Deckel drauf: Für manche sind die Mieten heuer schon drei Mal gestiegen.

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Miete steigt mit Inflation: Das ist in so gut wie allen Mietverträgen so festgelegt, und das spielte in den vergangenen Jahren so gut wie keine Rolle. In Zeiten einer Rekordinflation kann das aber schnell ein Problem werden. So auch bei Mario T., der heuer bereits drei Mieterhöhungsvorschreibungen per Post erhalten hat (DER STANDARD hat berichtet).

Erst stieg die Miete von den ursprünglich vereinbarten 1320 auf 1362 Euro, im Sommer dann auf 1431 Euro. Im Herbst flatterte ein weiterer Brief des Vermieters ins Haus: Ab November sollte seine Miete noch einmal steigen, auf 1482 Euro.

Mario T. ist nicht allein: Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der Wiener Mietervereinigung, berichtete bei einem Pressetermin vor wenigen Tagen von einer Dame, die sich an sie gewandt hatte: Frau S., die in einer freifinanziert errichteten Mietwohnung in Wien lebt und eine "mittlere Pension" bezieht, befürchtet, sich die Miete bald nicht mehr leisten zu können. Sie bekomme "Mietvorschreibungen am laufenden Band", manche ihrer Nach barinnen und Nachbarn hätten bereits "kapituliert" und seien ausgezogen.

Mieten verteuern sich massiv

Rund 400 Millionen Euro werden sämtliche Mieterhöhungen heuer wohl ausmachen, errechnete Lukas Tockner, Wohnpolitikexperte der Arbeiterkammer (AK). Im April wurden sowohl die Richtwert- als auch die Kategoriemieten erhöht, Letztere dann im Juni schon zum zweiten Mal.

Grund dafür war einerseits, dass die Erhöhung im Vorjahr pandemiebedingt verschoben worden war. Andererseits gibt es bei den Kategoriemieten – sie gelten für Mietverträge, die zwischen 1982 und Februar 1994 abgeschlossen wurden – eine gesetzliche Fünf-Prozent-Schwelle: Immer wenn die Inflations rate nach der letzten Anhebung diese Schwelle überschreitet, darf wieder angehoben werden. Weil die Inflation im heurigen Jahr so stark zugelegt hat, wurde die Schwelle kürzlich neuerlich übersprungen, weshalb die Kategoriemieten per Dezember schon wieder angehoben werden – das dritte Mal heuer.

Dass da die Stimmen lauter werden, die nach (neuerlichen) politischen Eingriffen rufen, überrascht nicht. Die SPÖ hat schon im Juni ein Einfrieren sämtlicher Mieten bis 2025 gefordert. Und Arbeiterkammer und Mietervereinigung verlangen nun einen Mietpreisdeckel in der Form, dass bei sämtlichen Mietverhältnissen in Österreich die Miete nur noch einmal pro Jahr um maximal zwei Prozent angehoben wird. Und zwar so lange, bis es zu einer großen Mietenreform kommt.

Spanien und Portugal

Bei den zwei Prozent orientierte man sich laut Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunal und Wohnen bei der AK, einerseits am derzeitigen Zinsniveau, andererseits an europäischen Vorbildern: In Spanien und Portugal wurden heuer Mietpreisdeckel eingeführt, dort darf die Miete nur noch um zwei Prozent pro Jahr steigen. Auch in Frankreich wurde ein solcher Deckel beschlossen, die Grenze liegt bei 3,5 Prozent. Und in einigen anderen Ländern sind Mietpreisdeckel ebenfalls in Diskussion oder Umsetzung (siehe unten).

Bei der Arbeiterkammer begründet man die Forderung nicht nur mit massiven Belastungen für die Mieterinnen und Mieter, sondern auch mit "hohen Sondergewinnen", die die Immobilienwirtschaft schon seit Jahren einfahre. "Bei privaten Vermietern klingeln die Kassen, während sich viele Mieter vor dem Gerichtsvollzieher fürchten müssen", wie Tockner argumentiert.

Diese Sondergewinne stellt man in der Immobilienwirtschaft aber in Abrede. 80 Prozent aller Mietwohnungen in Österreich seien preisgeregelt, "das sollte auch die Arbeiterkammer wissen", höhnt Michael Pisecky, Obmann der Wiener Immobilientreuhänder. Gerade die Kategoriemieten würden Mietverträge betreffen, die schon sehr lange laufen und deshalb meist günstige Mieten hätten.

Mieterhöhung zurückgenommen

"Viele private Vermieter führen schon aus Angst vor Leerstehungen und sozialer Rücksicht keine Erhöhungen durch", sagt Johannes Wild, Fachgruppenobmann in Niederösterreich. Tatsächlich hat beispielsweise auch der Vermieter des eingangs erwähnten Mario T. kurz nach seiner Ankündigung der nächsten Mieterhöhung nach telefonischer Nachfrage eingelenkt und die Mieterhöhung zurückgenommen. Bis Anfang 2023 will er jetzt keine mehr schicken – dann will er die Situation neu bewerten.

Es bestehe eben keinerlei Verpflichtung, Anhebungen durchzuführen – darauf weist Wild hin und fügt an, dass dies im Übrigen auch für kommunale und gemeinnützige Vermieter gelte. Der Seitenhieb gilt unter anderem Wiener Wohnen: In ihrem Einflussbereich lehnt es auch die rot-pink regierte Stadt Wien ab, Mietanhebungen in den Gemeindebauten auszusetzen. Die Wiener SPÖ fordert stattdessen eine Totalreform des Mietrechtsgesetzes, für das der Bund zuständig ist.

Mietrechtsreform in weiter Ferne

Wird es bald dazu kommen? Diesbezüglich herrscht große Skepsis, sowohl in der Immobilienbranche als auch bei den Mieterschutzorganisationen. Von Vorbereitungen eines großen "Reformdialogs", wie er im Regierungsprogramm steht, ist weit und breit nichts zu sehen. Wird der nicht bald gestartet, wird es damit wohl in dieser Legislaturperiode nichts mehr, denn 2024 wird schon wieder gewählt.

Überhaupt seien aus dem Wohnen-Teil des Regierungsprogramms bisher von 45 dort aufgeführten Maßnahmen keine umgesetzt worden, die Mieterinnen und Mieter entlasten würden, sagt Ritt und fordert deshalb unter dem Slogan "Fünf aus 45" die Umsetzung wenigstens dieser fünf Maßnahmen: Grund stücke des Bundes sollten für geförderten Wohnbau reserviert werden, es sollte eine "wirksame bundesgesetzliche Leerstandsabgabe" geben, Kurzzeitvermietungen und Befristungen sollten eingeschränkt werden – und das Bestellerprinzip bei den Maklerprovisionen endlich kommen. Darauf wartet man nun nämlich schon seit einem Dreivierteljahr. (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 19.11.2022)