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Trump-Freund Peter Thiel will mit seiner neuen Fondsgesellschaft Strive Marktführer Blackrock Konkurrenz machen – und rechte Politik betreiben.

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Den US-Finanzmärkten lässt sich gewiss viel nachsagen. Gutmenschentum und linke Politik fallen einem dabei wohl selten ein. Zumindest aus europäischer Perspektive, wo die Fondsgesellschaften im Fahrwasser des Nachhaltigkeitstrends eine Klientel für sich entdecken, die nichts mit Turbokapitalismus am Hut haben will. Während hierzulande der Handel mit nachhaltigen ESG-Anlageprodukten ("environmental, social, governance") weiter boomt, regt sich insbesondere in den USA dagegen Widerstand: Vermögensverwalter sollen Geld verdienen und nicht die Welt retten, lautet die Kritik.

In der heißen Phase vor den Midterm-Wahlen am 8. November, die traditionell starken Einfluss auf die Börsen haben, wurde sie besonders laut hörbar. Denn seit wenigen Monaten versucht eine neue Fondsgesellschaft mit dem ambitionierten Namen Strive (Streben) diese Unzufriedenheit zu kanalisieren. Wonach gestrebt wird: nach dem Geld von Amerikanerinnen und Amerikanern, die gezielt "anti-ESG" und "anti-woke" investieren wollen. Die Anschubinvestition dafür kam von einem guten Bekannten in der rechten US-Politik: Peter Thiel, Milliardär, Trump-Vertrauter und mittlerweile Chef von Ex-Kanzler Sebastian Kurz.

Die Erzählung einer unpolitischen Wirtschaft

"Wir haben Strive geschaffen, um den Durchschnittsamerikanern eine Möglichkeit zu geben, an der Börse zu investieren, ohne Geschäft und Politik zu vermischen", schreibt das im Bundesstaat Ohio ansässige Unternehmen in seinem Mission Statement. Die großen Vermögensverwalter des Landes würden von ihren Kundinnen und Kunden eine "versteckte Gebühr" einheben: "Diese Firmen fordern von Amerikas Unternehmen, sozial und politisch spaltende Agenden zu übernehmen, mit denen die meisten Amerikaner nicht übereinstimmen." Darüber hinaus würden die Fondsgesellschaften mit ihrem Anlagefokus auf nachhaltige Kriterien den zitierten "Durchschnittsamerikanern" ("everyday Americans") wirtschaftlich schaden, da Unternehmen, die Politik mit Wirtschaft vermengen, eine schlechtere Performance lieferten. Zu einem Gespräch über die Thesen war Strive leider nicht bereit.

Die neue Erzählung, die Strive anbietet, ist nicht die einer anderen Politik. Es ist vielmehr die Erzählung einer unpolitischen Wirtschaft, der es um nichts als Gewinnmaximierung geht. Damit bestätigen die Neo-Vermögensverwalter aus Ohio ein bekanntes Bonmot des Theoretikers Terry Eagleton, der einmal meinte: "Ideologie ist wie Mundgeruch – immer das, was die anderen haben." Denn unpolitisch ist bei Strive freilich wenig.

Briefe vom Chef

Als CEO an der Spitze von Strive steht mit Vivek Ramaswamy ein Absolvent der Elite-Schmiede Harvard, der zuletzt vor allem als Buchautor auf sich und seine politischen Ideen aufmerksam gemacht hat. Mit "Woke, Inc." schaffte es Ramaswamy auf die Bestsellerliste der "New York Times". Im September schoss er "Nation of Victims" nach. Untertitel: "Identity Politics, the Death of Merit, and the Path Back to Excellence" ("Identitätspolitik, der Tod der Leistung und der Weg zurück zur Exzellenz").

Ganz im Stile seines großen Endgegners – Blackrock-CEO Larry Fink – greift Ramaswamy auch in seiner Rolle als Strive-Chef gerne zur Feder, um Unternehmensriesen im Namen seiner Anleger ins Gewissen zu reden. An Apple etwa schrieb er Ende September, da sich der Tech-Gigant im Frühjahr eine Untersuchung von strukturellem Rassismus in der Einstellungspolitik verordnet hatte. "Wir glauben, dass diese Entscheidung Apples Unternehmenswert gefährdet, indem sie spaltende Identitätspolitik über Apples Bekenntnis zur Exzellenz" stellt. In einem Schreiben an den Ölkonzern Chevron warnte Ramaswamy eindrücklich davor, das eigene Geschäftsmodell in Richtung einer nichtfossilen Zukunft umzubauen.

CEO Vivek Ramaswamy hat sich als Bestsellerautor von Büchern gegen den "woken" Zeitgeist einen Namen gemacht.
Foto: Reuters / Brian Snyder

Dazu passt auch Strives vorerst beliebtestes Anlageprodukt, der ETF "Drll", der in US-Energieunternehmen und Zulieferer investiert – zu 95 Prozent im Öl- und Gassektor. 385 Millionen Dollar hat Strive dafür in zwei Monaten eingesammelt. Zwei weitere Fonds bleiben mit rund 70 respektive 6,5 Millionen weit dahinter zurück. Wenngleich man in Presseaussendungen immer wieder scharf gegen Blackrock schießt – um zum Weltmarktführer mit seinen 8,5 Billionen Dollar an verwaltetem Vermögen aufzuschließen, ist es noch ein sehr weiter Weg.

"Es gibt eine Nische für 'braune' Produkte"

Entsprechend zurückhaltend ist auch die Einschätzung von Christian Hinterwallner, Leiter des Equity Research bei der Raiffeisenbank International: Strive könne nicht zuletzt als Antwort auf die Politik einzelner US-Bundesstaaten gesehen werden, die über eine starke Energieindustrie und eine entsprechende Lobby verfügen. Diese seien bei Pensionsfonds nicht allzu sehr auf ESG-Kriterien erpicht, um ihre eigene Industrie zu unterstützen: "Es gibt sicher eine Nische für 'braune', also nicht grüne, Produkte. Global und gerade in Europa glaube ich aber nicht, dass eine große Fonds- oder Assetgesellschaft sich mit Anti-ESG-Produkten positioniert.

Gerade bei den großen Institutionen ist der Trend, sich nachhaltige Veranlagungskriterien zu geben, nach wie vor stark und eher noch zunehmend", beobachtet Hinterwallner. Laut einer PwC-Umfrage wollen 60 Prozent aller europäischen Vermögensverwalter den Launch nicht nachhaltiger Anlageprodukte bis 2024 völlig stoppen.

Das Argument, dass Unternehmen mit ESG-Compliance schlechter performen würden als andere, lässt Hinterwallner von Raiffeisen International so nicht stehen. Zum einen fehle es an klaren Kriterien für ESG-Ratings und damit an Vergleichbarkeit. Zum anderen gebe es Sektoren, in denen ESG eine stärkere Rolle spiele als in anderen – etwa bei Tech-Werten. Geht es dem Sektor im Verhältnis zu anderen schlecht und liefern die Unternehmen eine schlechtere Performance, muss das nicht auf die nachhaltige Ausrichtung zurückzuführen sein.

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Senatskandidat J. D. Vance bekam 15 Millionen Dollar Spenden von Peter Thiel. Mit seiner eigenen Investmentfirma ist er wiederum an Strive beteiligt.
Foto: APA / AFP / Getty / Drew Angerer

Dass sich Strive jedoch nicht mit einem Platz in der Nische zufriedengeben wird, dafür bürgt der Name Peter Thiel, der gemeinsam mit Investor Bill Ackman das Startkapital für Strive lieferte. Thiel war Mitgründer von Paypal und des Spionage-Software-Anbieters Palantir. Die "FAZ" titulierte den Milliardär in seiner Beratertätigkeit für den damaligen US-Präsidenten Donald Trump einmal als "Schattenpräsidenten". Anfang des Jahres heuerte Ex-Kanzler Sebastian Kurz bei ihm als "Global Strategist" an.

30 Millionen Dollar hat Thiel in die laufenden Senatswahlkämpfe der Trumpisten Blake Masters (Arizona) und J. D. Vance (Ohio) gesteckt. Vance, bekannt geworden als Autor der autobiografischen "Hillbilly Elegy", ist nunmehr selbst Chef einer Venture-Capital-Firma. Und die wiederum ist auch in Strive investiert. Auf die Midterms am 8. November sind Thiel, CEO Ramaswamy und Strive also sicher gespannt. Die Aktienmärkte reagieren traditionell auf die Wahlergebnisse zur Halbzeit einer US-Präsidentschaft. Sie werden ein erstes Indiz dafür sein, ob die Wette von Strive aufgeht. (Michael Windisch, 3.11.2022)