Noch wurde kein Cent ausbezahlt, aber irgendwie wirken Österreichs Energiehilfen für Unternehmen schon veraltet. Diesen Eindruck gewinnt, wer heimischen Wirtschaftskapitänen, ihren Interessenvertretern und so manchen Ökonomen zuhört. Erst vor wenigen Tagen hat die Regierung die finalen Details des Energiekostenzuschusses für Betriebe präsentiert. Derzeit läuft die Antragsphase.

Doch eine breite Koalition, von der Wirtschaftskammer über die SPÖ bis hin zu Ökonomen wie dem Chef des Forschungsinstituts IHS, Klaus Neusser, fordert bereits, dass der Staat "nachlegt" und das nächste Hilfspaket schnürt. Die Argumentation klingt auf den ersten Blick schlüssig: Deutschland hat soeben neben einer Strom- auch eine Gaspreisbremse für seine Industrie beschlossen. Diese verschaffe deutschen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.

Der Druck scheint schon zu wirken. Tatsächlich berät die türkis-grüne Koalition bereits eine Ausweitung der Unternehmenshilfen.

Doch bei genauerer Betrachtung gibt es gute Gründe für den Staat, vorsichtig zu agieren und diesmal genauer abzuwägen, ob er noch mehr Geld gibt. Die Corona-Hilfen mögen da ein gutes Lehrbeispiel sein. Diese haben die Republik 47 Milliarden Euro gekostet – die Pro-Kopf-Ausgaben für Wirtschaftshilfen waren laut Statistikbehörde Eurostat 2020 in keinem europäischen Land so hoch wie in Österreich. Der Rechnungshof hat die Hilfen zerpflückt und hohe Überförderungen kritisiert. Um ein ähnliches Fiasko bei Energiehilfen zu vermeiden, gehören zunächst vier Fragen schlüssig beantwortet.

  • Ist Deutschland überhaupt spendabler?

Bemerkenswert an den Rufen nach weiteren Hilfen ist, dass Analysen dazu, wie sehr heimische Betriebe durch die deutsche Gaspreisbremse unter Druck geraten, fehlen. Die Forschungsinstitute Wifo und IHS haben dazu bisher nichts berechnet. Dabei ist es schon schwer genug zu bestimmen, ob die deutschen Regelungen überhaupt günstiger sind.

Zum Vergleich: In Deutschland wird der Preis für eine Kilowattstunde Gas für Industrieunternehmen auf sieben Cent reduziert, und zwar für 70 Prozent des bisherigen Gasverbrauchs. Der aktuelle Marktpreis liegt bei um die 14 Cent. Unternehmen ersparen sich also für den Großteil ihres Verbrauches einiges an Kosten. Diese Regelung gilt ab Jänner bis Ende 2023.

In Österreich wird kein Preis festgelegt, hier gibt es einen Zuschuss für entstandene Mehrkosten. Dabei werden den meisten Betrieben 30 Prozent der Mehrkosten für Energie abgenommen, und zwar für einen rückwirkenden Zeitraum: Februar bis Ende September 2022.

Die Vorgaben für die Höhe der Auszahlungen gibt das EU-Beihilfenrecht vor. Für mittelständische Unternehmen sind maximal zwei Millionen Euro erlaubt. Bei größeren Unternehmen ist Deutschland generöser.

Muss Österreich seine Industrie besser schützen: Darüber wird hitzig diskutiert.
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Hier rächt sich, dass Österreich sein Hilfspaket früh finalisiert hat. Die EU-Kommission hat die bestehenden Regelungen für Beihilfen nämlich vor kurzem geändert. Neu ist, dass für sehr große Betriebe auch bis zu 150 Millionen Euro an Hilfen aus Steuermitteln erlaubt sind. Österreich folgt noch den alten EU-Vorgaben, hier sind maximal 50 Millionen vorgesehen.

All das führt dazu, dass Deutschland nach aktuellem Stand mehr auszahlen wird. Laut Schätzung des deutschen Sachverständigenrates, eines Beratungsgremiums, wird die Gaspreisbremse 30 Milliarden Euro kosten. Umgelegt auf Österreich wären das drei Milliarden Euro. Das ist also umfassender als die heimischen Beihilfen, die 1,3 Milliarden ausmachen sollen.

Allerdings: Österreichs Hilfspaket gilt für 2022, auch wenn die Auszahlungen erst starten. Deutschland hatte 2022 kein vergleichbares Programm. Wenn Österreich nun also Deutschland nacheifert und einen neuen staatlichen Zuschuss für 2023 auflegt, würden wir wohl mehr Mittel aufwenden. Österreich könnte dann den neuen EU-Beihilferahmen nutzen, also wieder zwei Millionen für mittelständische Betriebe ausgeben, 150 Millionen für Großbetriebe. Dann wären wir generöser.

  • Wer verliert wirklich?

Kein Unternehmen will einen Wettbewerbsnachteil erleiden, das ist klar. Aber was genau steht auf dem Spiel, wenn Österreich mit Deutschland nicht mitzieht? Auch dazu fehlen Analysen. Das Problem lässt sich freilich etwas eingrenzen.

Viele Betriebe stehen in keinem Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen, also weder mit Anbietern aus Deutschland noch mit Anbietern aus anderen Staaten, wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ausführt. Das gilt zum Beispiel für Restaurants oder Friseurläden, hier greift das Argument mit dem Wettbewerbsnachteil nicht. Diese Betriebe können gestiegene Preise auf Kunden überwälzen. Bei großen Industriebetrieben gehören die Effekte der Gaspreisbremse dagegen analysiert, so Felbermayr.

Laut dem deutschen Ökonomen Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat die Maßnahme in Deutschland zwei gegenläufige Effekte: In einigen Branchen werden Konkurrenten deutscher Betriebe in Österreich einen echten Wettbewerbsnachteil erleiden. Zugleich werde die deutsche Industrieproduktion durch die Hilfen stabilisiert, "das hat auch positive Effekte für Österreichs Zulieferindustrie". Insgesamt überwiegen eher die Nachteile, schätzt er.

Österreichs Unternehmensvertreter erwarten, dass gasintensive Branchen mit Nachteilen rechnen müssen, also die Papier-, Zement- und Metallindustrie. Autozulieferern dürften dagegen keine Nachteile drohen, auch deshalb nicht, weil hier oft im Rahmen langfristiger Vertragsbeziehungen spezielle Produkte nach Deutschland geliefert werden. Der Kreis von Betrieben, die nachteilig betroffen sein können, ist also überschaubar.

Aber droht in den erwähnten energieintensiven Branchen der Verlust von Arbeitsplätzen, würden Unternehmen abwandern ohne neue Energiehilfen in Österreich, oder geht es nur darum, Gewinne zu stabilisieren? Das bleibt unklar. Die Voest zum Beispiel erwartete noch vor kurzem einen Gewinn von 2,3 Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2022/2023. Ein angeschlagenes Unternehmen sieht anders aus.

  • Wie wird Innovation gefördert?

Hohe Preise mögen lästig sein, sind im Idealfall aber ein Innovationstreiber. So haben die hohen Energiepreise auch in Österreich zu Einsparungen geführt. Zwischen September und Oktober sollen witterungsbereinigt zehn bis 15 Prozent des Gasverbrauchs in der Industrie eingespart worden sein, sagt Johannes Schmidt von der Wiener Universität für Bodenkultur. Das ist auch der Grund, weshalb das Wifo bis vor kurzem eine Gaspreisbremse skeptisch gesehen hat, weil die hohen Preise dafür sorgen, dass die Industrie schneller von dem Rohstoff loskommt. Verzögern Subventionen diesen Erfolg?

  • Braucht es eine Jobgarantie?

Im deutschen Modell gilt, dass die Beihilfen für große Betriebe nur unter Auflagen fließen. So müssen die Betriebe eine Arbeitsplatzgarantie im Umfang von 90 Prozent der Belegschaft bis 2025 abgeben, sonst sind die Förderungen zurückzubezahlen. Bisher gibt es solche Vorgaben bei den Förderungen in Österreich nicht. Weil Deutschland die Jobgarantie durchsetzt, dürfte auch Österreich bei neuen Hilfen unter dem gleichen Zugzwang stehen, sagt Felbermayr, weil ansonsten Unternehmen die Förderung in Österreich abholen könnten und dafür das Risiko besteht, dass sie Produktion nach Deutschland verlagern. (András Szigetvari, 10.12.2022)