Traude Kroiss erhebt sich mühevoll von ihrem hohen Hocker in dem kleinen Kassaraum und öffnet die Tür. In einer Hand die Krücke, in der anderen noch die Türschnalle, sagt sie weniger erfreut: "Ah jetzt ist es ungünstig, dass Sie kommen. Ich hab so viel Arbeit. Aber wenn S' schon einmal da sind."

Das Nationalparkkino in Illmitz.
Foto: Guido Gluschitsch

Es ist Nachmittag, kurz nach vier. Im Nationalparkkino in Illmitz sollte die erste Vorstellung schon laufen. Aber Kinobesucher sind heute noch keine gekommen. Die kleine Bar neben dem Kassahäuschen ist beleuchtet. Das größere Café Piccolo, das in einem eigenen Raum untergebracht ist, ist finster und leer. Es riecht nach Popcorn und altem, kaltem Zigarettenrauch. Wer durch die Tür des Kinos in Illmitz geht, macht eine Zeitreise, zurück in die 1980er-Jahre. Es ist eines der letzten eigentümergeführten Kinos im Burgenland. "Oberpullendorf ist auch noch", sagt Traude Kroiss kurz und knapp, während sie die Tür zu einem der drei Kinosäle öffnet.

55 Jahre im Dienst

Es ist stockdunkel. Der Lichtschalter für den Saal befindet sich am anderen Ende die Stufen hinauf. Traude Kroiss, die sich schwer auf ihre Krücke stützt und in der anderen Hand eine kleine Funzel hält, mit der sie auf den Boden leuchtet, hat sichtlich Schmerzen bei jedem Schritt. In der Mitte dreht sie sich kurz um, doch nicht, um eine Pause zu machen – eine solche scheint sich diese Frau nie zu gönnen: "55 Jahr' sitz ich jetzt schon an der Kasse." Sie leuchtet mich mit der Taschenlampe von oben nach unten ab, dann noch einmal hinauf und ins Gesicht: "So alt müssen Sie erst einmal werden!"

Traude Kroiss kämpft sich durch einen der Kinosäle in Illmitz.
Foto: Guido Gluschitsch

Am anderen Ende des Saals, dort wo der Lichtschalter ist, ist wieder eine kleine Bar. Zwischen den Kinosesseln gibt es kleine Tische. Vor, zwischen und nach den Filmvorführungen werden Snacks und Getränke serviert. Deppert sei aber, meint Traude Kroiss, dass man im Kino nicht mehr rauchen dürfe – und manch einer in Illmitz erinnert sich an Vorführungen, wo man kaum noch bis zur Leinwand gesehen habe.

Nokia und Lupe

Nicht nur das Gehen fällt der Dame schwer. Auch das Stehen. Sie kämpft sich wieder zurück in Richtung ihres Refugiums. "Am Tag bevor ich nach Corona das erste Mal das Kino wieder aufsperren durfte, bin ich vom Sessel gefallen", erzählt sie. Mit dem Rücken genau auf die Kante des Podestes, auf dem sie thront. Dass sie nicht auf der Stelle gestorben sei, grenze an ein Wunder. Und dass sie, am Boden liegend, auf ihrem Nokia den Hausarzt anrufen konnte, auch. "Ich brauche eine Lupe um mit dem Telefon wen anrufen zu können", erzählt sie, und diese habe sie beim Sturz ja nicht mitgehabt. Auch wenn jemand Karten kauft, sieht man Traude Kroiss angeblich mit der Lupe auf den Bildschirm schauen.

Am liebsten wäre Traude Kroiss, man dürfte im Kino noch rauchen.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Arzt empfahl ihr sofort, das Krankenhaus aufzusuchen. Er befürchtete, es könnten Wirbel gebrochen sein. So war es dann auch. Das erfuhr Frau Kroiss aber erst Wochen später, als sie wirklich zum Arzt ging. Denn am ersten Tag nach dem Lockdown öffnete sie lieber ihr Kino. "Eh umsonst", erinnert sie sich, "es ist keiner gekommen. Die haben alle was anderes vorgehabt, als sie wieder rausdurften."

Der Landarzt

Die Kombination Arzt und Kino gibt es in Hornstein. Der praktische Arzt Johannes Reisner wohnt und betreibt seine Ordination im ehemaligen Kino der Ortschaft. Das Kino an sich ist nicht mehr in Betrieb, aber die Sessel im Warteraum bestehen zum Teil aus der alten Kinobestuhlung. Während der Pandemie öffnete er manchmal den alten Kinosaal, um seinen Patienten das Warten mit mehr Abstand zueinander zu ermöglichen.

1924 wird im Kino Hornstein der erste Film gezeigt, 1979 sperrt es wieder zu. 1998 kauft Johannes Reisner das Haus und baut es zu einer Arztpraxis um, erhält aber den Großteil des Kinosaals und die gesamte Technik.
Foto: Archiv Günther Stefanits

Eigentlich könnte der Kinobetrieb sofort wieder starten. Johannes Reisner ist bewandert, was alte Wiedergabegeräte betrifft, und hält die originale Vorführanlage bis heute in Schuss. "Wir könnten sofort einen Film einlegen und losstarten", sagt er, "aber die Lichtausbeute der alten Anlage wird dich enttäuschen."

Ein Kino für Eisenstadt

Ein Grund zur Freude allerdings ist die Entwicklung des einstigen Haydn-Kinos in Eisenstadt. Vor rund 100 Jahren wurde das Lichtspielhaus mit 450 Sitzplätzen gebaut, schloss dann in den 1980er-Jahren und hatte danach noch eine legendenreiche Zeit als Cocktailbar.

Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) vor der Bar, die zuletzt zu einer Cocktailbar gehörte. Links durch die Tür kann man den Kinosaal sehen.
Foto: Guido Gluschitsch

Die letzten Jahre war das Haus im Besitz eines Unternehmers, der das Erdgeschoß der Stadt Eisenstadt vermieten und darüber Wohnungen errichten wollte. Aber zwei Sachen machten das Unterfangen kompliziert. In dem Haus sind die Regenrinnen innengeführt, sie tauten in einem der letzten Winter auf. Regenwasser rann lange Zeit direkt ins Haus und verursachte hohe Schäden. Und dann ist da der Denkmalschutz.

Inzwischen wurde mit den Renovierungsarbeiten begonnen.
Foto: Guido Gluschitsch

"Das Kino gehört zu den ältesten und ist eines der wenigen mit einem Saal im Theatertypus", sagt Peter Adam vom Bundesdenkmalamt. Also wurden sich der Unternehmer und die Stadt Eisenstadt nun anders einig. Die Stadt kaufte das Haus und wird das alte Haydn-Kino wieder in altem Glanz, aber mit moderner Technik aufleben lassen.

Die Stuckornamente sollen alle erhalten bleiben.
Foto: Guido Gluschitsch

Abgeschlossen sollen die Arbeiten 2024 oder spätestens 2025 sein. 2024 würde das Kino seinen 100. Geburtstag feiern, 2025 wäre Eisenstadt 100 Jahre lang Landeshauptstadt. Beide Daten sind Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) gleich recht, wie er meint. Und während im Büro des Bürgermeisters schon heftig über den ersten Film debattiert wird, mit dem das Haus eingeweiht werden soll, steht bereits fest, dass hier vor allem Independent-Filme gezeigt werden sollen.

Der alte Projektor wird keine Filme mehr abspielen müssen. Geplant ist, auf modernste Technik umzubauen.
Foto: Guido Gluschitsch

Neben dem Kinobetrieb eignet sich der Saal aber wegen seiner theatertypischen Ausrichtung auch perfekt als Kleinkunst- und Theaterbühne. Auch Tanzveranstaltungen und Konzerte kann sich Steiner im neuen Haydn-Kino gut vorstellen. In den oberen Geschoßen wird das Stadtarchiv untergebracht.

2025 soll das Haydn-Kino als Kulturzentrum wiedereröffnen.
Foto: Guido Gluschitsch

Das alles harmoniert ideal mit Steiners Plan, den Oberberg mit einer Begegnungszone, die bis zum Hauptplatz reicht, zu modernisieren. Auch diese Arbeiten sollen, so die aktuelle Krise will, bis 2025 abgeschlossen sein. Ob dann das Kino in Illmitz noch geöffnet sein wird, weiß niemand. Fragen in diese Richtung überhört Traude Kroiss nämlich geflissentlich. (Guido Gluschitsch, 16.11.2022)