Die Autorin Hera Lind zu Hause in Salzburg. Hier lebt sie mit ihrem Mann.
Foto: Anna Aicher

Hoch mit dem Aufzug, Hera Lind öffnet die Tür, und schon steht man mitten in der Wohnung im Zentrum Salzburgs. Dunkelrote Samtsofas, taftige Vorhänge, Fotos von Mann, Kindern, Enkeln an den Wänden – hier hat alles seinen Platz. Bis eben seien noch Gäste aus ihrer Heimat Deutschland zu Besuch gewesen, erklärt die Autorin, die in den 1990er-Jahren mit dem Superweib ihren Durchbruch erlebte. 65 ist sie wenige Tage zuvor geworden, für die Feierei habe man umgeräumt, Lind klingt schon fast entschuldigend: Normalerweise stehe hier für abendliche Matches mit ihrem Mann eine Tischtennisplatte. Platz genommen wird am Ende des langgestreckten Raumes auf den Samtsofas mit Blick auf die Familienfotos.

STANDARD: Sie haben Liebesgeschichten geschrieben, die Sendung "Herzblatt" moderiert, Ihre Beziehungen haben früher den Boulevard beschäftigt. Sind Sie eine Expertin in Sachen Liebe?

Lind: Absolut nicht. Ich musste viele Frösche küssen, bis der Prinz vom Himmel fiel. Bei meinem Mann hat dann aber vom ersten Moment an alles gepasst, heute vor 23 Jahren habe ich ihn zum ersten Mal getroffen. Wir haben uns seither miteinander und nicht voneinander weg entwickelt, das ist keine Selbstverständlichkeit.

STANDARD: Eine märchenhafte Liebesgeschichte?

Lind: Stimmt, zumal die Vorzeichen gegen unsere Beziehung sprachen. Als ich ihn traf, hatte ich schon vier und mein Mann zwei Kinder, die bis heute in Amerika leben. Dass wir es miteinander gewagt haben, erstaunt uns noch immer. Wir bereuen den Schritt dennoch keine Sekunde. Auch meine langjährigen Freunde bestätigen mich heute. Sogar meine Kinder sagen: "Das war richtig so."

STANDARD: Von Ihrem einstigen Wahlspruch "Don't marry, be happy" haben Sie sich verabschiedet?

Lind: Ich war lange überzeugt, dass ich niemals heiraten werde. Damals hielt ich das für völlig überflüssig und fand es spießig. Aber als ich meinen jetzigen Mann traf, war plötzlich alles anders. Heute würde ich sagen: "Sag niemals nie."

STANDARD: Hat sich das große Liebesglück mit 20 anders angefühlt als heute?

Lind: Sicher, damals war ich unsicher und unfertig. Das Frauenbild meiner Eltern hat mich geprägt, das sah in etwa so aus: "Pass dich an, mach dich hübsch, sei bescheiden und versuche es ihm recht zu machen, dann wirst auch du glücklich werden." Ich habe lange gebraucht, diese Vorstellungen von einer Partnerschaft abzulegen.

STANDARD: Ticken die Jungen anders?

Lind: Frauen sind heute viel selbstbewusster als meine Generation, die noch zu 95 Prozent die unbezahlte Care-Arbeit übernommen hat. Mittlerweile ist es selbstverständlicher, dass sich der Mann zu 50 Prozent um Kinder und Haushalt kümmert, die Väter am Kinderspielplatz oder im Supermarkt anzutreffen sind. Das unterstütze ich auch bei meinen Kindern. Sie gehen ganz anders in Beziehungen hinein.

Sie wolle aus der Kitschschublade raus, sagt die deutsche Autorin Hera Lind. Zwei Bücher schreibt sie im Jahr.
Foto: Anna Aicher

STANDARD: Was macht für Sie heute eine glückliche Beziehung aus?

Lind: Es muss für beide Seiten passen. Man sollte sich weder verbiegen noch ständig zurücktreten müssen. Oder sich heimlich wünschen, dass das Gegenüber schnell die Wohnung verlässt. Ich bin jetzt 65, mein Mann 67, da kommt es auf Äußerlichkeiten nicht mehr so sehr an. Wenn man strahlt, sobald der andere den Raum betritt, man den anderen abends in den Arm nehmen will, weil man ohne ihn nicht einschlafen will: Das ist für mich das große Glück.

STANDARD: Das klingt jetzt wie aus einem Ihrer Romane!

Lind: Ich weiß, das klingt richtig kitschig. Aber wir sind als Paar über Stock und Stein gegangen, um dahin zu kommen. Wir dürfen jetzt auch die Ernte einfahren.

STANDARD: Geben Sie gern Ratschläge in Liebesdingen?

Lind: Um Himmels willen, nein!

STANDARD: Nicht einmal Ihren Kindern geben Sie Tipps?

Lind: Die sagen: "Ihr seid unser großes Vorbild, wir wünschen uns auch so eine Partnerschaft." Da kann ich nur erwidern: Die muss ja nicht am Anfang des Lebens funktionieren, das kann auch viel später passieren.

Es raschelt im Nebenzimmer. Die Autorin entschuldigt sich, springt auf. Das sei ihr Mann, sie müsse Engelbert mal eben begrüßen, seit einer Stunde habe sie ihn schon nicht gesehen. Sagt’s und sitzt eine Minute später schon wieder auf dem Sofa. Hera Lind ist Vollprofi. Die als Herlinde Wartenberg in Nordrhein-Westfalen geborene Autorin hat Ende der 1980er-Jahre ihr erstes Buch herausgebracht, es folgte ein Bestseller auf den nächsten. Leicht bekömmlich, schnell gelesen – die ausgebildete Sängerin begründete im deutschsprachigen Raum das Genre der sogenannten Frauenliteratur.

STANDARD: Macht Liebe verletzlich?

Lind: Unbedingt. Insbesondere dann, wenn es Abhängigkeiten gibt, man sich nicht auf Augenhöhe begegnet. Oft begeben sich Menschen auch in eine Opferrolle. Das zeigen etliche Einsendungen für meine Tatsachenromane: Viele Frauen schicken mir Geschichten, mit denen sie es einem Verflossenen heimzahlen wollen – die sortiere ich aus.

STANDARD: Wie führt man ein glückliches Leben?

Lind: Erfolg zu haben ist großartig, aber wenn man nicht mit dem richtigen Menschen zusammenlebt, ist alles nur halb so schön. Wenn man seine Freude teilt, verdoppelt sie sich. Das ist für mich Liebe.

STANDARD: Braucht man dafür unbedingt einen Partner oder eine Partnerin?

Lind: Ich kann mir vorstellen, mit einigen sehr guten Freunden und Freundinnen genauso glücklich sein zu können wie mit einem festen Partner. Es gibt Menschen, für die ist der Freundeskreis zur Familie geworden – so wie bei Sex and the City. In den 1990ern habe ich die Serie mit meinen Töchtern rauf und runter geschaut.

STANDARD: Brauchen wir zu unserem Glück andere Menschen?

Lind: Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch und alles andere als eine Einsiedlerin, die nur im stillen Kämmerlein sitzt und schreibt. Ich muss meine zehn besten Freundinnen anrufen können, wenn ich in ein Fettnäpfchen getreten bin. Ich brauche ihren Trost und ihr Verzeihen. Überhaupt brauche ich dringend Menschen zum Glücklichsein.

STANDARD: "Pech im Spiel, Glück in der Liebe", ist das mehr als ein blöder Spruch?

Lind: Da kann schon was dran sein. Glück in der Liebe ist weitaus wichtiger, das Spiel ist vergänglich. Wenn die Liebe bleibt, ist das das Schönste, was einem im Leben passieren kann.

STANDARD: Soll man sich trennen, wenn die erste Verliebtheit verflogen ist?

Lind: Natürlich nicht – erst recht, wenn Kinder im Spiel sind. Viele Menschen arbeiten ihretwillen lange und verzweifelt daran, die Beziehung aufrechtzuerhalten. Oder den Schein zu wahren. Wenn aber der Drang, das Leben zu verändern, so groß ist, dass man sich trennt, kann sich das Gefühl großer Freiheit einstellen.

Man soll sich für eine Beziehung weder verbiegen noch ständig zurücktreten müssen, meint Hera Lind.
Foto: Anna Aicher

STANDARD: Folgt jedem Hoch ein Tief?

Lind: Sicher, zum Glück gilt das auch umgekehrt. Mein Erfolg als Autorin wurde in den 1990ern von den Medien begleitet, genauso wie danach das Tief. Diese Erfahrung hat mich bescheiden gemacht. Umso mehr genieße ich das Glück. Auch weil ich durchaus damit rechne, dass wieder ein Tief kommen wird.

STANDARD: Brauchen wir die Tiefs, um die Hochs zu schätzen?

Lind: Genau das ist es. Wenn man immer nur oben schwimmt, wird man unzufrieden. Ein Bergsteiger muss sich seine gute Aussicht auch erarbeiten, sonst ist sie nichts wert. Letztlich bin ich dankbar für meine Erfahrungen.

STANDARD: Braucht man ein Talent zum Glücklichsein?

Lind: Ich habe die Gabe, Dankbarkeit als Treibstoff für mein Leben zu verwenden. Manche stecken Verbitterung und Wut auf längst vergangene Dinge in ihren Lebensmotor. So wird es schwer, glücklich zu sein.

STANDARD: Haben Sie dem Glück schon auf die Sprünge geholfen?

Lind: Es ist wichtig, Dinge in die Hand zu nehmen. Je älter man wird, desto mehr sollte man wissen, was einem guttut. Vor meiner Tür steht kein dickes Auto, ich habe gar keines. Besitz belastet. Für andere mag das anders sein. Für mich bedeutet Glück, im Moment zu leben, aber auch loslassen zu können. So wie die Marschallin in meiner Lieblingsoper Rosenkavalier, die ich mir etliche Male angesehen habe. Sie singt im ersten Akt über das Alter: "Mit leichten Händen halten und nehmen, halten und lassen. Wer das nicht kann, den straft das Leben." Sie hat einen jungen Geliebten und weiß, dass sie ihn an eine Jüngere verlieren wird. Die Dankbarkeit lässt sie den bevorstehenden Verlust verkraften, das ist auch mein Leitspruch geworden.

STANDARD: Die Titel Ihrer Bücher lauten "Sommerküsse auf dem Traumschiff", "Mein Mann, seine Frauen und ich", "Der Prinz aus dem Paradies"

Lind: ... Sommerküsse auf dem Traumschiff, ich hasse diesen Kitsch! Das war eine Sonderedition, den Titel hätte ich im Leben nicht abgesegnet. Wegen der Titel habe ich oft Stress mit meinem Verlag. Statt der Grenzgängerin aus Liebe wollte ich lieber schlicht Die Grenzgängerin. Der Prinz aus dem Paradies ist nach langen Diskussionen von mir abgesegnet worden. Mein Mann, seine Frauen und ich hat sich mein Mann ausgedacht, den finde ich gut. Über Titel könnte ich stundenlang reden.

Man glaubt es ihr sofort. Hera Lind steht auf und deutet an die Wand. Ihre Buchtitel hängen in goldenen Rahmen, zweireihig. Vollständig sind sie nicht, dafür wäre in dem Altbau von 1360 mit den niedrigen Decken wahrscheinlich zu wenig Platz. Vor über zehn Jahren hat sich Lind neu erfunden. Die 65-Jährige schreibt heute "Tatsachenromane": Lind gießt Lebensgeschichten, die ihr geschickt werden, in Buchform. Daneben gibt sie in ihrer Salzburger Wohnung Schreibseminare, Ehemann Engelbert Lainer-Wartenberg, ehemals Hotelier, bringt dann Grießnockerlsuppe und Schnitzel auf den Tisch, auch beruflich ist das Paar ein eingespieltes Team.

STANDARD: Das Thema Liebe verkauft sich wie warme Semmeln?

Lind: So ist es. Titel sind aber auch extrem wichtig. Das Superweib war mein Durchbruch. Das Buch hat sich auch deshalb drei Millionen Mal verkauft, weil der Titel einfach gut war. Er passte in die 1990er-Jahre, heute würde "Das Superweib" auch nicht mehr funktionieren. Schon damals war der Titel ironisch gemeint, kam aber bei vielen nicht so an. Titel müssten so sein, dass man das Buch gerne verschenkt, warmherzig, liebevoll, bodenständig: Für immer deine Tochter oder gerade Das letzte Versprechen sind beide auf Platz eins. Es geht auch ohne Kitsch.

Bei so viel Erfolg könnte Hera Lind entspannt die Füße hochlegen.
Foto: Anna Aicher

STANDARD: Die beste Liebesgeschichte Ihrer Karriere?

Lind: Eigentlich habe ich noch nie eine geschrieben. Die Menschen sehnen sich danach, deshalb höre ich ständig vom Verlag: "Schreib mal wieder eine Liebesgeschichte!"

STANDARD: Warum wehren Sie sich dagegen?

Lind: Weil ich aus dieser Kitschschublade rauswill. Dieses rosarote Schmalzgedöns, das war ich nie. Ich habe mich oft mit dem Verlag gefetzt, bin aber auch Kompromisse eingegangen. In meinen Tatsachenromanen geht es um sehr ernste und tief emotionale Themen wie Kindesmissbrauch, um Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs, um die Geschehnisse in der DDR, das ist weit weg von Kitsch.

STANDARD: Braucht es große Dramen, damit Geschichten zum Bestseller werden?

Lind: Nicht unbedingt. Es braucht eine gute Geschichte, mindestens einen sympathischen und glaubhaften Protagonisten oder eine solche Protagonistin und einen professionellen, einfühlsamen Erzählstil.

STANDARD: Lesen Sie Ihre eigenen Bücher?

Lind: Ungern. Ich sollte demnächst einmal mit kritischer Distanz das Superweib lesen, auch wenn ich Angst davor habe, über peinliche Dinge zu stolpern. Ich komme aber kaum dazu. Ich lese und beantworte täglich stundenlang Einsendungen, schreibe zwei Romane im Jahr, gebe Schreibseminare, mache täglich Sport, mit einem Schmöker in der Ecke finden Sie mich, jedenfalls im Moment, noch nicht. (Anne Feldkamp, RONDO, 12.12.2022)

Der Artikel stammt aus dem Magazin RONDO Exklusiv zum Thema "Glück".