Manche Flüssigkeiten, etwa Öl und Eigelb, vermischen sich nur widerwillig. Für eine cremige Mayonnaise muss man das Öl in winzige Tröpfchen aufschlagen.
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Das Zerteilen von Flüssigkeiten und Gasen in immer kleinere Tropfen und Blasen begegnet uns ständig in der Natur und im Alltag: beim Duschen oder wenn man eine Sprühflasche benutzt, um eine Flüssigkeit in der Luft zu verteilen, ebenso wie in einem Fluss oder im Meer, wenn beim Brechen von Wellen Gasblasen entstehen. Auch bei der Herstellung von Kosmetika und Lebensmitteln spielt das Aufbrechen von Tropfen eine entscheidende Rolle – besonders dann, wenn es darum geht, Flüssigkeiten zu vermischen, die das normalerweise ungern tun, etwa Öl und Eigelb in Mayonnaise.

Simulationen lassen tiefer blicken

Bisher hatte man vermutet, dass die Aufspaltung in immer kleinere Tröpfchen oder Gasbläschen irgendwann an eine Grenze stößt, was experimentell jedoch schwer umzusetzen ist. Wo man mit Versuchen nicht mehr weiterkommt, können jedoch Computersimulationen tiefer blicken lassen: Forscher von der Universität Bremen haben nun ein Modell entwickelt, das exakte Vorhersagen über den Zerfall von Tropfen in turbulenten Strömungen ermöglicht. Das überraschende Ergebnis der im Fachjournal "Science Advances" präsentierten Studie: Es gibt offenbar keinen Zeitpunkt, an dem Flüssigkeitstropfen nicht weiter in noch kleinere Tropfen zerfallen können.

Die Grafik zeigt einen Tropfen, der in einer Turbulenz aufgespalten wird.
Grafik: ZARM, Universität Bremen

Den beiden Physikern Marc Avila und Alberto Vela-Martín vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Uni Bremen ging es vor allem um folgende Fragen: Zu welchem Zeitpunkt zerfällt ein Tropfen oder eine Blase tatsächlich in kleinere Teile? Und erreicht der Zerfall schließlich einen Endzustand, in dem die Tropfen so klein sind, dass sie sich nicht mehr weiter aufspalten? Bisher hatte man vor allem in Experimenten Antworten gesucht, aber die Verfolgung von Tropfen in einer turbulenten Umgebung ist äußerst schwierig. Außerdem ist eine große Menge an Messdaten erforderlich, um statistisch zuverlässige Aussagen über den Aufspaltungsprozess zu treffen.

Schwierige Experimente

Erschwerend kommt hinzu, dass bei den Experimenten viele Parameter berücksichtigt werden müssen, wie die Art der gewählten Flüssigkeit und ihre Eigenschaften wie beispielsweise ihre Dichte und Oberflächenspannung, die Tropfengröße und der Turbulenzgrad der Strömung. Infolgedessen liegen nur wenige Daten über das Aufbrechen von Tropfen und Blasen in turbulenten Strömungen vor, was detailliertere Erkenntnisse des Phänomens behindert und Vorhersagen erschwert.

Ein neuer von Vela-Martín entwickelter Computercode ist nun in der Lage, Tausende von Versuchsszenarien für das Aufbrechen von Tropfen zu simulieren. Als wichtigste Erkenntnis konnte anhand der neuen Simulationen gezeigt werden, dass der Teilungsprozess der Tropfen keinen Endzustand erreicht und – anders als bisher gedacht – bei langen Zeitskalen zwar immer langsamer, aber eben doch kontinuierlich fortläuft.

Video: grenzenloser Tropfenzerfall in Turbulenzen.
ZARM

"Unwissende" Tropfen

Die früher postulierte Mindestgröße eines stabilen, nicht weiter zerfallenden Tropfens (wobei die Tropfengröße dann jeweils von den Eigenschaften der Flüssigkeit und dem Turbulenzgrad der Strömung abhängt) scheint es demnach also nicht zu geben. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Turbulenz den Tropfen oder die Blase auseinanderreißen wird, zu jedem Zeitpunkt gleich groß ist.

Der einzelne Tropfen "weiß" also nicht, wie lange er der turbulenten Strömung schon ausgesetzt ist, er ist sozusagen "gedächtnislos". Was bedeuten die neuen Ergebnisse übertragen auf das Beispiel der Mayonnaise? Je länger man die Mayonnaise rührt, desto cremiger wird sie. Für eine "unendlich cremige Mayonnaise" braucht man also nur sehr viel Geduld. (red, 19.12.2022)