Erneuerbare Energie ersetzt fossile Energieträger. Das schlägt sich positiv in der CO2-Bilanz nieder und bringt eine dringende Entlastung für das Klima. Doch CO2 ist nicht der einzige Schadstoff, der beim Verheizen von fossilen Energieträgern wie Kohle anfällt. Dazu kommen Stickoxide, Schwefeloxide und Quecksilber, die gesundheitsschädlich sind.

Auch in den USA wird der Sektor der erneuerbaren Stromerzeugung ausgebaut. Etwa zehn Prozent der elektrischen Energie werden derzeit mittels Windkraft erzeugt – wie viel, hängt vom Wetter ab.

Ein Windpark neben dem Braunkohlekraftwerk Neurath in Deutschland.
Foto: IMAGO/Jochen Tack

Wenn Wind weht, hat das also konkrete Auswirkungen auf die Luftqualität in den USA, weil kalorische Kraftwerke heruntergefahren werden können. Anhand des Jahres 2014 hat nun ein Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) errechnet, dass die Vorteile für die Gesundheit der Menschen einem Wert von zwei Milliarden Dollar entsprechen.

In der Studie, die nun im Fachjournal "Science Advances" veröffentlicht wurde, verglich das Team die stündliche Leistung der Windturbinen mit der aus kalorischen Kraftwerken gewonnenen Energie zwischen den Jahren 2011 und 2017. Man betrachtete die Emissionen im ganzen Land und ordnete die Schadstoffe den betroffenen Bevölkerungsgruppen zu. Anschließend berechneten die Forschenden die regionale Luftqualität und die damit verbundenen Gesundheitskosten für die einzelnen Gemeinden.

Die konkrete Berechnung sei durchaus anspruchsvoll gewesen, berichtet das Team. So sei die Zuordnung, welche Kraftwerke wirklich aufgrund der vermehrt vorhandenen Windenergie zurückgefahren wurden, durch die komplexe Marktsituation schwierig gewesen. "Kalifornien und New York sind jeweils ein eigener Markt, während der Neuengland-Markt etwa sieben Staaten abdeckt und der Mittlere Westen mehr", sagt Minghao Qiu vom Forschungsteam.

Wirtschaftliche Entscheidung

Das Team beobachtete, dass, sobald Windenergie verfügbar war, vor allem Erdgas- und Kohlekraftwerke für Kohle mit geringem Kohlenstoffanteil ihre Leistung reduzierten.

Doch in der Regel richtet sich die Entscheidung, welche fossilen Kraftwerke weiterlaufen und welche ihre Produktion zurückfahren, nach wirtschaftlichen Interessen. Die Forschenden machen darauf aufmerksam, dass es auch möglich wäre, nach anderen Gesichtspunkten zu entscheiden. Sie verglichen verschiedene Szenarien, die den Gesundheitsvorteilen mehr Gewicht einräumen. Die Ergebnisse sind beachtlich: Würden statt der teuersten Kraftwerke die schmutzigsten heruntergefahren, könnte sich der positive Effekt auf die Gesundheit mehr als vervierfachen, mit einer Ersparnis von 8,4 Milliarden Dollar.

Auch in Österreich wird Windkraft, trotz Widerstandes in manchen Ländern, weiter ausgebaut. Neben CO2-Ersparnis kann das auch positive Effekte für die Gesundheit mit sich bringen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Allerdings gilt das nicht für alle Bevölkerungsgruppen. "Wir haben herausgefunden, dass die Priorisierung der Gesundheit bei der Energiegewinnung ein guter Weg ist, um die Gesundheitsvorteile in den USA insgesamt zu maximieren", sagt Studien-Erstautorin Noelle Selin. Allerdings ließen sich Ungleichheiten in der Bevölkerung, was die Gesundheitsbelastung durch Luftverschmutzung angeht, so nicht verhindern. "Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind einer höheren Luftverschmutzung ausgesetzt", erklärt Selins Kollege Qui, "und das sind Menschen mit niedrigem Einkommen und ethnische Minderheitengruppen. Wir sehen, dass der Ausbau der Windenergie diese Kluft in einigen Staaten verringern, in anderen Staaten aber weiter vergrößern könnte, je nachdem, welche fossilen Kraftwerke verdrängt werden."

Den positiven Effekt von Windenergie auf die Gesundheit zu erhöhen sei also möglich, berichten die Forschenden. Doch um die Ungleichheiten bei der Luftverschmutzung zu beseitigen, könne man sich nicht nur auf den Elektrizitätssektor oder erneuerbare Energien konzentrieren, sagt Selin: "Man muss auch andere Quellen der Luftverschmutzung sowie die zugrunde liegenden systemischen Faktoren berücksichtigen, die bestimmen, wo Anlagen stehen und wo die Menschen leben." (Reinhard Kleindl, 5.12.2022)