Eine Autokolonne im Westen Irans am 40. Tag nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini.

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Teheran – Die iranische Polizei setzt einem Medienbericht zufolge Drohnen ein, um die systemkritischen Proteste zu kontrollieren. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim – die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden gilt – sollen die Drohnen besonders den Spezialeinheiten dabei helfen, das Geschehen effektiver zu beobachten und auch von Demonstranten selbstgebastelte Bomben ausfindig zu machen. Um welche Drohnen es sich bei den Polizeieinsätzen handelt, ließ Tasnim offen.

Die Polizei und Sicherheitskräfte behaupten, dass die Demonstranten vermehrt mit Molotowcocktails öffentliche Einrichtungen in Brand setzen. Auch seien einige von ihnen bewaffnet und hätten in den vergangenen Wochen mindestens 27 Sicherheitskräfte getötet. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Beobachter sehen Gewaltbereitschaft aufseiten der Demonstranten jedoch als eine Reaktion auf das brutale Vorgehen der Polizei.

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen die autoritäre Regierung im Iran sollen die Sicherheitskräfte nun mehr Lohn bekommen. Das Parlament der Islamischen Republik stimmte am Sonntag in Teheran einer Erhöhung der Bezüge um 20 Prozent zu, wie die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete. Begründet wird dies damit, dass die Löhne der Sicherheitskräfte im Vergleich zu zivilen Angestellten des Staates besser gestellt werden sollten.

Journalistinnen und Journalisten solidarisieren sich mit Kollegen

Mehr als 300 iranische Journalistinnen und Journalisten fordern indessen in einer gemeinsamen Stellungnahme die Freilassung von zwei ihrer Kollegen. "Etemad" und andere Zeitungen veröffentlichten den Aufruf am Sonntag. Niloofar Hamedi und Elaheh Mohammadi waren wegen ihrer Berichterstattung über den Tod von Mahsa Amini festgenommen worden. Hamedi hatte ein Foto von Aminis Eltern auf Twitter veröffentlicht. Darauf ist zu sehen, wie sie sich in einem Krankenhaus in Teheran umarmen, während ihre Tochter im Koma liegt. Mohammadi schrieb über Aminis Beerdigung in ihrer kurdischen Heimatstadt Sakes. Der iranische Geheimdienst und der Nachrichtendienst der einflussreichen Revolutionsgarden beschuldigten die beiden am Freitag, Agenten des US-Geheimdienstes CIA zu sein. Dem Iran zufolge stecken die Erzfeinde USA, Israel und andere westliche Länder hinter den Unruhen.

Aminis Tod Mitte September hat im Iran eine Protestwelle ausgelöst, die inzwischen alle Bevölkerungsgruppen umfasst. Die 22-Jährige war von Sittenwächtern festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben soll. Menschenrechtsgruppen zufolge sind bislang mindestens 40 Journalistinnen und Journalisten in den letzten sechs Wochen festgenommen worden.

Iranische Revolutionsgarden werden geprüft

Am Samstag warnten die Revolutionsgarden die Regierungsgegner vor weiteren Protesten und signalisierten damit möglicherweise ein härteres Vorgehen. Trotz der massiven Drohung der Revolutionsgarden sind in vielen Städten des Landes die Proteste in eine neue Runde gegangen. Dabei setzen die Sicherheitskräfte am Wochenende nach Berichten von Augenzeugen wieder Gewalt ein.

Indes prüfen Deutschland und die EU nach den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), ob die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden können. In einem ARD-Interview wies Baerbock am Sonntag zugleich den Vorwurf der iranischen Regierung einer unerlaubten Einmischung zurück. "Das ist nicht der Fall. Wir unterstützen diejenigen, die für Freiheitsrechte, für Menschenrechte, für Bürgerrechte kämpfen, so wie wir das in unserem Land auch tagtäglich leben können", sagte sie.

Proteste gehen weiter

Der Kommandant der Revolutionsgarden, Hossein Salami, hatte in einer Rede am Samstag ein Ende der Demonstrationen verlangt. "Die Demonstranten sollten die Geduld des Systems nicht überstrapazieren", warnte der General nach einem Bericht von IRNA. "Heute ist der letzte Tag der Unruhen. Kommt nicht mehr auf die Straßen." Niemand werde den Demonstranten erlauben, weiter Unsicherheit zu stiften und die Universitäten des Landes in ein "Schlachtfeld" zu verwandeln.

Trotzdem setzten Studierende in der Hauptstadt Teheran, der Pilgerstadt Mashhad im Nordosten sowie anderen Landesteilen ihre Protestaktionen fort. Sicherheitskräfte gingen auf einem Campus in Mashhad gewaltsam gegen hunderte Studenten vor, wie Augenzeugen berichteten. In Teheran soll die Polizei Berichten zufolge Tränengas eingesetzt haben. Auch in vielen weiteren Städten gab es Proteste gegen den Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.

Rapper festgenommen

Ein landesweit bekannter Rapper, Toomaj Salehi, ist nach Kritik an der politischen Führung in Teheran festgenommen worden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tasnim wird dem Musiker vorgeworfen, bei den anhaltenden Protesten Gewalt angezettelt zu haben. Offiziell hieß es, Salehi sei beim Versuch festgenommen worden, außer Landes zu fliehen.

Auf seinem Telegram-Kanal widersprach ein Onkel des Rappers dieser Version und äußerte Sorgen über dessen Verbleib. In den sozialen Medien empörten sich viele über die Festnahme. Bereits vor einem Jahr war Salehi festgenommen worden. Damals kam er auf Kaution frei. (APA, Reuters, red, 30.10.2022)