Katharina Müller und Martin Melzer, beide Rechtsanwälte mit Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensweitergabe, schildern im Gastblog, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, um den Bestand eines Erbes innerhalb der Familie möglichst lange zu sichern.

Mit einer letztwilligen Verfügung kann der oder die Verstorbene zu Lebzeiten über das Schicksal des eigenen Vermögens entscheiden und anordnen, was konkret damit nach dem Tod geschehen soll. Dabei haben viele das Ziel, das Vermögen möglichst lange innerhalb der Familie zu erhalten. Von dem Vermögen sollen noch mehrere nachfolgende Generationen profitieren. Hier kommt die Nacherbschaft gemäß den §§ 608 ff ABGB ins Spiel, die eine Möglichkeit darstellt, Vermögen generationenübergreifend weiterzugeben.

Vorerbe und Nacherbe

Eine Nacherbschaft, früher "fideikommissarische Substitution" genannt, ist die Anordnung der oder des Verstorbenen, dass eine bestimmte Person erst nach einer anderen das Vermögen erhalten soll. Die zeitlich zuerst erbende Person nennt man Vorerbe. Die Person, die nach dem Vorerben das Vermögen erhält, bezeichnet man als Nacherbe.

Will man etwa ein Familienhaus möglichst lange im Besitz der Nachkommen wissen, kann eine Nacherbschaft sinnvoll sein.
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Zur Bestimmung des Zeitpunkts des Vermögensübergangs vom Vor- auf den Nacherben wird der sogenannte Nacherbfall im Testament definiert. Grundsätzlich kann hier jeder Umstand, jedes Ereignis oder sonstiger Stichtag vorgesehen werden (zum Beispiel der Nacherbe erreicht ein bestimmtes Alter). Wenn kein bestimmter Nacherbfall letztwillig angeordnet wird, greift die Zweifelsregelung des § 608 Abs 2 ABGB: Dann fällt das Vermögen mit Tod des Vorerben an den Nacherben.

Zweck und praktische Anwendungsbereiche

Primärer Zweck der Nacherbschaft ist meist der generationenübergreifende Erhalt des Vermögens. Viele wollen nicht nur regeln, wer unmittelbar nach ihrem Tod das Vermögen erhalten soll, sondern darüber hinaus Regelungen treffen. Zum Beispiel kann im Testament vorgesehen werden, dass zuerst die Ehefrau das gesamte Vermögen als Vorerbin erhält. Sobald die Ehefrau verstirbt (Eintritt des Nacherbfalls), sollen die Kinder erben.

Daneben werden aber auch noch andere Zwecke verfolgt. Möchte der oder die Verstorbene beispielsweise zwar den Kindern das Vermögen überlassen, sind diese aber noch minderjährig, so kann der Zeitraum der Minderjährigkeit mittels einer Nacherbschaft überbrückt werden. Dies ist oft deshalb gewünscht, da die Vermögensverwaltung bei Minderjährigen unter gerichtlicher Aufsicht steht und einige Verwaltungsmaßnahmen eine Genehmigung des Pflegschaftsgerichts erfordern. Gerade bei unternehmerischem Vermögen, bei dem oft rasche Handlungen erforderlich sind, gilt es dies zu vermeiden. Hier könnte sich also eine Nacherbschaft bis zum Erreichen der Volljährigkeit anbieten.

Ausgestaltung der Nacherbschaft

Wie die Nacherbschaft konkret ausgestaltet wird –welche Teile des Vermögens der Nacherbschaft unterliegen, welche Verfügungen der Vorerbe zulässigerweise vornehmen darf, welcher Teil dann schlussendlich an den Nacherben fällt, etc. – liegt im freien Ermessen des oder der Verstorbenen. Es sind verschiedenste Ausgestaltungen denkbar: Beispielsweise kann vereinbart werden, dass der Vorerbe frei über das Vermögen verfügen, es etwa auch verkaufen oder verschenken darf. Der Nacherbe erhält dann nur das, was bei Eintritt des Nacherbfalls noch übrig ist. Diese Art der Ausgestaltung bezeichnet man als "Nacherbschaft auf den Überrest".

Der Vorerbe könnte aber auch hinsichtlich der zulässigen Verfügungen inhaltlich beschränkt werden. Häufig wird bei dieser Form der Nacherbschaft im Testament angeordnet, dass der Vorerbe die Substanz des Vermögens (zum Beispiel die Liegenschaft) unberührt lassen muss, die Erträge (zum Beispiel Mietzinseinnahmen durch eine Vermietung der Liegenschaft) aber ihm zugutekommen.

Was ist bei der Anordnung einer Nacherbschaft zu beachten?

1. Anordnung durch den Verstorbenen selbst

Wenn der oder die Verstorbene eine Nacherbschaft verfügen möchte, muss die Person des Nacherben auch selbst bestimmt werden. Es müssen also im Testament nicht nur die Vorerben, sondern auch die Nacherben durch den Verstorbenen selbst festgelegt werden. Die Auswahl kann nicht dem Vorerben oder einem Dritten überlassen werden. Die Nacherben müssen in der letztwilligen Verfügung allerdings nicht zwingend namentlich genannt werden. Es genügt, dass sie bestimmbar sind (zum Beispiel "meine Kinder").

2. Zeitliche Beschränkungen

Der oder die Verstorbene kann so viele Nacherben hintereinander einsetzen, wie er oder sie möchte. Bei den eingesetzten Nacherben muss es sich aber um sogenannte Zeitgenossen handeln. Das sind Personen, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geboren oder zumindest gezeugt wurden. Will man auch Personen als Nacherben einsetzen, die noch nicht einmal gezeugt wurden, unterliegt man zeitlichen Beschränkungen: Bei Geld und beweglichen Sachen (etwa ein Auto) darf der Verstorbene höchstens zwei, bei unbeweglichen Sachen (zum Beispiel ein Grundstück samt Gebäude) höchstens einen Nacherben einsetzen.

3. Eindeutige, unzweifelhafte Anordnungen

Eine Nacherbschaft muss ausdrücklich angeordnet werden. Ohne Anordnung durch den Verstorbenen in der letztwilligen Verfügung gibt es keine Nacherben. Dabei muss beachtet werden, dass bei der Anordnung keine Zweifel übrigbleiben. Denn ist eine Nacherbschaft zweifelhaft ausgedrückt, ist sie in der Weise zu verstehen, dass die Freiheit des Vorerben, über das Eigentum zu verfügen, am wenigsten eingeschränkt wird. Im Zweifel darf der Vorerbe somit frei über das Vermögen verfügen. Der Nacherbe erhält dann nur das, was mit Eintritt des Nacherbfalls noch übrig ist (Nacherbschaft auf den Überrest). Ist eine solche Ausgestaltung gerade nicht gewollt, muss besonders auf eine eindeutige Anordnung geachtet werden.

4. Auf Pflichtteilsdeckung achten

Auch bei der Anordnung einer Nacherbschaft ist darauf zu achten, dass die Pflichtteile gedeckt sind. Für den pflichtteilsberechtigten Vorerben gilt Folgendes: Seit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015 können auch belastete Zuwendungen zur Pflichtteilsdeckung herangezogen werden. Auch wenn dem Vorerben bei einer echten Nacherbschaft faktisch nur die Erträge zukommen, wird das Fruchtgenussrecht bewertet, und zur Pflichtteilsdeckung herangezogen. Falls die Zuwendungen weniger wert sind als der errechnete Pflichtteil, haben Pflichtteilsberechtige einen Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils in Geld.

Auch für den pflichtteilsberechtigten Nacherben kam es mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015 zu bedeutenden Anpassungen. Während der pflichtteilsberechtigte Nacherbe seinen Pflichtteil nach der alten Rechtslage sofort in Geld verlangen konnte, steht nun einer Bedingung beziehungsweise Befristung der Zuwendung der Pflichtteilsdeckung nichts mehr entgegen. Allerdings wirken sich diese wertmäßig reduzierend auf die Zuwendung aus.

5. Administrativer Aufwand

Bei Eintritt des Nacherbfalls ist das Verlassenschaftsverfahren der seinerzeitig verstorbenen Person wiederaufzunehmen, damit dem Nacherben die Nacherbschaft eingeantwortet werden kann. Damit ist freilich auch ein nicht zu unterschätzender administrativer Aufwand verbunden. All dies sollte man in die Überlegung, eine Nacherbschaft anzuordnen, miteinbeziehen. (Katharina Müller, Martin Melzer, 10.11.2022)