Nick Fuentes bei einer Kundgebung. Im Hintergrund die Fahne seines Programms "America First".

Foto: Jacquelyn Martin, AP

Er traf sich mit Ex-Präsident Donald Trump und gilt als Drahtzieher hinter den antisemitischen Aussagen von Kanye West: Nicholas Joseph Fuentes ist die zentrale Identifikationsfigur für eine rechtsextreme, rassistische, frauenfeindliche und nationalistische Troll-Armee, die den Sprung von der Online- in die Offline-Welt schaffen möchte. Ihr Ziel: konservative Kräfte mit reaktionären Ideen zu unterwandern. Doch wer ist der 24-Jährige, der es geschafft hat, binnen weniger Jahre zur Führungsfigur einer ganze Subkultur zu werden?

Seine Karriere begann der damals 17-jährige Fuentes im Jahr 2016 bei einem Radiosender seiner Highschool, wo er in seiner Sendung recht zahm auftrat und übliche konservative Ansichten vertrat – Mainstream, würde man heute dazu sagen. Doch Fuentes radikalisierte sich, seine Ansichten und Aussagen wurden immer extremer.

Dabei griff er zu einem in rechtsextremen Kreisen recht verbreiteten Mittel: Er tarnte seine Aussagen als Ironie. "Just kidding", nur ein Spaß, ist ein Satz den Fuentes gerne ans Ende seiner oft langen Monologe in seiner Show "America First" stellt. So riet er einem Zuseher seiner Sendung, er solle seine Frau schlagen, weil sie "aus der Reihe getanzt" ist. "Warum schlägst du sie nicht ins Gesicht. Warum verpasst du ihr nicht einen kräftigen Schlag mit der Rückhand, mit den Knöcheln – respektlos – und sorgst dafür, dass es ihr wehtut", riet er dem Zuseher. Nachsatz: Just kidding.

Extremer Hass auf Frauen

Fuentes gibt sich keine Mühe, seinen Hass auf Frauen zu verbergen. Er bezeichnet sich selbst als Teil der Internet-Subkultur der so genannten Incels, junger Männer, die laut eigenen Aussagen unfreiwillig keinen Geschlechtsverkehr haben, weil sie sich von Frauen zurückgewiesen fühlen – was in Hass umschlägt.

So sprechen Incels gerne von "weiblichen menschenähnlichen Geschöpfen", wenn sie Frauen meinen. Außer einem Kuss in der Highschool pflegt Fuentes laut eigenen Angaben keinerlei körperliche Intimität mit anderen Menschen. Frauen, findet Fuentes, sollte man überhaupt das Wahlrecht entziehen. Nachdem das US-Höchstgericht das Recht auf Abtreibung gekippt hat, meinte Fuentes: "Im Grunde haben wir so etwas wie die Taliban-Herrschaft in Amerika, auf eine gute Art und Weise."

"Als Kind liebte ich Hitler", sagt Fuentes.

Neben dem Hass auf Frauen hetzt Fuentes auch gegen Minderheiten und hängt der Verschwörungserzählung des "White Genocide" oder des "Großen Austauschs" an. Demnach soll die weiße Bevölkerung durch Massenmigration ausgetauscht werden – eine Erzählung, die in Österreich auch von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache weitergetragen wurde.

Selbst dem weit rechts stehenden Medienunternehmen Right Side Broadcasting Network waren die Ansichten von Fuentes zu radikal. Er rief "on air" zum Mord an "Globalisten" auf und forderte, dass man das Management des Nachrichtensenders CNN verhaften, deportieren und aufhängen solle. RSBN warf Fuentes daraufhin hinaus. Danach betrieb Fuentes bis 2018 einen Podcast namens "Nationalist Review". Ein Streit mit seinem Co-Podcaster James Walker Allsup, einem bekannten Rassisten und Anhänger des Nationalsozialismus, beendete diese Episode in Fuentes steiler Karriere bei den extremen Rechten.

Unterstützung durch den rechten Flügel der Republikaner

Danach fiel Fuentes immer wieder mit Aktionismus auf. So wurde er von einer Versammlung konservativer Politiker ausgeschlossen, nachdem er Journalisten bedroht hatte. Er eröffnete kurzerhand seinen eigenen politischen Event auf der anderen Straßenseite. "Ich habe nichts zu verlieren. Dies wird an diesem Wochenende die rassistischste, sexistischste, antisemitischste, den Holocaust leugnende Rede in ganz Dallas sein", kündigte er an.

2020 organisierte Fuentes seinen eigenen politischen Kongress, die America First Political Action Conference (AFPAC) und schaffte es, den rechten Rand der Republikanischen Partei abzuholen. So schickten die Abgeordnete zum Repräsentantenhaus und Verschwörungsideologin Marjorie Taylor Greene und die als rechtsextrem geltende stellvertretende Gouverneurin von Idaho, Janice McGeachin, bereitwillig Grußbotschaften zur Versammlung von Rassisten und Holocaustleugnern.

Kanye West ist einer der größten Fans von Nick Fuentes. Der junge Extremist soll mittlerweile sogar bei West eingezogen sein.
Foto: APA/AFP/SAUL LOEB

Das US-Justizministerium stuft Fuentes als Anhänger der White-Supremacy-Bewegung ein. Laut eigenen Angaben soll sich Fuentes auch auf der "No Fly List" der US-Bundespolizei FBI befinden. Das scheint Fuentes aber nicht weiter einzuschränken, er rekrutiert seine Anhänger in den dunklen Ecken von Social Media wie auf dem Imageboard 4Chan, Telegram sowie Truth Social, Rumble und Cozy.tv, einem Twitch-Klon für Vertreter der Alt-Right.

Denn auf den "Mainstream" Plattformen findet der Extremist nicht mehr statt: 2020 wurde Fuentes von Youtube verbannt, nachdem er schon auf Twitch und Reddit gesperrt wurde. Twitter ließ sich bis Juli 2021 Zeit und war damit eine der letzten Seiten, die Fuentes verbannte. Auch Zahlungsdienstleister wie Paypal, Venmo, Patreon und Coinbase kann Fuentes mittlerweile nicht mehr nutzen.

Der Anführer der Groyper Army

In den Online-Schmuddelecken versammelt Fuentes aber seine Anhänger, die sogenannte Groyper Army. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von weißen Rassisten, Nationalisten und Aktivisten, deren erklärtes Ziel es ist, die US-Konservativen mit rechtsextremer, homophober und antisemitischer Politik zu unterwandern. Fuentes ist aus internen Machtkämpfen, den "Groyper Wars", siegreich als der unumstrittene Anführer der Internet-Desperados hervorgegangen. "Wir müssen rechts stehen und gemäßigte Republikaner tretend und schreiend in die Zukunft schleppen. In die einer wirklich reaktionären Partei", sagte Fuentes über seine Armee der Trolle. Der Name "Groyper" kommt von einer grünen Kröte, die ähnlich wie der Frosch Pepe für rechtsextreme und rassistische Memes verwendet wird.

Nick Fuentes gilt als Idol der "Groyper Army".
Foto: Nicole Hester/Mlive.com

Zumindest einen Etappensieg dürfte Fuentes bei dem Plan zur Unterwanderung der Republikaner gelungen sein: Über Kanye West ist es dem jungen Radikalen gelungen, von Ex-Präsident Donald Trump zum Essen in dessen Anwesen Mar-a-Lago eingeladen zu werden. Dabei soll, bis auf eine kurze Auseinandersetzung, ausgelassene Stimmung geherrscht haben. Die Begegnung in Trumps Residenz in Florida soll etwa zwei Stunden gedauert haben. "Es war überwältigend", schwärmte Fuentes nun in seinem Podcast.

Trump geht auf Distanz

Trump, der 2024 noch einmal für das Amt des US-Präsidenten kandidieren will, streute seinem 52 Jahre jüngeren Gegenüber angeblich verbale Rosen: "Ich mag diesen Kerl wirklich. Er versteht mich", soll Trump über Fuentes gesagt haben. Trump hat diese Aussagen aber jüngst nach einem öffentlichen Aufschrei aber wieder relativiert. Er selbst hätte Fuentes zuvor nicht gekannt, dieser sei gemeinsam mit zwei weiteren Personen "überraschend" von Kanye West als Gast mitgebracht worden. Das Abendessen sei "schnell und ohne Vorkommnisse verlaufen", teilte Trump in einer Stellungnahme mit.

Dass Trump plötzlich auf Distanz geht, dürfte auch politische Ursachen haben: Fuentes hat seine Unterstützung für Kanye Wests Kandidatur bei der US-Präsidentenwahl 2024 zugesagt. Ganz überraschend kommt das nicht, denn Fuentes dürfte mittlerweile in ein Anwesen des 45-jährigen Rappers eingezogen sein. (Peter Zellinger, 12.12.2022)