Ein Protein, das ursprünglich in Bananen vorkommt, wirkt gegen verschiedene Arten von Coronaviren. Das Problem war bisher die Verträglichkeit für den Körper.
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Die Natur hat gegen jede Krankheit ein Mittel. Dieses Credo mancher naturverbundener Menschen stellt sich in der Praxis meist als zu einfach heraus. Doch tatsächlich werden viele neue Wirkstoffe nicht im Labor entwickelt, sondern stammen aus der Natur, etwa das aus einem Schimmelpilz gewonnene Penicillin oder das gängige Immunsuppressivum Sirolimus, das erstmals in einer Bodenprobe von der Osterinsel entdeckt wurde. Nun könnte an einer ungewöhnlichen Stelle ein Mittel gegen Corona gefunden worden sein, das nicht nur gegen Sars-CoV-2, sondern auch gegen eine Reihe weiterer Coronaviren wirkt.

Die H84T-BanLec genannte Verbindung, die ursprünglich aus Bananen stammt, hat die Fähigkeit, sich an spezielle Strukturen anzuheften, die etwa auch bei Grippeviren häufig vorkommen, nicht aber bei gesunden Körperzellen. Bisher stellte die Immunantwort des Körpers gegen die Verbindung ein Hindernis dar. Ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung hat dieses Problem nun offenbar in Tiermodellen in den Griff bekommen.

Coronaviren tragen auf ihrer Oberfläche komplexe Kohlehydratverbindungen, sogenannte mannosereiche Glykane. Das ist auch beim Spike-Protein des Sars-CoV-2-Erregers der Fall. Lektine sind Proteine, die mit Vorliebe an Kohlenhydraten anbinden. Ein Team um Forscher aus den USA und Hongkong (China), dem unter anderen auch Yoo Jin Oh und Peter Hinterdorfer vom Institut für Biophysik der Universität Linz angehörten, hat nun das Lektin H84T-BanLec unter die Lupe genommen.

Überschießende Immunantwort unter Kontrolle

Die Ergebnisse der Analysen stellten die Forschenden kürzlich im Fachjournal "Cell Reports Medicine" vor. H84T-BanLec stammt aus Bananen und wurde für die Zwecke des Teams gezielt verändert. Einer der Gründe, warum solche Verbindungen nämlich bisher kaum therapeutisch eingesetzt werden, ist, dass sie das Immunsystem des Körpers auf ungünstige Weise stimulieren können, indem sie die T-Zellen in eine ungerichtete Alarmbereitschaft versetzen, was eine überschießende Antwort des Abwehrsystems und damit unerwünschte Entzündungen hervorrufen kann, wie die Forscher gegenüber der APA erklärten. Das schlossen die Forschenden durch punktgenaues molekulares Anpassen der Verbindung aus.

Damit sollten vor allem die erwünschten Eigenschaft zum Tragen kommen – nämlich dass die modifizierten Lektine sich vornehmlich an den Glykanen auf der Virusoberfläche anlagern. Verkleben sie diese sozusagen, wird damit verhindert, dass zum Beispiel Sars-CoV-2 mit seinem Spike-Protein an den menschlichen Zellen andockt und in der Folge in sie eindringt.

Das Team aus Linz verfolgte diesen Vorgang mittels detaillierter Analysen mit hochauflösenden Rasterkraftmikroskopen. So konnten einerseits die Stellen auf dem Spike-Protein identifiziert werden, wo H84T-BanLec andockt, andererseits zeigte sich, dass diese Verbindungen sehr stark und vielfältig sind. Das mache es dem Sars-CoV-2-Erreger entsprechend schwierig, sich etwa durch Mutationen vor dem Anlagern der Lektine zu schützen. Es würde dementsprechend zahlreiche Veränderungen des Spike-Proteins brauchen, damit H84T-BanLec seine Funktion nicht mehr erfüllt. Das sei aber "unwahrscheinlich", so das Linzer Team. Sogar als man versuchte, gezielt resistente Viren zu erzeugen, gelang es nicht, eine Variante herzustellen, die davor geschützt war.

Der neue Wirkstoff greift das Spike-Protein von Sars-CoV-2 gleich an mehreren Stellen an, was eine Immunität des Virus durch Mutation unwahrscheinlich macht.
Foto: AFP PHOTO /JASON MCLELLAN/UNIVERSITY OF TEXAS AT AUSTIN

Breite Anwendbarkeit

Gerade diese umfassende Anwendbarkeit stimmt die Forschenden positiv. Denn H84T-BanLec kann sich an alle Erreger heften, die mannosereiche Glykane ausbilden. So konnte gezeigt werden, dass das Lektin auch gegen weitere saisonale und epidemische Coronaviren, etwa Sars oder Mers, sowie gegen Influenzaviren ins Feld geführt werden kann. Ebenso andocken kann es an Hepatitis-C-, HIV-, Ebola- und Herpesviren. Damit sei es "eine hervorragende Möglichkeit für den Einsatz bei künftigen saisonalen Epidemien und globalen Pandemien", zeigt sich das Team erfreut.

Der nächste Schritt ist die Herstellung der Verbindung in klinischer Qualität, wofür Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden. Klinische Tests an Menschen sollen dann über Nasensprays oder Tropfen erfolgen. Auch ein Einsatz gegen Krebs soll untersucht werden, dessen Zellen ebenfalls Glykane auf ihrer Oberfläche tragen. (red, APA, 3.11.2022)