Heiß ging es bisweilen her in der Metallerlohnrunde. In der vierten Verhandlungsrunde einigten sich die Sozialpartner auf eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 7,44 Prozent.

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Wien – Die ab kommendem Montag angedrohten Warnstreiks sind obsolet. Nach zwölfstündigen Verhandlungen kamen Metalltechnische Industrie und Gewerkschaft in ihrer vierten Verhandlungsrunde doch noch auf einen grünen Zweig. Mindest- und Ist-Löhne beziehungsweise -gehälter werden rückwirkend ab 1. November im Schnitt um 7,44 Prozent erhöht.

Der kurz vor Mitternacht erzielte Abschluss ist komplex wie die wirtschaftliche Lage: Die Ist-Löhne werden um 5,4 Prozent erhöht und obendrauf kommen – unabhängig von der Einkommenshöhe – 75 Euro. Dadurch kommen zumindest die untersten Lohngruppen in die Gegend der von der Gewerkschaft ursprünglich angestrebten Erhöhung um zehn Prozent.

Sozial gestaffelt

Die untersten Beschäftigungsgruppen kämen so auf Erhöhungen zwischen 8 und 8,9 Prozent, rechneten Arbeitgeber und Gewerkschafter vor. Das sei deutlich mehr als die Inflation in dem für die Metaller maßgeblichen Zeitraum, nämlich 6,3 Prozent. "Wir haben Reallohnverluste verhindert", sagten die Chefverhandler der Arbeitnehmer, Rainer Wimmer von der Gewerkschaft Pro-Ge und Karl Dürtscher von der GPA. Der neue Mindestlohn in der Metallindustrie beträgt nun 2.236,16 Euro.

Für höhere Einkommensgruppen bleibt unterm Strich nur die Inflationsabgeltung, also ein Plus von 6,3 Prozent. Biennalsprünge, also automatische Vorrückungen jedes zweite Jahr, werden nicht erhöht. Das bringe eine Dämpfung pro futuro, wie es auf Arbeitgeberseite heißt. Das sei ein Akt der Solidarität der Angestellten in den höheren Verwendungsgruppen, betonten Wimmer und Dürtscher.

Nicht auf der Straße

"Nicht auf der Straße zu verhandeln, sondern am Tisch war das Ziel", sagte der Obmann der Metalltechnischen Industrie, Christian Knill, nach der Verhandlung. Im Sinne des sozialen Friedens hätten sich beide Seiten bewegt und so einen Arbeitskampf verhindert und einen Abschluss erreicht. "Auch wenn manchmal die Fetzen fliegen", sagte Wimmer, "die Sozialpartnerschaft funktioniert." Einmalzahlungen habe man verhindern können, zeigten sich Wimmer und Dürtscher zufrieden, während die Arbeitgeber ihr Bedauern ausdrückten.

Darüber hinaus wurde auch am neuen, vereinten Entgeltschema für Arbeiter und Angestellte gefeilt. Ausständig war hier insbesondere die Kollektivvertragstabelle, also die Mindestlöhne insbesondere für Berufseinsteiger. Deren Entgelte werden um sieben Prozent angehoben.

Zähe Verhandlungen

Die am Donnerstag um 12.30 Uhr aufgenommenen und lediglich um 15 Uhr für ein spätes Mittagessen kurz unterbrochenen Verhandlungen waren wie erwartet extrem zäh verlaufen. Denn die Metaller hatten die Latte hoch gelegt. Unter acht Prozent Lohnerhöhung wollten die Arbeitnehmervertreter den Verhandlungstisch eigentlich nicht verlassen. Diese Untergrenze war in der Betriebsrätekonferenz am Mittwoch beschlossen worden, sagte einer aus dem großen Verhandlungsteam zum STANDARD. Dieses Ziel wurde nun nur für die untersten Besoldungsgruppen erreicht.

Für die Arbeitgeber lagen eigentlich bereits die 6,3 Prozent weit außerhalb ihres selbst gesetzten Limits. Sie wollten angesichts der hohen Energiepreise eben nicht den Verbraucherpreisindex abgelten, sondern nur die sogenannte Kerninflation, also die um gut zwei Prozentpunkte für Energiekosten verminderte Inflationsrate. Den großen Rest habe ja bereits die öffentliche Hand im Wege milliardenschwerer Antiteuerungs- und Energiekostenhilfen abgegolten, so die Überlegung der Arbeitgeber. Mehr ließe die Aussicht auf wirtschaftliche Stagnation und anhaltend hohe Energiepreise nicht zu, wurde betont.

Mehr als die Kerninflation

Die Kerninflation war und ist für die Gewerkschaft aber keine Kategorie, darüber verhandle man nicht, hatte Wimmer im STANDARD-Interview vor wenigen Tagen postuliert. Denn die Arbeitnehmer müssten ihrerseits höhere Energie- und Lebensmittelpreise zahlen. Das könne auch durch hohe Einmalzahlungen, die Arbeitgeber dem Vernehmen nach zu zahlen bereit wären, nicht aufgewogen werden. So ein Abschluss wäre nicht nachhaltig.

Für die Arbeitnehmer hätte eine hohe Einmalzahlung durchaus attraktiv sein können. Denn krisenbedingt hat die Bundesregierung die Auszahlung von Bonuszahlungen oder Prämien bis 3.000 Euro steuerfrei gestellt, und zwar für beide, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Das Geld käme also im Gegensatz zu Lohnerhöhungen brutto für netto. Die Gewerkschaft lehnte dies stets ab, Einmalzahlungen akzeptiere man bestenfalls obendrauf.

Schlag auf Schlag

Nun sollte der Weg für Abschlüsse in den anderen Sparten der Metallindustrie frei sein. Denn die Metalltechnische Industrie mit rund 1.200 Maschinenbau- und Metallverarbeitungsunternehmen ist mit rund 130.000 Metallarbeitern und Metallarbeiterinnen und Industrieangestellten der größte Fachverband der Metallindustrie und damit die Speerspitze der Herbstlohnrunde. Weitere 70.000 Beschäftigte in den Sparten Bergbau/Stahl, Gießereien, Nicht-Eisenmetalle, Fahrzeugindustrie und Gas/Wärmeerzeugung werden in den nächsten Tagen gleichlautende Abschlüsse erzielen. Aus Sicht der Gewerkschaft wird damit ein weiteres Ziel erreicht: Alle Metaller bleiben in der Lohnrunde auf gleichem Niveau. (Luise Ungerboeck, 4.11.2022)