Rund um die Feiertage neigt man zu Blitzentscheidungen.

Foto: Istock/Getty Images Fotograf: GCShutter

"Meine Ex hat mir ein SMS geschickt", erzählt Freundin N. "Sie wünscht mir frohe Feiertage. Außerdem schreibt sie, dass sie mich vermisst." — "Oh weh", stöhne ich. Schließlich handelt es sich nicht um irgendeine Ex, sondern um sie. Unreif, rücksichtslos und manipulativ, lauten die freundlichsten Attribute, mit denen wir diese "bitch" in unserem Bekanntenkreis bedachten. Mutlos erinnere ich N. an ihre abgefackelte Wohnungstür und an all die "Arbeitskolleginnen", mit denen sie unsere N. im Laufe von drei Jahren betrog. Mutlos deshalb, weil ich aus eigener Erfahrung weiß: Zu keiner anderen Jahreszeit ist der Mensch so anfällig für schlechte Angebote wie im Winter.

Handschellensaison

Wenn morgens am Fenster die Frostblumen blühen, wenn all die vermeintlich glücklichen Kleinfamilien auf Skihütten fahren oder zu den lieben Verwandten ins Burgenland — dann macht sich unter vielen Singles diese beängstigende Leere breit. Sie fragen: Lebe ich richtig? Könnte ich nicht schöner Energie sparen mit jemandem zum Kuscheln im Bett? Auch Dating-Plattformen haben jetzt Hochsaison.

Dennoch warnen die Betreiber seriöser Beziehungsportale: "Rund um die Festtage neigen Männer und Frauen zu Blitzentscheidungen. Unser Rat, um Enttäuschungen zu vermeiden: Gehen Sie keine vorschnellen Beziehungen ein. Lassen Sie neue Bekanntschaften zumindest bis ins Frühjahr auf sich wirken." US-Psychologen nennen die Wintermonate auch "cuffing season" (Handschellensaison). Um nicht alleine durch den Nebel zu stapfen, sind Flirtwillige allzu schnell bereit, "Nägel mit Köpfen" zu machen – das heißt, jedem halbwegs entzückenden Gegenüber sofort die Handschellen anzulegen oder sich selbst die Handschellen anlegen zu lassen.

Emotionale Staubsauger

Noch besser trifft auf meine Freundin N. der zweite englische Fachbegriff aus dem Reich der Dating-Missverständnisse zu: "hoovering" (von der Staubsaugermarke Hoover). Es bedeutet, frühere Beziehungen aufzuwärmen, um diese während eines überschaubaren Zeitraums noch einmal gefühlsmäßig auszubeuten. Auch das ein toxisches Mikrowellen-Menü, das besonders gerne im Winter serviert wird. "Staubsauger"-Menschen erreichen ihr Ziel, indem sie halbherzig in Aussicht stellen, dass diesmal alles anders wird: besser, schöner, inniger.

Wer weiß, wie sich meine Freundin N. entscheiden wird? Die Fallstricke von zweiten und dritten Beziehungsrunden kenne ich nur zu gut. Und deshalb erinnere ich N. an diesen Satz von Albert Einstein: "Die Definition von Wahnsinn ist: Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." (Ela Angerer, 22.12.2022)