Analysten gehen davon aus, dass alternative App Stores keine große Gefahr für Apple darstellen werden. Viele Fragen sind aber auch noch ungeklärt.

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Apple scheint sich jetzt schon darauf vorzubereiten, iPhones und iPads in der EU bis Ende 2023 für alternative App Stores zu öffnen. Hintergrund dafür sind neue Vorschriften der Europäischen Union, die im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) Anwendung finden werden. Nach außen hin mag das einen große Veränderung darstellen, Analysten rechnen aber mit geringen finanziellen Auswirkungen für das Unternehmen.

Der DMA und mögliche Milliardenverluste

Für das geschlossene Ökosystem von Apple brechen neue Zeiten an: War das Unternehmen bislang stets bemüht, die volle Kontrolle darüber zu behalten, verlangt die Umsetzung des DMA der EU ab 2024, dass große Technologieunternehmen, die "Gatekeeper", ihre Systeme für Mitbewerber öffnen. Profitieren sollen davon alle Endverbraucher: Im konkreten Fall bedeutet das, dass Apple-Kunden künftig Apps herunterladen können, ohne den App Store des Unternehmens nutzen zu müssen.

EU-Beamte gehen davon aus, dass Apple die neuen Regeln hart treffen könnte. "Sie (Anm.: Apple) befinden sich in einer Situation, in der es für sie nicht einfach sein wird, zu entkommen", sagte eine Person, die direkt an der Ausarbeitung der Regeln beteiligt war, der "Financial Times". Sie fügte hinzu, dass Apple dadurch möglicherweise jedes Jahr Milliarden von Dollar an Einnahmen einbüßen könnte.

Das Problem der Sicherheitsbedenken

Das klingt nach einer großen Bedrohung für Apple. In Cupertino habe man auch schon Teams eingerichtet, die sich eingehend mit der Einhaltung der neuen Gesetze befassen. Tatsächlich hat Apple aber schon auf andere Art große Vorarbeit geleistet. Denn selbst, wenn das Ökosystem für andere Stores dann geöffnet ist, müssen die gut eingeschworenen Kundinnen und Kunden erst einmal davon überzeugt werden, die sichere und einfache Nutzung von Apples eigenem Store zu verlassen.

Angelo Zino, Aktienanalyst bei CFRA, erwartet diesbezüglich keine großen Überraschungen "Die Auswirkungen werden letztendlich minimal sein, da die meisten Verbraucher Gewohnheitstiere und mit der Plattform sehr zufrieden sind", sagte er. Seinen Prognosen zufolge dürften weniger als 0,2 Prozent des Gesamtumsatzes von Apple von konkurrierenden App Stores in Europa beeinflusst werden. Auch Erik Woodring, Analyst bei Morgan Stanley, geht davon aus, dass kaum jemand alternative Stores nutzen würde und schätzt einen bevorstehenden Umsatzeinbruch im schlimmsten Fall auf ein Prozent.

Diese Sicherheitsbedenken sind es, worauf sich Apple stets beruft, wenn es um "Sideloading" geht. Dahinter steckt die Installation einer App auf einem mobilen Endgerät, ohne den eigentlich vom Hersteller vorgesehenen, nativen Store zu nutzen. Warnungen via Popup können Kundinnen und Kunden dabei zusätzlich verunsichern. Aufsichtsbehörden und Kritiker hingegen sind der Ansicht, dass diese Bedenken übertrieben sind.

Andere Einnahmequellen

Ganz ungeklärt ist in diesem Zusammenhang derzeit auch noch die Frage, wie und ob Apple die Provision von 15 bis 30 Prozent auf In-App-Käufe außerhalb des eigenen App Stores erheben könnte. Der DMA schreibt nämlich auch vor, dass die Gatekeeper Entwicklern die Möglichkeit geben müssen, Zahlungssysteme von Drittanbietern zu ermöglichen.

Laut Schätzungen des Analysten Sensor Tower flossen im vergangenen Jahr Transaktionen im Wert von etwa 10 Milliarden US-Dollar durch den App Store. Sollte Apple aufgrund der Gesetzeslage nicht anderes übrigbleiben, als Verluste aus bestehenden Quellen hinnehmen zu müssen, könnte man sich möglicherweise dazu entschließen, andere Einnahmequellen zu erschließen. Demnach könnte Apple etwa ein Provisionsmodell für Apps einführen, die bisher nichts zahlen mussten.

Die Suche nach der Lücke

Wirklich hart treffen würden Apple nur konkrete Verstöße gegen den DMA, bei denen den Tech-Riesen Bußgelder in der Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes drohen können, bei "wiederholten Verstößen" sollen es sogar 20 Prozent sein. Demnach ist damit zu rechnen, dass Apple sich an den DMA halten, aber einen minimalistischen Ansatz verfolgen und mögliche Gesetzeslücken suchen wird.

Zwar wird sich das Unternehmen im Hintergrund maximal auf mögliche Szenarien vorbereiten, aber letztlich diejenige Methode zur Anwendung kommen lassen, die "Externen" innerhalb des neuen gesetzlichen Rahmens möglichst wenig Spielraum im eigenen Ökosystem gibt.

Konkurrent Google erlaubt über sein Betriebsystem Android seit Jahren Sideloading auf Telefonen und dennoch stammen 90 Prozent der Downloads aus dem Google Play Store, wie Epic Games im Rechtsstreit gegen Apple vor Gericht behauptet hat. Es ist davon auszugehen, dass auch Apple zumindest die Kundinnen und Kunden in so einem Fall auf seiner Seite haben dürfte. (bbr, 17.12.2022)