Einen Blitz zu zeichnen ist nicht schwer: Eine Zickzacklinie, und schon weiß meist jeder, was damit gemeint ist. Ironischerweise ist der Ursprung dieses typischen Blitzmerkmals immer noch ein Rätsel. Warum pflanzen sich Blitze in einer Reihe von winkeligen Schritten von der Gewitterwolke zur Erde fort? Einen entscheidenden Hinweis zur Klärung dieser Frage könnten neue Untersuchungen geliefert haben.

Ein Blitz schlägt während eines Unwetters hinter einem Stadtteil von Athen ein.
Foto: EPA/GEORGE VITSARAS

Die Forschungen haben nicht allein akademischen Charakter: Wenn wir wissen, wie Blitzschläge ausgelöst werden, kann dies auch zu besseren Blitzschutzmaßnahmen bei Gebäuden, Flugzeugen und Menschen beitragen. Blitzeinschläge entstehen, wenn Gewitterwolken mit einem elektrischen Potenzial von mehreren Millionen Volt eine Verbindung mit dem Boden oder einem Objekt in der Luft herstellen.

Blitze in 50-Meter-Stufen

Aufnahmen von Blitzen offenbaren viele Details, die einem bloßem Auge entgehen. So zeigten Fotos etwa, dass einem Blitz normalerweise vier bis fünf schwächere "Vorblitze", sogenannte "Leader", vorausgehen. Diese sind verzweigt und verlaufen auf unregelmäßigen Wegen zur Erde. Der erste dieser Leader, der den Boden erreicht, leitet den eigentlichen Blitzschlag ein.

In den 1970er-Jahren offenbarten Hochgeschwindigkeitsaufnahmen, dass die Leader sich in "Schritten" von etwa 50 Meter Länge von der Wolke nach unten fortbewegten. Jeder dieser Abschnitte strahlt für eine Millionstelsekunde hell auf, um dann für 50 Millionstelsekunden fast völlig dunkel zu werden, gefolgt vom nächsten hellen Schritt. Wie es zur Bildung dieser stufenartigen Fortbewegung kommt und was während der dunklen Phasen zwischen den Schritten passiert, war bisher ein Rätsel.

Unwetter über der Lausitz im deutschen Freistaat Sachsen an der Grenze zu Polen.
Foto: IMAGO/Thomas Hurny

Sauerstoff im Ausnahmezustand

Die beiden Forscher John Lowke und Endre Szili von der University of South Australia haben nun herausgefunden, dass die Lösung im Verständnis dessen liegt, was beim Zusammentreffen eines energiereichen Elektrons mit einem Sauerstoffmolekül passiert.

Wie sie nun im "Journal of Physics D: Applied Physics" berichten, regen die starken elektrischen Felder in Gewitterwolken die Elektronen an, die wiederum bei genügend Energie das Sauerstoffmolekül in einen sogenannten Singulett-Delta-Zustand versetzen.

Während dieses metastabilen Zustands löst der Sauerstoff Elektronen aus negativ geladenen Sauerstoffionen. Diese Ionen werden praktisch sofort durch Elektronen ersetzt, die sich wieder an Sauerstoffmoleküle anlagern. Gerät mehr als ein Prozent des Sauerstoffs in diesen metastabilen Zustand, kann die Luft Elektrizität leiten. Die einzelnen hellen "Blitzstufen" entstehen dabei, wenn genügend metastabile Zustände erzeugt werden, um eine beträchtliche Anzahl von Elektronen loszulösen.

Säule bis zum Himmel

Während der dunklen Phase nimmt die Dichte an metastabilen Zuständen und damit an Elektronen wieder zu, bis nach 50 Millionstelsekunden die Luft den Strom erneut leitet. Die in den einzelnen Schritten erzeugten angeregten Moleküle bilden dabei eine Säule, die bis zur Wolke reicht. Die gesamte Säule, so die Forschenden, ist dann elektrisch leitend, ohne dass ein elektrisches Feld erforderlich ist, sodass nur wenig Licht emittiert wird. (tberg, 12.12.2022)

DER STANDARD