerät benötigen. Aber auch das dürfte eine sehr spezielle Zielgruppe sein.

Mehr Konnektivität, gute Akkulaufzeit

Erstmals unterstützt wird von den neuen Pro-Modellen der WLAN-Standard WiFi 6E. Das garantiert den Tablets zwar eine schnelle und zuverlässigere drahtlose Datenübertragung für die Zukunft, davon profitieren wird man allerdings erst dann, wenn die zusätzlichen Frequenzen auch freigegeben sind und der Router in der Nähe diesen Standard ebenfalls unterstützt. Ebenfalls neu ist der Support von Bluetooth 5.3 statt vormals Version 5.0.

Die angegebene Betriebsdauer des iPad Pro von rund zehn Stunden konnte im Test nicht ganz erreicht werden, bei moderater Nutzung des Geräts sollte dieser Wert aber ohne Probleme möglich sein. Weit weniger eindrucksvoll sind in diesem Zusammenhang die Ladezeiten: Hier kam das getestete Modell auf acht bis zehn Prozent je 15 Minuten Ladezeit, insgesamt wurden deutlich mehr als zwei Stunden benötigt, um auf 100 Prozent zu kommen. Eine Möglichkeit zum kabellosen Aufladen gibt es weiterhin nicht.

Mehr Multitasking-Ambitionen

Dank iPadOS 16.1 soll das iPad Pro aber ein Stück näher an Notebook-Fähigkeiten rücken. Offensichtlichste Neuerung ist dafür der Stage Manager. Damit lassen sich erstmals unterschiedlich große, überlappende Fenster in einer Ansicht darstellen. Fenster können auch von der Seite per Drag & Drop reingezogen und abgelegt werden.

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist das Multitasking mit dem Pro relativ einfach und flott umsetzbar. Man merkt allerdings auch, dass der Stage Manager noch am Anfang steht. Die Fenstergröße mancher Apps von Drittanbietern lässt sich noch nicht beliebig einstellen, und auch die Erweiterung der Bildschirmfläche über externe Displays ist erst mit einem späteren Update verfügbar.

Der Stage Manager zeigt praktische Ansätze, wirkt aber noch nicht ausgereift.
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Zudem ist man gut beraten, den Platz für maximal vier gleichzeitige Fenster am iPad-Display auszureizen, indem man das Dock am unteren Bildschirmrand und die Gruppierungen von Apps an der Seite automatisch ausblenden lässt. Notebook-Feeling kommt da schon eher bei den subtileren Kontextmenüs auf, die sich mit angedocktem Keyboard und Trackpad deutlich vom Tablet-Betrieb unterscheiden.

Apropos: Um sich mit dem iPad Pro haptisch an ein Notebook annähern zu können, ist eine adäquate Bedienung naheliegend. Im Test wurde das Magic Keyboard herangezogen, das eine beleuchtete Tastatur mit gutem Tippgefühl und ein reibungsloses Navigieren via Trackpad bietet. Mit einer UVP von 420 Euro ist das Zubehör aber sehr teuer und verfügt auch nur über einen USB-C-Anschluss zum Pass-Through-Laden.

Eine Vorschau für den Stift

Für den magnetisch aufladbaren Apple Pencil gibt es in Kombination mit den neuen Modellen des iPad Pro einen Schwebemodus: Einen guten Zentimeter, bevor der Stift das Display berührt, zeigt eine Art Vorschau an, wo der Stift mit welchem Resultat landen würde.

Hover: Noch bevor der Stift auf dem Display landet, wird das Resultat angezeigt. Hier exemplarisch mit einem extradicken Marker.
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Ähnlich praktisch sind die neuen Funktionen im Notizbuch. Neben einer zusätzlichen Auswahl an Stiften lassen sich unter anderem auch vorgefertigte Formen mit wenigen Handgriffen auf dem Bildschirm platzieren.

Viel Geld, wenig Upgrades

Was es erstmals seit Bestehen der Pro-Serie nicht mehr gibt, ist ein Modell unter 1.000 Euro, der günstigste 12,9-Zöller kostet 1.449 Euro. Die Testkonfiguration kommt mit Magic Keyboard und Pencil auf rund 3.100 Euro. In der größten Ausstattung mit 12,9 Zoll, 2 TB Speicher und 5G-Funkunterstützung kostet allein das iPad Pro mehr als 3.000 Euro.

Ein wenig bitter erscheint der Umstand, dass im Vergleich zum Vorjahresmodell "nur" der Wechsel auf den M2-Prozessor die größte Neuerung ist. Und von Verbesserungen bei der Konnektivität profitiert man – wenn überhaupt – zu einem späteren Zeitpunkt, das ginge praxisnäher. Warum gibt es zum Beispiel kein Wireless Charging? Wieso braucht die Pro-Serie noch immer mehr als zwei Stunden zum vollständigen Aufladen? Wann ist mit einem OLED-Display im Pro zu rechnen?

Lassen sich die Einstiegspreise im Vergleich zu den Anschaffungskosten für die Vorjahresmodelle schon schwierig rechtfertigen, machen Konfigurationen jenseits der 3.000 Euro (egal ob mit oder ohne Zubehör) noch weniger Sinn. Für diese Summe holt man sich – wenn's nur Apple sein darf – nämlich ein MacBook und ein Tablet: Bei welchem der beiden Devices dann "Air" dranhängt und bei welchem "Pro", darf man sich je nach Vorliebe und Anwendungsszenario selbst aussuchen. So kann die Frage, wann das iPad Pro endlich Notebook-Ersatz wird, natürlich auch beantwortet werden.

Fazit

Der König ist tot, lang lebe der König. Mangels Konkurrenz entthront sich Apple mit dem iPad Pro wieder einmal selbst, wenn es um die Kategorie stärkstes Tablet geht. Überraschend ist der Mehrnutzen im Vergleich zum iPad Pro 2021: Er ist vorhanden, aber geringer denn je. Für Besitzerinnen eines Vorjahresmodells ist immerhin die Nachricht gut, auch mit M1-Chip für iPadOS 16.1 noch hervorragend gerüstet zu sein und getrost auf einen Wechsel verzichten zu können.

So beeindruckend overpowered sich das neue iPad Pro im Test für die meisten klassischen Tablet-Anwendungen auch erwiesen hat, so schwierig scheint es Apple immer noch zu fallen, sein Tablet als vollwertiges Notebook freizugeben. Hardwareseitig ist man mit brachialer M2-Power natürlich schon auf Augenhöhe, Zeit geben muss man aber noch iPad OS im Allgemeinen und Vorstößen wie dem Stage Manager im Besonderen.

Und die Preise? Die kann man sich je nach Perspektive und Geldbörse natürlich immer schön- oder schlechtreden, stattlich sind sie in jedem Fall. In diesen luftigen Höhen kann und sollte man sich mehr erwarten als ein bisschen Feinschliff und einen Leistungsboost, der für die meisten Nutzenden gar nicht mehr wahrzunehmen ist. (Benjamin Brandtner, 29.10.2022)