Überschwemmungen wie hier in Pakistan werden immer häufiger. Die Weltgemeinschaft zankt nun darum, wer die Kosten dafür trägt.

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Es ist ein Begriff, der in der globalen Klimapolitik wohl noch öfter zu hören sein wird: "Loss and Damage" – so lautet das englische Fachwort für die Schäden und Verluste, die der Klimawandel verursacht. Mit jedem Bruchteil eines weiteren Grades der Erhitzung werden sie größer. Damit steigen auch die Kosten, die benötigt werden, damit ein Land die Folgen eines Sturm, einer Flut oder einer Dürre schultern kann.

Wenige Stunden vor dem Start der 27. Weltklimakonferenz (COP 27) war noch nicht klar, ob es das Thema überhaupt auf die Tagesordnung schaffen würde. Inzwischen weiß man: Es wird einer der zentralen, wenn nicht überhaupt der wichtigste Verhandlungspunkt der Konferenz, die vergangenen Sonntag im ägyptischen Sharm El-Scheich gestartet ist.

Dazu brauchte es aber erst einmal einen 40-stündigen Verhandlungsmarathon rund um die Tagesordnung, angestoßen von den Bemühungen des globalen Südens. Hinter der scheinbaren Formalität steckt ein weitreichender Streit: Seit Jahrzehnten versuchen ärmere Länder die reichen Industrienationen dazu zu bringen, Geld für Klimaschäden lockerzumachen. Bisher jedoch gab es nur Geldtöpfe für die Reduktion von Emissionen und Anpassungsmaßnahmen – und auch diese sind knapp bemessen und werden nur schleppend gefüllt.

Demonstrierende auf der COP 26 fordern Zusagen: Loss and Damage.
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Es ist also ein klimapolitischer Paradigmenwechsel, der sich in Sharm El-Sheikh beobachten lassen wird. Bei bisherigen Klimakonferenzen ging es vor allem um Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen und Anpassungsprojekte, Entschädigungszahlungen wurden – wenn überhaupt – nur am Rande besprochen. In Sharm El-Sheikh jedoch drängt das Gastgeberland Ägypten nun vehement auf Loss and Damage. Nicht zuletzt sei die Konferenz die "afrikanische COP". Unterstützung für die Agenda kommt aus anderen, vornehmlich einkommensschwachen Staaten.

Schäden in Billionenhöhe

Dort sind die Schäden durch den Klimawandel inzwischen kaum noch zu übersehen. Allein der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe in Pakistan soll über 30 Milliarden US-Dollar kosten. Bis zur Mitte des Jahrhunderts könnten die Schäden in die Billionen gehen, selbst wenn die Klimaziele eingehalten werden – wonach es derzeit nicht aussieht.

Wohlhabende Staaten machten deshalb bisher einen Bogen um Loss and Damage – sie fürchten mit einer Zustimmung zu Ausgleichszahlungen nicht nur jahrzehntelange Milliardenzahlungen, sondern auch, dass sie damit indirekt eine Haftung für die Klimaschäden anerkennen.

Forderung nach globaler CO2-Steuer

Gaston Browne, Premierminister des Karibikstaates Antigua und Barbuda, schlug den Industrieländern am Dienstag vor, sich das Geld von fossilen Konzernen zurückzuholen. Diese würden täglich drei Milliarden US-Dollar mit Kohle, Öl und Gas verdienen. Durch eine globale CO2-Steuer sollten diese für die Klimaschäden, die sie verursacht haben, zur Kasse gebeten werden. "Während sie profitiert haben, brennt der Planet", sagte Browne, der bei der COP auch Aosis, ein Zusammenschluss kleiner Inselstaaten, vertritt.

Einige Länder haben bereits Geld zugesagt: Zuerst Dänemark mit 13,4 Millionen, dann Schottland mit acht Millionen und Belgien mit 2,5 Millionen Euro. Nun auch Österreich. Am Dienstag sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf seiner Rede bei der Auftaktveranstaltung der Klimakonferenz zu, bis 2026 50 Millionen für Loss and Damage für Länder im Globalen Süden zu zahlen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte mehr Klimahilfen aus Österreich an.
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"Zu Recht pochen diese Länder auf finanzielle Unterstützung bei Anpassungsmaßnahmen und klimabedingten Verlusten und Schäden", sagte Van der Bellen und beklagte, dass es "zu viel Bla-bla-bla und zu wenige Tage im Klimaschutz" gebe – und spielte damit auf ein Zitat der Klimaaktivistin Greta Thunberg an, welche die Konferenz vergangenes Jahr mit denselben Worten kritisierte.

Mehr Geld von Österreich

Das Geld aus Österreich soll zum Teil in das sogenannte Santiago-Netzwerk fließen, welches technische Unterstützung und Know-how für den Umgang mit Klimaschäden bieten soll. Ein weiterer Teil soll an einen Mechanismus gehen, der Frühwarnsysteme für besonders betroffene Länder installiert. Insgesamt kündigte Österreich an, bis 2026 340 Millionen für die Klimafinanzierung zu zahlen.

Wie die Billionen, die Klimaschäden in den nächsten Jahrzehnten kosten werden, aber genau aufgestellt und verteilt werden sollen, wird nun auf der Konferenz weiterverhandelt. Die Industriestaaten der G7, unter der Federführung von Deutschland, schlagen einen anderen, neuen Mechanismus vor. Sie wollen einen globalen Schutzschirm für Klimarisiken aufspannen. Der Schirm soll wie eine Art Versicherung funktionieren, die beim Eintritt eines Klimaschadens schnell ausgezahlt werden kann. Auch sollen bestehende Finanzierungsprogramme zu Klimakatastrophen ausgebaut werden und damit eine Absicherung gegen zunehmende Klimarisiken aufgebaut werden.

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Neuer Schutzschirm

In diesem Sinne haben die G7 bereits auf der Weltbanktagung in Washington im Oktober mit der Gruppe der V20 – die Gruppe der "verwundbaren 20", die inzwischen schon auf 58 Staaten von Burkina Faso bis zum Jemen angewachsen ist – die Zusammenarbeit zur finanziellen Absicherung gegen Klimaschäden beschlossen. Am 14. November wollen die beiden losen Organisationen auf der Weltklimakonferenz den Schutzschirm starten.

Deutschland kündigte dort am Montag sogleich an, 170 Millionen Euro Anschubfinanzierung für den neuen Schutzschirm zu leisten. Es müsse anerkannt werden, dass es Klimaschäden gibt und dass die verwundbarsten Länder Solidarität brauchen, um mit ihnen umgehen zu können, so Deutschlands Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Doch unter vielen Staaten, die nach einer neuen Struktur für Loss and Damage rufen, stößt der in Deutschland erdachte Schutzschirm nur auf mäßige Begeisterung. Die Allianz der kleinen Inselstaaten (Aosis), die den Begriff Loss and Damage bereits vor über 30 Jahren prägte, fordert einen eigenen Loss-and-Damage-Fonds, der weiter geht als die Schutzschirm-Versicherung. Er soll sowohl öffentliche als auch private Finanzierung mobilisieren und einkommensschwachen Ländern beim Wiederaufbau nach einer Naturkatastrophe helfen.

Kritik an "Klimaversicherung"

"Wie bei Versicherungen üblich, müssten Entwicklungsländern in dem Fall einen großen Teil der künftigen Klimaschäden selbst abdecken. Das darf nicht passieren", erklärt Jasmin Duregger, die für Greenpeace an den Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz teilnimmt, den Widerstand des Globalen Südens. Sie vergleicht das mit der Flut in Deutschland: Versicherungen konnten nur einen Teil der Schäden ausgleichen, der Staat musste einspringen. Daher könne der Schutzschirm keinesfalls einen eigenen Finanztopf mit direkten Zuschüssen für Klimaschäden und -verluste ersetzen, so Duregger. Länder sowie Öl- und Gaskonzerne, die seit Jahrzehnten besonders viel CO2 ausstoßen, müssten für klimakrisenbedingte Überflutungen und Ernteausfälle aufkommen.

Ländern wie jenen der Aosis geht es dabei auch um historische Verantwortung für die Erderhitzung. Im Gegensatz zum Schutzschirm soll diese in einem eigenen Loss-and-Damage-Fonds, wie ihn die Entwicklungsländer fordern, ihre Rolle spielen. Das heißt: Jene, die besonders viele Gase in die Atmosphäre geblasen haben, sollen umso mehr zahlen.

Und das trifft bekanntermaßen nicht Burkina Faso oder den Jemen, sondern vielmehr die reichen Staaten des Westens. (Alicia Prager, Philip Pramer, Pauline Severin, 8.11.2022)