Es sieht nicht gut aus für Bird.

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In Wien war das Unternehmen der Pionier in Sachen ausleihbarer, freistehender E-Scooter. Konkurrent Lime hatte seinen Marktstart in der österreichischen Hauptstadt zwar früher angekündigt, doch Bird hatte zuerst seine Roller auf den Straßen der Hauptstadt.

Das war im Herbst 2018, und das Unternehmen galt noch als Start-up, das fleißig Risikokapital einsammelte. Die Expansion ging weiter. In den letzten vier Jahren entwickelte man eigene Scooter, erschloss rund 400 Städte, kaufte den Konkurrenten Circ auf und brachte auch E-Bikes ins Angebot. Mitte 2021 ging das Unternehmen an die Börse. Anderthalb Jahre später droht ihm nun allerdings das Aus.

Wie die Journalistin Alison Griswold berichtet, hat die Firma ihren Investoren mitgeteilt, dass die veröffentlichten Bilanzen der letzten zweieinhalb Jahre nicht mehr verlässlich seien und man "substanzielle Zweifel am Fortbestand des Unternehmens" habe. Man spielte eine "Going concern"-Warnung aus. Diese besagt, dass man sich nicht mehr sicher ist, dass man über die Mittel verfügt, um auf "absehbare Zeit" – in der Regel werden hier zwölf Monate angenommen – den Betrieb aufrechterhalten und zwingende finanzielle Verpflichtungen erfüllen zu können.

Abrechnungsfehler bei Fahrten mit "Bird Cash"

Der wichtigste Grund dafür ist, dass die Umsatzzahlen von Bird seit dem ersten Quartal 2021 künstlich aufgeblasen waren. Die vereinfachte Erklärung, so Griswold, ist, dass Bird es in einigen Märkten ermöglicht, Fahrten mit aufgeladenem Guthaben ("Bird Cash") zu absolvieren. Allerdings fehlte es Fahrerinnen und Fahrern manchmal an ausreichend Guthaben, um ihre komplette Fahrt zu bezahlen.

Dennoch sei für diese Fahrten der volle Preis als Umsatz verbucht worden, obwohl sie tatsächlich nur zum Teil bezahlt wurden. Als Folge hat der Konzern nun seine letzten sechs Quartalsbilanzen berichtigt. Die ursprünglich angegebenen Umsätze lagen um sechs bis 15 Prozent höher als die tatsächlichen Einnahmen. Selbst mit den überhöhten Zahlen hatte man es bislang nicht in die Gewinnzone geschafft.

Bird widerspricht Darstellung

In einer Stellungnahme streitet Bird die von Griswold genannten Zahlen ab. Die Umsatzzahlen seien in den betroffenen Zeiträumen "stets nur zwischen 5 und 7 Prozent überhöht" gewesen, schreibt man.

Ebenso widerspricht man der Darstellung, dass die falsch ausgewiesenen Umsätze der wesentliche Grund für die "Going concern"-Meldung seien und sieht diese als "vollkommen getrenntes" Thema. Man sah sich zu der Warnung aufgrund der "massiv verschlechterten makroökonomischen Lage" mit hoher Inflation und einer sich abzeichnenden Rezession veranlasst, auch um börsenrechtlichen Vorgaben zu entsprechen.

In weiterer Folge geht Bird auch davon aus, dass man nicht der einzige E-Scooter-Verleiher ist, der in Turbulenzen steckt. Auch die "wesentlichen Mitbewerber", vermutet man, dürften sich derzeit in einer ähnlichen Lage sehen.

Aktie stürzte weiter ab

Das Vertrauen der Anleger wurde durch diese Nachricht erwartungsgemäß nicht gerade gestärkt. Die ohnehin stark unter Druck stehende Aktie von Bird sackte an der New Yorker Tech-Börse Nasdaq von rund 40 auf 20 Cent (Letztstand zum Handelsschluss am 18. November) ab. Im November des Vorjahrs notierte sie noch bei um die zehn Dollar.

Birds aktuelle Marktvalorisierung liegt bei 70 Millionen Dollar. Das entspricht dem Schätzwert des Unternehmens von Anfang 2018 – und es sind nur etwa drei Prozent der 2,1 Milliarden Dollar, die die Firma vor dem Börsengang von privaten Investoren lukrierte. (gpi, 21.11.2022)