Es ist nicht mehr leicht festzustellen, wann die festlichste, vorgeblich stillste, meist hingegen hektischste Saison im Jahr tatsächlich beginnt. So wie es Erdbeeren im Winter gibt, wurden Weihnachtsbeleuchtungen in der Wiener Innenstadt inzwischen Anfang Oktober montiert, Maronistandln noch vor der Umstellung auf die Winterzeit aufgestellt, und ein paar Läden zwischen hier und Nevada haben Weihnachtsklimbim längst zum Ganzjahresgeschäftsmodell aufgerüstet.

In den meisten Büros fällt der Startschuss zum Jahrescountdown hingegen meist, sobald Last Christmas von irgendeinem Schreibtisch oder aus einer Kaffeeküche ertönte. Oft belächelt und ironisch kommentiert, von manchen strikt verweigert, stellt sich die Frage: Wozu eigentlich?

Seit Homeoffice in vielen Unternehmen zum Modus Operandi geworden ist, wird nach neuen Gelegenheiten der Gemeinsamkeit gesucht. Noch ist die Freiheit nach einem Jahrhundert des Nine-to-five-Korsetts sehr ungewohnt. Manche Manager sind hilflos, wenn sie ihre Schäfchen nicht in geschlossenen Abteilungen bei der Arbeit überwachen können. Nicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Einsamkeit vor dem Bildschirm daheim oder der mit Kind und Kegel geteilte kleine Arbeits- und Lebensraum ein Segen. Aus verschiedensten Gründen vermissen wohl ebenso viele das früher gewohnte Leben im Büro, wie andere ihre gewonnene Flexibilität genießen.

Weihnachtsrituale eignen sich darum gut als Übung für die neue Gemeinsamkeit in flexiblen Arbeitssituationen. Allerdings: Wer jetzt noch keine Weihnachtsfeier geplant hat, plant keine mehr – zu kurz die Vorlaufzeiten für größere Aktionen. Einige vorausschauende Firmen haben, aus Sorge vor neuen Coronawellen, bereits im Herbst ihre Partys geschmissen. Jedoch funktioniert weihnachtliches Zusammensein auf Vorrat eher schlecht als recht. Das Impfmodell gegen Corona – alle vier bis sechs Monate eine Auffrischung – kann uns als Muster dienen: In regelmäßigen Abständen boostern fördert das Wir-Gefühl im Unternehmen und die Resistenz gegen Quiet Quitting.

Naheliegende Weihnachtsbooster sind kleinere Weihnachtsfeiern im Team, After-Work-Verabredungen bei Weihnachtsstandln, Kekse bei Meetings und in der Kaffeeküche. Sicherheitsleute mögen Adventkränze mit echten Kerzen aus verständlichen Gründen nicht, aber die dunkle Zeit verträgt mehr Licht. Lichterketten und Ähnliches haben zwar immer auch etwas Lächerliches an sich, wirken aber trotzdem erhellend auf das Gemüt, sagt die Psychologie. Schließlich ist Weihnachten ursprünglich ein heidnisches Lichterfest zur Wintersonnenwende.

Kleine Geschenke

Let’s face it: Auch kleine Geschenke erhalten die gute Laune, und Weihnachten gibt dazu den Anlass. Einst war dies das sogenannte Weihnachtsgeld, die Weltkulturerbe-verdächtige heimische Besonderheit der verspäteten Auszahlung eines zurückgehaltenen Lohnanteils des monatlichen Gehalts. In den meisten Unternehmen wird dieses Pulver jedoch vorzeitig (meist im Oktober) verschossen, ist zu Weihnachten längst vergessen.

Auch hier helfen kleine Booster mit monetärem Charakter, als Firmengeschenk verpackt. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, von kulinarischen Feinkostpäckchen und Wein- und Champagnerboxen bis zu Gutscheinen für ein Wellnesswochenende. Im derzeit herrschenden Arbeitnehmermarkt tun Finanz- und Firmenchefs gut daran, ihre genetischen Neigungen zur Knausrigkeit fürs Personal zu überwinden und in die gute Laune der Mitarbeiterschaft zu investieren. Bitte keine Hinweise auf bevorstehende schwierige Zeiten – die bevorstehenden Zeiten sind aus Vorstandssicht immer schwierig, während solche Zuwendungen in den meisten Firmen de facto Peanuts sind.

Auch für die Vorgesetzten

Beschenkt man als Untergebener auch die Chefin (den Chef)? Gute Frage, klare Antwort: Auch diese (dieser) freut sich über Zuwendung, und kleine Weihnachtsgaben werden von den meisten Vorgesetzten als informelles Feedback für ihren positiven Führungsstil gesehen. Die Betonung liegt auf "kleine", persönliche Gesten, die nicht das Gefühl zurücklassen, mit der Gabe sei der Wunsch nach einer kräftigen Gehaltserhöhung verbunden. Ein gemeinsames Geschenk des Teams ist oft sinnvoller und verhindert mögliche individuelle Peinlichkeit.

Ein Tipp, der in unsere Zeit der Chatveröffentlichungen gut passt: In vielen Teams gibt es Whatsapp-Gruppen, über die im Laufe eines Jahres Gemeinsamkeit entsteht. Als gedrucktes Büchlein (es gibt dafür OnlineServices) ist dies eine nette Erinnerung an gemeinsame Zeiten (vorausgesetzt natürlich, Ihre Chatgruppe ist kein Fall für die WKStA).

Haben wir schon von Weihnachtskarten gesprochen? Wie Briefe und Blaupapier sind analoge Kartengrüße zunehmend der Digitalisierung zum Opfer gefallen. Aber nichts berührt so sehr wie ein paar handgeschriebene Worte zu Weihnachten, selbst wenn sie floskelhaft klingen.

Das gilt für interne Beziehungen ebenso wie für externe. Selbstproduzierte Weihnachtskarten geben Raum, um Kreativität auszuleben, und beim Schreiben fallen einem meist doch noch auch Worte ein, die mit dem konkreten Empfänger, der Empfängerin zu tun haben. Apropos Last Christmas: Vielleicht sehen wir uns ja bei einem Punschstand.

Foto: Getty Images

(Helmut Spudich, 3.12.2022)