Die Künstlerin Denise Rudolf Frank in ihrem Wintergarten, der zum Wohnzimmer umfunktioniert wurde.
Foto: Mafalda Rakoš

Der Wald hat sich an diesem Vormittag hinter einem dunstigen Vorhang versteckt. Eine Einfahrt an seinem Rande führt zum Zuhause von Denise Rudolf Frank und Michael Krammer. Büsche und Hecken in allen möglichen Formen stehen Spalier. Ein paar Sonnenstrahlen versuchen in der Nebelsuppe umzurühren, bleiben aber darin stecken. Die Suppe ist zu dick und hüllt den ganzen Landstrich in ihren feuchten Schleier, der einem bis in die Knochen dringt.

Am Ende des Weges findet sich der Besucher vor einer Villa aus dem Jahre 1890. Die Stimmung macht ein bisschen auf Hitchcock à la Wienerwald mit einem Schuss O. W. Fischer. Von der Geschichte des Gebäudes weiß Denise Rudolf Frank nicht viel zu erzählen. Angeblich seien hier nach dem Zweiten Weltkrieg russische Offiziere untergebracht gewesen. Die Villa ist nicht die einzige in der Gegend. Sie hat diverse Schwestern in der Nachbarschaft.

Sehnsuchtsort Natur

Im November 2021 übersiedelten die Künstlerin und der Musiker hierher. Nach 15 Jahren hatte Denise Rudolf Frank genug von der Stadt, sie verspürte Sehnsucht nach Natur und suchte nach einem Altbau auf dem Lande. In der Disziplin Wohnungsuchen ist die Malerin ein Ass. "Ich bin in 15 Jahren elfmal umgezogen und habe in meinem Leben bestimmt 80 Makler getroffen", erzählt sie.

Der rote Esstisch stand einst im Chemiesaal einer Schule.
Foto: Mafalda Rakoš

Von den drei Stockwerken der Villa mietet das Paar zwei. Im oberen befindet sich der Wohn- und Atelierbereich. Dieser misst 180 Quadratmeter. Im unteren Teil sind auf 75 Quadratmetern ein Fitnessraum, ein Lager und ein Tonstudio untergebracht.

Nichts für Warmduscher

Auch in der Wohnung von Denise Rudolf Frank und Michael Krammer ist es nicht sonderlich warm, zumindest für einen Warmduscher. Die beiden sind abgehärtet, setzen sie sich doch regelmäßig in eine mit Wasser gefüllte Tonne vor dem Haus. Das erspare einem Kaffee als Muntermacher, meint Frank. Gelüftet wird auch emsig. Wegen der Öl- und Acrylfarben.

Also bitte doch einen Tee für den Besucher. "Welchen?", möchte die Gastgeberin wissen. "Egal." Warm wird einem hier vor allem angesichts der Farben, die so gut wie alles beherrschen, ob als Fleckenpotpourri auf dem gelben Fußboden oder auf den vielen von Frank bemalten, zum Teil sehr großen Leinwänden, die bis zu 15 Liter Farbe aufsaugen.

Wohnung als Atelier

Man könnte es so formulieren: Die Wohnung ist Atelier, und das Atelier ist Wohnung. Alles verschmilzt. Vom langen Küchentisch, einem wunderbaren, roten Möbel aus Glasfaser, das einst im Chemiesaal einer Schule Dienst tat, sieht Frank auf ihr neuestes Großformat. Und umgekehrt. Hier kann sie in Ruhe arbeiten und muss nicht ins Atelier fahren. "Ich sehe meine Bilder in allen Lichtstimmungen, von morgens bis abends", erzählt sie. Und davon, dass es möglich sein soll, im Bademantel ins Atelier zu gehen, und davon, dass ihr Herzbube sie manchmal richtig von der Arbeit loseisen muss. Dieser lässt sich übrigens nicht blicken. Wahrscheinlich werkt er unten im Tonstudio. Vielleicht ist es dort wärmer.

Es ist schwer zu sagen, wo das Atelier anfängt und die Wohnung aufhört. Beides fließt hier ineinander.
Foto: Mafalda Rakoš

Die Figuren auf ihren Bildern bezeichnet die Künstlerin, die am Londoner St. Martin’s College und an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte, als groß, bunt, expressiv und träumerisch. Neben den Bildern und dem Fußboden sowie dem Olfaktorischen findet sich das Bunte auch in unzähligen Farbtöpfen in Regalen. Das Farbspektrum an diesem Ort ist ein enormes, ein höllisches Inferno für alle an Chromophobie Leidende, ein Himmelreich für jene, die gern Regenbögen fotografieren.

Sofaburg im Wohnzimmer.
Foto: Mafalda Rakoš

Zurück zu den Wurzeln

Frank, die derzeit unter anderem eine Ausstellung in Schweden vorbereitet, ist zufrieden mit der Wohnsituation. Ihre Profession bezeichnet sie als unabhängig vom Wohnsitz, zweimal pro Woche fährt sie im Schnitt nach Wien, lediglich nach Wasser sehnt sie sich, und wenn es nur ein Teich zum Baden wäre. Aber der kann ja noch kommen. Frank bezeichnet sich als Wasserratte. Auch eine Halle im Garten hätte sie gerne, um noch größere Bilder malen zu können. Die kann ja ebenfalls noch kommen. Ob ihren Freund die Omnipräsenz der Kunst nicht störe, will man wissen. "Nein, gar nicht, außerdem stehen ja auch überall Gitarren herum."

Hier ist die Küche zu sehen, die offen ins Atelier mündet. Und ins Wohnzimmer.
Foto: Mafalda Rakoš

Sie sieht die Entscheidung, aufs Land übersiedelt zu sein, ein wenig als "back to the roots", denn die 29-Jährige stammt ursprünglich vom Land, aus Herrnbaumgarten an der tschechischen Grenze. An ihrem neuen Wohnort kann sie also in Ruhe arbeiten, und zwar vom Frühstück bis zum Sonnenuntergang. Hier geht sie eine Runde im Wald spazieren, einem märchenhaften Wald aus Buchen und Kiefern, die an diesem Tag Verstecken spielen. Hier saugt sie die Natur auf, die ihr wichtig ist. "Wussten Sie, dass es den Herzschlag senkt, wenn man auch nur ein Bild von einem Stück Wald ansieht?" Nein, wusste man nicht. "Wenn ich eine kleine Runde durch den Wald drehe, fühlt sich das wie eine halbe Stunde Yoga an", setzt sie nach, während sie durch die Wohnung führt, in der ebenfalls zahlreiches Grünzeug aus allerlei Töpfen sprießt.

Auf dem Balkon links unten wird auch im Winter geknotzt, wenn es die Sonne zulässt.
Foto: Mafalda Rakoš

Zuhause als Gefühl

Der großzügige Wintergarten mit seiner einladenden Sofalandschaft und den beeindruckenden Fenstern wurde zum Wohnzimmer umfunktioniert, die Küche dient wie erwähnt gleichzeitig als Atelier, ferner gibt es einen Werkraum, ein Atelierbad, ein Gästezimmer, einen mit leeren Leinwänden bestückten Flur, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer. Und einen begehbaren Schrank, eher ein ganzes Schrankzimmer. Auf dem hölzernen Balkon an der vorderen Front der Villa lässt sich auch in der kalten Jahreszeit ein Bett mit vielen Pölstern finden. "Wenn die Sonne auf diesen Winkel fällt, liegen wir hier auch im Winter", erzählt die Malerin. Nein, verfroren sind die beiden nicht.

Ein Zuhause betrachtet Frank nicht unbedingt als einen Ort. Geht es nach ihr, kann es auch ein Gefühl sein. Wohnen, das stehe für Erinnerungen, Menschen, aber auch für Gerüche. "Wohnen heißt außerdem seine Batterie aufladen." Häufiges Umdekorieren ist Frank in Wohndingen ein Anliegen. "Mit Stillstand kann ich nicht gut umgehen."

"Mit Stillstand kann ich nicht gut umgehen", so Denise Rudolf Frank.
Foto: Mafalda Rakoš

Möbel brauchen Seele

Auch Design liegt der Künstlerin am Herzen. Möbel sieht sie als etwas Künstlerisches. Nigelnagelneue Stücke hasse sie, sie hätten keine Seele, meint Frank. Ihr kommen fast nur Vintage-Stücke ins Haus. Diese stöbert sie auf Flohmärkten oder im Internet auf. Sie zeigt auf zwei grüne Sessel aus dem Haydn-Kino in Wien oder ganz wunderbare String-Regale aus Metall und Holz.

"Wenn es mit der Kunst nicht so gut laufen würde, könnte ich mir durchaus vorstellen, im Bereich Möbel oder Fashion etwas auf die Beine zu stellen." Aber auch das kann ja noch kommen, wie der Teich und die Halle im Garten.

Nachdem der Tee ausgetrunken und die Fotografin am Drücker ist, heißt es zu gehen. Die Sonne hat es sich endgültig anders überlegt und sich für heute über die Nebeldecke zurückgezogen. Die Villa und ihre Schwestern wirken wie in feuchte Watte gepackt, als man sich auf dem Weg zum Bahnhof noch einmal umdreht. Die Zeitreise ist aber noch nicht zu Ende, da wäre noch der Bahnhof des Ortes. An ihm dampfte schon Kaiser Franz Joseph vorbei, lange bevor Menschen ihre Tickets aus einem Automaten drücken und auf einen gut beheizten Zug hoffen würden. (RONDO Exklusiv, Michael Hausenblas, 19.12.2022)