Als Christian Gusenbauer den langen Flur bis zu seiner Zweizimmerwohnung in der Südstadt entlangschreitet, schüttelt er verständnislos den Kopf: "Das darf doch nicht wahr sein, dass die immer an bleiben." Gusenbauer deutet nach oben, wo rund 20 Deckenlampen am helllichten Tage wie Flutlicht leuchten. Früher sei er in der angenehmen Lage gewesen, sich nicht um solche Banalitäten kümmern zu müssen, sagt er. Denn früher ist er glücklicher Inselbesitzer gewesen. Also ein klarer Fall von "Früher war alles besser"? Na ja, nicht ganz. Früher steckten keine 19 Gewehrkugeln im Körper von Gusenbauer. Aber der Reihe nach.

Eigene Insel mit Airbnb

Das letzte Mal plauderten wir im September 2017 mit dem ehemaligen Pharmamanager und Sohn der früheren Leichtathletin Ilona Gusenbauer. Der Auswanderer hatte gerade die ein Hektar große Insel Lark Caye vor der Küste von Belize erworben, um sie über Airbnb an Ruhesuchende zu vermieten. Braungebrannt und in bester Laune erzählte er damals nach einer schweren Zeit in Österreich, wie glücklich er in Belize sei. Überschrieben war der Artikel mit "Brauche keine Antidepressiva mehr!". Doch was ist in den fünf Jahren danach passiert?

Wirkt wie das Paradies: Christian Gusenbauers eigene Insel vor Belize.
Foto: Christian Gusenbauer

Erst im März 2020 übersiedelte Gusenbauer dauerhaft nach Lark Caye. Hinter Mangroven versteckt, hatte er eine zweite Hütte errichtet, um die Insel auch dann nutzen zu können, wenn Mieter vor Ort waren. Nur wenige Tage nachdem er dort eingezogen war, begann die Corona-Pandemie. Es dauerte nicht lange, bis Belize die Grenzen weitgehend dichtmachte und keine Touristen mehr ins Land ließ. Für Gusenbauer bedeutete das, seine einzige Einkommensquelle versiegen zu sehen. Doch er ließ sich davon keineswegs entmutigen. "Für mich begann damals die allerglücklichste Zeit auf der Insel."

Völlig autark

Gusenbauers Glück lässt sich so beschreiben: Fast ein Jahr lang lebte er nackt (neue Kleidung war in der Pandemie kaum zu organisieren) und nur mit seiner Hündin Mali autark auf dem Eiland. Das bisschen Strom, das er benötigte, erzeugte eine Photovoltaikanlage, mit einer Harpune ging er täglich auf Jagd. "Ich hatte den Fischen in meinem Hausriff schon Namen gegeben, so gut kannte ich sie. Es fühlte sich seltsam an, sie irgendwann dennoch essen zu müssen. Aber sie waren meine einzige Nahrungsquelle", sagt Gusenbauer. Bis zum Februar 2021 lebte der Eremit auf diese Weise. Danach änderte sich alles.

In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar wurde Gusenbauer Opfer eines brutalen Raubüberfalls auf seiner Insel. Vermutlich mehrere Kriminelle waren im Stockdunkeln gekommen, um seinen Bootsmotor und Bargeld zu rauben. Nach Schüssen im Freien, die vermeintlich seinen Hund Mali töteten – in Wirklichkeit flüchtete das Tier unverwundet –, verschanzte sich Gusenbauer in seiner Hütte. Danach wurde eine Dreiviertelstunde lang auf ihn geschossen, durch Wände und durch eine Matratze. Doch wie durch ein Wunder gelangten die Täter nie an ihn heran. Er überlebte schwerverletzt, setzte einen Notruf via Facebook ab und konnte rechtzeitig notoperiert werden. Wie viel Glück er in dieser Nacht hatte, beschrieb er in seinem Buch "21 Kugeln im Paradies".

Christian "Gigi" Gusenbauer lebte von 2017 bis 2021 auf der Insel Lark Caye vor Belize. Er schrieb über diese Zeit und den Überfall das Buch "21 Kugeln im Paradies".
Foto: Christian Gusenbauer

19 Kugeln

Erst bei unserem Treffen in der Südstadt ergänzt er nicht ohne Ironie: "Der Buchtitel ist falsch. Es waren nur 19 Kugeln, doch das erfuhr ich erst viel später bei weiteren Untersuchungen in Österreich." Gusenbauer weiter über Glück als Antithese zu Pech: "Jede einzelne Kugel verfehlte lebenswichtige Organe und die Wirbelsäule nur um Millimeter."

Gusenbauer gibt an, zu wissen, wer ihn überfallen hat. Bei einer Gegenüberstellung auf der Polizeiwache in Belize habe er sich aber letztlich dagegen entschieden, den Schützen zu identifizieren. Es sah sein Leben bedroht. Drogenkartelle und ein korrupter Polizist hätten vor der Aussage gedroht, das könne "seiner Gesundheit schaden". Ein empathischerer Polizist brachte dem ehemaligen Zivildiener schließlich bei, sich mit einer Pumpgun und einer Pistole zu verteidigen. "Man riet mir, keinen Schritt mehr auf der Insel ohne entsicherte Waffe zu tun. Ich hatte sie immer bei mir, im Bad, auf dem WC, neben dem Bett", erzählt er. In einer der Nächte nach dem Überfall kam es zum Showdown auf der Insel – mit dem Neffen eines Verdächtigen, der in der Absicht gekommen war, ihn zu töten. Zum Glück konnte Gusenbauer ihn aber in die Flucht schlagen, niemand wurde verletzt. Doch warum war er nicht gleich nach dem Überfall der Insel ferngeblieben?

Ohne Verbitterung

"Ich hatte alles, was ich besaß, in die Insel gesteckt", sagt er. Gusenbauer wirkt dabei keineswegs verbittert, obwohl er noch wochenlang auf der Insel ausharren und weitere Überfälle befürchten musste. Glücklicherweise konnte er Lark Caye schließlich an eine US-Amerikanerin zum halben Preis des errechneten Werts verkaufen. Im Mai 2021 verließ er Belize über einen mühsamen und gefährlichen Umweg via Mexiko. Der Grund: Hündin Mali, die er als seine Lebensretterin ansieht, weil sie den ersten Schuss vom ihm weglenkte, durfte nicht aus Belize in die EU einreisen.

Noch scheint sich die Hündin nicht ganz an die Südstadt gewöhnt zu haben. Sie wirkt unausgelastet, auch wenn die Spaziergänge hier länger ausfallen als auf Lark Caye. "Sie wird nervös, wenn es stockdunkel ist. Aber da geht es mir ähnlich", sagt Gusenbauer in seiner Zweizimmerwohnung mit dem hellerleuchteten Gang davor.

Was Glück für ihn bedeutet? "Wenn ich mit meinen Söhnen zusammen sein kann." An dieser Einschätzung hat sich seit dem Gespräch vor fünf Jahren nichts geändert. Doch dann fügt Gusenbauer noch an, als hätte er vergessen, diesen Satz im Buch unterzubringen: "Glück ist für mich aber auch, ohne Pistole aufs Klo gehen zu können."
(RONDO Exklusiv, Sascha Aumüller, 11.12.2022)