Für Touristen ist Wien eine sehr beliebte Destination, für Fondsgesellschaften kaum.

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Wien – In der breiten Masse ist das Thema Risikokapital in Österreich noch nicht angekommen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei Risikokapitalinvestitionen praktisch ganz Westeuropa vor Österreich. Ähnlich verhält es sich bei Private-Equity-Investitionen, wie aus einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts Eco Austria hervorgeht. Private-Equity-Gesellschaften verwalten Fonds, die sich an nicht börsennotierten Unternehmen beteiligen. Allerdings ist es oft das Ziele, diese dann an die Börse zu bringen.

Eco Austria hat eine "konservative Berechnung" angestellt, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich Fonds mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro hier ansiedeln würden. "Es gäbe viele positive volkswirtschaftliche Effekte", sagt Eco-Austria-Direktorin Monika Köppl-Turyna. "Pro Jahr würden 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen, und die jährliche Wertschöpfung im Land würde um vier Milliarden Euro steigen."

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Vor allem in puncto Klimakrise sieht die Wirtschaftsforscherin akuten Handlungsbedarf, mehr privates Kapital nach Österreich zu holen. "Wir brauchen viel schneller neue Technologien, um den Klimawandel zu bekämpfen. Das lässt sich nicht mit Steuergeld finanzieren, und Investments in Greentech-Start-ups sind für Banken oft zu riskant."

Vorbild Luxemburg

Seit Großbritannien aus der EU ausgestiegen ist, liegt vor allem der Finanzplatz Luxemburg bei Fondsgesellschaften hoch im Kurs. Das belegen auch die Zahlen aus der Eco-Austria-Studie. Im Großherzogtum entspringen mehr als 3,2 Prozent des BIP Investitionen von Private-Equity-Unternehmen. Zum Vergleich: In Österreich sind es 0,045 Prozent. "Wien könnte mit Luxemburg mithalten. Man müsste lediglich an ein paar gesetzlichen Stellschrauben drehen", sagt der Vorstand der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO), Rudolf Kinsky. Dafür brauche es allerdings politischen Willen, mehr als Lippenbekenntnisse gebe es aber nicht. Seine Forderungen decken sich im Prinzip mit jenen der Start-up-Szene:

  • Günstigere Besteuerung von Körperschaften und von Kapitaleinkommen
  • Gesetzliche Klarheit bei Besteuerung von Fonds sowie Mitarbeiterbeteiligungen
  • Reform des Gesellschaftsrechts
  • Etablierung eines Dachfonds, um große Investoren zu animieren

Kinsky sieht in einem attraktiveren Fondsstandort viele positive Nebeneffekte. "Dienstleister hierzulande bekämen von großen Fondsgesellschaften viele Aufträge. Letztlich geht es nur um den Preis. Kleinen Fonds fallen in Luxemburg jährlich Kosten bis zu 300.000 Euro an. Günstiger als Luxemburg zu sein wäre nicht sonderlich schwer."

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Wien als Tor zum Osten

Großes Interesse, mehr Fonds nach Wien zu holen, zeigt auch der Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Ruck: "Wien stellt geografisch die optimale Verbindung zwischen Ost- und Westeuropa dar. Die Flugverbindungen aus Städten wie Sofia ist hierher deutlich besser als nach Luxemburg." In der Gesundheits- und Lifescience-Branche habe sich Wien als beliebter Standort entwickelt. Das müsse in anderen Branchen auch möglich sein.

Ob es dann tatsächlich so wäre, bleibt diskutabel. An diesem Punkt dreht man sich allerdings im Kreis. Die einen meinen, man müsste zuerst die Rahmenbedingungen anpassen, damit mehr Risikokapitalgeber ins Land kommen. Die anderen sagen: Erst wenn mehrere Fonds da sind, werden die Bedingungen angepasst.

Walter Ruck, Monika Köppl-Turyna und Rudolf Kinsky (v. li.) hoffen auf bessere Rahmenbedingungen für den Fondsstandort Wien – bzw. darauf, dass Wien überhaupt ein solcher wird.
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Die Forderungen sind jedenfalls bekannt: Seit Jahren pocht die Start-up-Szene darauf, dass genau an diesen gesetzlichen Stellschrauben gedreht wird. Passiert ist bisher wenig. In Anbetracht der hohen Inflation und der Energiekrise wird das in naher Zukunft wohl auch so bleiben. (Andreas Danzer, 11.11.2022)