Hauseigen geschichtetes Rind am Flammengrill, Lavash-Brot aus dem Feuer-Tandir: der Közde Döner in Wien-Favoriten.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Vor nicht einmal einem Jahr hat Ferhat Yildirim bei der U1-Station Keplerplatz seinen Dönerstand eröffnet und, für Wien bis dahin unvorstellbar, die nach osmanischer Art hauchdünn vom Torpedospieß gesäbelten Fleischfetzen als geschmackliche Offenbarung etabliert. Döner bei Ferhat, das ist gegrilltes Rind erster Ordnung, knusprig, saftig, pur und durchdrungen vom Aroma stetig züngelnder Flammen. Das Fleisch vom Tiroler Weiderind wird im Haus in Joghurt mariniert, von Hand auf die Spieße geschlichtet, vor lodernden Buchenscheitern gegrillt und von wissender Hand millimeterdünn geschnitten. Das Brot, aus langsam geführtem Teig, wird im hinteren Bereich gebacken und noch warm befüllt, das Dürüm vor den Augen der Kundschaft gewalkt und über offenem Feuer gebacken.

In der voll ausgereiften Konsumgesellschaft gelten "One Dish Restaurants" dieser Art, von der Pizzeria über den Sushitresen bis zum Steinbuttgrill von Weltruf im spanischen Baskenland, als der neue (in Wahrheit aber uralte) Megatrend. Wenn das Personal knapp ist und der überflussinduzierten Orientierungslosigkeit nur mit Extrafokus entgegengetreten werden kann, sind Döner und Dürüm, Schnitzel und Erdäpfelsalat, Fiorentina vom Grill oder Teigtascherln aus dem Dampf auf einmal Grund genug für ein eigenes Restaurant. Voraussetzung: echte Expertise. Klingt in einem Land, wo Essengehen im Zweifel eine Speisekarte voraussetzt, die vom Firmling bis zur Erbtante für jeden etwas dabei hat, ziemlich wagemutig. Die Schlange vor Ferhat besagt das Gegenteil.

Fleischgenuss der Oberklasse bei Közde Döner.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Dönerhotspot Favoriten

Und blieb auch anderen Gastronomen nicht verborgen. So hat seit ein paar Wochen ein paar Schritte weiter, in der Erlachgasse, Közde Döner aufgesperrt. Konzept: selbst mariniertes, selbst geschichtetes Rind, Flammengarung, selbst gemachtes Lavash (oder Dürüm) aus dem holzbefeuerten Tandir. Warum man sich in einer Stadt dieser Größe ausgerechnet in Gehweite des Vorbilds positioniert (dem Vernehmen nach war sogar ein Standort exakt gegenüber von Ferhat angepeilt), erscheint rätselhaft. Hinweis zur Güte: Guter Döner geht auch außerhalb von Favoriten!

Aber Familie Ünal, die immerhin die Etsan-Supermärkte (30+ Filialen!) aufgebaut hat und auch über andere Gastronomiestandbeine verfügt, wird schon wissen, wo sie was warum aufsperrt. Für die Rezeptur der Fleischmarinade wurde man extra bei Döner-Legende Bayramoğlu in Istanbul vorstellig. Im Gegensatz zu Ferhat (der baut gerade um, Anm.) ist im Közde auch Platz zum Sitzen. Sollte man nach Möglichkeit tun, aus irgendeinem Grund geraten die Sandwiches zum Mitnehmen nämlich befremdlich kühl und lasch.

Becircen lohnt sich

Die Döner-Teller hingegen machen echt was her, speziell, wenn man den freundlichen Kellner becircen konnte, dem Kollegen am Grill "Fleisch extra knusprig" mit auf die Säblung zu geben. Was dann auf dem (gewärmten!) Teller samt frisch gebackenem Lavash landet, ist Fleischgenuss der Oberklasse: herrlich rauchig, knusprig, ziemlich dünn und doch saftig. Zum Warmhalten und zum Würzbissenverfertigen ist eine weitere Lavash-Flade obendrauf drapiert, fettes Joghurt (Süzme) ist auch mit am Teller. Salat, Sauce, Pommes und scharfe Pfefferoni werden separat eingestellt – sieht tatsächlich exakt so aus wie in Istanbul. Wer es gern saucig hat, ordert Iskender, da wird das Fleisch auf Brotwürfel gebettet, mit Paradeissauce und erheblichen Mengen gebrannter Butter begossen und ebenfalls mit Joghurt an der Seite serviert. Dazu schmecken Ayran oder Schwarztee, aber auch Şalgam, der fabelhaft fermentierte Rüben-und-Karotten-Drink.
(Severin Corti, 18.11.2022)