Das Vertrauen in das staatliche Pensionssystem sinkt, jenes in die private Altersvorsorge ist deutlich höher – vor allem bei Jüngeren. Doch nicht alle Anlageformen halten, was sie versprechen.

Foto: imago images/Future Image

11,0 Prozent. So lautet die Schnellschätzung der Statistik Austria für die Inflation im Oktober. Für all jene, die am Ende dennoch Geld zum Sparen übrig haben, stellt sich nun die Frage: Wie kann ich meine Ersparnisse vor einer Entwertung schützen? Aber auch jene, deren Konto am Monatsende nichts mehr hergibt, machen sich Sorgen. Denn neben einem Krieg in Europa, Energieknappheit und einer Rekordinflation gibt es auch noch den demografischen Wandel, der angesichts der derzeitigen Krisen fast in Vergessenheit gerät. Die Frage, die sich vor allem jungen Menschen aufdrängt, ist jene der Altersvorsorge.

Wenig Vertrauen in staatliche Pension

Eine Studie des Versicherungsdienstleisters Uniqa aus dem Jahr 2021 zeigt: Das Vertrauen in die staatliche Pension schwindet. Lediglich zwei Prozent der unter 29-Jährigen vertrauen dem staatlichen Pensionssystem demnach in ausreichendem Maße, keine individuellen Maßnahmen der Vorsorge für nötig zu erachten. Folgerichtig könnte man vermuten, dass die übrigen 98 Prozent aktiv vorsorgen und die finanzielle Absicherung im Alter selbst in die Hand nehmen wollen.

So eindeutig ist die Lage aber dann doch nicht. Grund dafür ist laut der Studie ein Vorsorge-Paradoxon. Junge Menschen wären sich zwar bewusst und größtenteils einig, wann und in welcher Höhe vorgesorgt werden solle; mit 25 Jahren und etwa 100 Euro im Monat. Tatsächlich aber setzen vergleichsweise nur wenige die eigenen Vorstellungen in die Realität um. Diejenigen, die dann doch Maßnahmen ergreifen, nutzen klassische Sparformen. Die Rede ist vom altbekannten Sparbuch sowie von Pensions- und Lebensversicherungen. Doch genau Letztere stehen vor enormen Herausforderungen, wie eine umfassende Studie des Analyse- und Vergleichsportals Fynup offenbart.

Nur 50 Prozent der Rendite kommen bei Verbrauchern an

Über 50.000 Veranlagungen hat sich das Fintech-Start-up in seiner 207 Seiten langen Studie angesehen. Sparpläne und Einmalzahlungen in Form von Wertpapierdepots und Fondspolizzen, Investitionen in Aktien, Anleihen, passive und aktive Fonds – alles wurde analysiert.

Das Ergebnis: Von der erwirtschafteten Rendite erhält der Anlegende nur etwa die Hälfte; der Rest fließt in Fonds- und Produktkosten sowie anfallende Steuern. Das gilt für Wertpapierdepots wie Lebensversicherungen. Bei einer beispielhaften Marktrendite von acht Prozent pro Jahr kommen somit nur vier Prozent bei den Verbrauchern an. Abzüglich der Inflation bleibt somit, wenn überhaupt, nur ein geringfügiger Realgewinn. Doch wie kann es sein, dass das Problem bei Anlegerinnen und Anlegern bisher weitgehend unbemerkt blieb?

Versteckte Kosten als branchenweites Problem

Verbraucherschützer Peter Kolba sieht ein zentrales Problem in der Struktur der Anlageberatung. Provisionsbasierte Beratungen innerhalb von Strukturvertrieben würden dazu (ver)führen, falsche Versprechungen zu machen und so den Anlegenden in die Irre zu führen. "Es fallen extrem hohe Provisionen an, von denen der Verbraucher gar nichts mitbekommt", fasst es der Obmann des Verbraucherschutzvereins (VSV) zusammen. Die Beratung werde als kostenlos beworben, tatsächlich werde aber ein Teil des einbezahlten Geldes gar nicht veranlagt.

Das sei allerdings kein alleiniges Problem von Strukturvertrieben, sondern eines der gesamten Branche, lässt Fynup-CEO Wolfgang Staudinger wissen. Auch Beratungen von Banken, Versicherungsinstituten und Co werden regelmäßig als kostenlos wahrgenommen, tatsächlich aber fallen oft hohe Provisionskosten an. Das betrifft etwa kapitalbildende Lebensversicherungen, bei denen die Kosten vor allem in den ersten fünf Jahren nach Vertragsabschluss entstehen.

Dann nämlich werden Abschlusskosten fällig, die monatlich über die ersten 60 Monate abbezahlt und somit gar nicht erst veranlagt werden. Bei einem monatlichen Sparplan von 150 Euro werden so oft weniger als 100 Euro veranlagt, der Rest fließt als Provision an die Berater, so der Finanzexperte. Das Potenzial für eine effektive und nachhaltige Vorsorge wird so deutlich verringert.

Aufklärungsarbeit gefordert

Wirklich bewusst sind die hohen Kosten der Provisionsberatung nur den wenigsten, berichten Kolba und Staudinger übereinstimmend. Der Vertragsabschluss sei oft kompliziert, die anfallenden Kosten intransparent. Das führe dazu, dass die meisten Konsumentinnen und Konsumenten erst nach vielen Jahren bei der Auszahlung auf die hohen Kosten stießen. Eine prinzipiell mögliche Schadenersatzklage ist bis dahin aber zumeist längst verjährt (Frist: drei Jahre), kritisiert Kolba die Judikatur des OGH.

Ein Provisionsverbot, wie es in den Niederlanden und Großbritannien seit einigen Jahren existiert, erachtet Staudinger nicht als notwendig. Wichtig wäre hingegen, Honorar- und Provisionsberatungen steuerrechtlich gleichzustellen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Dies würde den "Gesamtabrieb des Rendite-Verlusts" mindern und die dritte Säule der Altersvorsorge stärken.

Den Menschen müsse verständlich erklärt werden, welche Kosten bei der jeweiligen Beratungsform tatsächlich anfallen. Verbraucherschützer Kolba pocht folglich auf honorar-basierte Beratungen: "Dann weiß der Kunde, was er zahlt." Auch Fynup-CEO Staudinger, dessen Unternehmen selbst auf Honorarberatungen setzt, plädiert für mehr Transparenz. Anstelle von seitenlangen Verträgen solle anhand einer Seite konkret vorgerechnet werden, welche Kosten anfallen und wie sich dies auf die schlussendlich beim Anlegenden ankommende Rendite auswirkt.

Bei einem monatlichen Sparplan von 150 Euro über 35 Jahre fielen so etwa 300 Euro für eine Vermittlung und Beratung auf Honorarbasis an, die Provisionen dafür beliefen sich hingegen auf rund das Zehnfache. Wisse der Konsument über die Kosten Bescheid, würde es "ganz klar in Richtung Honorarberatung gehen", ist er sicher. (Nicolas Dworak, 31.10.2022)