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Ist die Aufregung um große politische Affären vorbei, sind sie es in der Sache meist (noch) nicht. Was sich nach dem Abebben der breiten Aufmerksamkeit in wichtigen Causen getan hat – von Cobra-Umtrunk über Senioren- und Wirtschaftsbund bis hin zu Wien Energie.

Causa Cobra: Der Umtrunk der Kanzlergattin

Heuer im März bauten zwei Personenschützer des Kanzlers betrunken einen Unfall. Es war nichts Schwerwiegendes, nur ein Blechschaden, der beim Ausparken passiert ist. Der Fall erhielt dann aber Brisanz, weil die beiden Beamten zuvor mit der Ehefrau des Kanzlers, Katharina Nehammer, in der Wohnung der Familie angestoßen hatten. Dazu kamen jede Menge Vorwürfe in einem anonymen Schreiben.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) machen betrunkene Cobra-Beamte zu schaffen.
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Darin heißt es, dass die mittlerweile versetzten Cobra-Beamten nicht nur für Familienangelegenheiten der Nehammers zweckentfremdet worden sein sollen. Sondern dass auch der Kanzler bei der Cobra interveniert habe, um den Unfall der Männer zu verschleiern – was dieser von sich weist. Die Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht wegen Amtsmissbrauchs gegen Cobra-Chef Bernhard Treibenreif. Ihm wird vorgeworfen, bei der mutmaßlichen Verschleierung mitgeholfen zu haben. Treibenreif bestreitet das.

Die Ermittlungen kommen seit Monaten nicht vom Fleck, laufen aber weiter. In der Causa wird bisher niemand als Beschuldigter geführt.

Hygiene Austria: Maskenaffäre und Steuerjäger

Den Maskenhersteller Hygiene Austria gab es erst einige Monate, als die Produktionshalle in Wiener Neudorf zum ersten Mal von Kriminalbeamten wegen mutmaßlich organisierter Schwarzarbeit gefilzt wurde. Die Ermittler erwischten dort auch zufällig Mitarbeiter dabei, wie sie gerade FFP2-Masken aus China unter die eigene Ware mischten. Der gute Ruf des einstigen Hoffnungsträgers der heimischen Politik in der Corona-Pandemie war dahin.

Das ist bald zwei Jahre her. Die Ermittlungen dauern aber weiter an, heißt es von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wohl auch, weil die Affäre dazwischen um einen schweren Vorwurf reicher wurde. Im September 2021 durchsuchten Korruptionsjäger die Hygiene Austria abermals. Aber erst durch STANDARD-Recherchen wurde öffentlich, dass es um mutmaßliche Steuerhinterziehung durch Firmeneigentümer Palmers geht – konkret um fast 700.000 Euro an Zoll und Einfuhrumsatzsteuer für 37 Millionen FFP2-Masken. Der Unterwäschekonzern bestreitet die Vorwürfe.

Operation Luxor: Groß inszeniert, wenig dahinter

Sieben Tage nach dem jihadistischen Terroranschlag in Wien im November 2020 inszenierte sich Karl Nehammer, heute Kanzler, im Innenministerium wie ein US-Präsident. Nehammer ließ sich ablichten, als er über einen an die Wand geworfenen Livestream Razzien schwerbewaffneter Cobra-Beamter mitverfolgte.

Die sogenannte Operation Luxor sollte ein Schlag gegen mutmaßliche Muslimbrüder und angebliche Mitglieder der terroristischen Hamas sein. Zumindest bisher hat sich das aber nicht erhärtet. Mehr als zwei Jahre nach den Razzien sind die Ermittlungsergebnisse noch äußerst dürftig.

Von den Verfahren gegen hundert Beschuldigte, die für die Behörden alle als Terroristen gelten, mussten bereits mehr als 20 eingestellt werden. Niemand wurde verhaftet. Gemäß Aktenlage dürfte eine Anklage durch die Grazer Staatsanwaltschaft zudem in weiter Ferne liegen – sollte es überhaupt je dazu kommen. In die Aktion flossen aber jede Menge Ressourcen. Allein die umfangreiche Telefonüberwachung kostete mehr als eine halbe Million Euro Steuergeld.

Wien Energie: Dramatischer Finanz- und Prüfbedarf

Für die erfolgsverwöhnte Wiener SPÖ war es die bisher größte Panne in der Ära Michael Ludwig. Im Sommer wurde publik, dass die Wien Energie einen dramatischen Finanzbedarf hat. Einen so großen, dass Kredite im Umfang von 1,4 Milliarden Euro, die der Bürgermeister dem städtischen Versorger ohne Information an die Öffentlichkeit gewährt hatte, im Ernstfall nicht mehr gereicht hätten. Der Bund half mit einem Zwei-Milliarden-Euro-Darlehen aus – was die ÖVP genüsslich ausschlachtete, während die überraschte SPÖ eine Kommunikationslinie suchte.

Michael Ludwig (SPÖ) könnte zu leichthändig Stadtkredite gewährt haben.
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Inzwischen ist die Causa aus den Schlagzeilen auf die Schreibtische von Prüferinnen und Ermittlern verschwunden. Sowohl beim Bundes- als auch beim Stadtrechnungshof laufen Verfahren. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen vermuteter grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gegen unbekannt. Und im Rathaus durchleuchtet eine Untersuchungskommission die Geschehnisse. Die Wien Energie hat unterdessen ihre Schulden bei der Stadt abbezahlt, das Darlehen vom Bund wurde "nicht angegriffen".

Dubiose IS-Schläferzelle: Anschlagspläne, die es nicht gab

Die "Kronen Zeitung" wollte ihre Leserinnen und Leser heuer im Juni offenbar maximal verunsichern. Damals berichtete das Boulevardblatt davon, dass es den österreichischen Sicherheitsbehörden gelungen sei, einen jihadistischen Terroranschlag beim Wien-Marathon zu vereiteln. Ein beklemmender Gedanke nach den Ereignissen des 2. November 2020 in Wien. Nur stimmte die Geschichte so nicht.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) lobte zwar den "Beitrag" des Staatsschutzes. Laut einem zeitgleich erschienenen Agenturbericht sei der Wien-Marathon aber nie ein konkretes Anschlagsziel gewesen. Von der angeblichen irakischen Attentätergruppe soll sich zudem ein Gefährder in Österreich befinden, der aber nicht in Haft kam, obwohl die Zelle Anschläge plane. Die Ermittlungen würden noch laufen, hieß es.

Das hat sich nicht geändert. Die "Erhebungen und die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Sicherheitsbehörden" seien noch nicht abgeschlossen, teilt das Innenressort mit. Von der Causa blieb bisher vor allem große Verwirrung.

Wirtschaftsbund: Inserate und Spiele im Ländle

Das Jahr 2022 war noch nicht alt, da begann im Vorarlberger Wirtschaftsbund eine Steuerprüfung, die erst acht Monate später abgeschlossen sein sollte. Das Ergebnis: Die ÖVP-Teilorganisation muss mindestens 770.000 Euro an Steuern zurückzahlen. Dabei geht es einerseits um Umsatz-, andererseits um Körperschaftssteuer, die für Inserate im Magazin des Wirtschaftsbunds seit 2016 zu zahlen gewesen wäre. 106.000 Euro Abgaben sind dann noch für die Zahlungen an die ÖVP hinzukommen. Alle Steuerschulden wurden bereits bezahlt.

Markus Wallner (ÖVP) steckt in einer Inseratenaffäre.
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Abgesehen von den Nachzahlungen hatte die Causa weitreichende politische Folgen im Ländle. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) überstand ein Misstrauensvotum und wurde beschuldigt, selbst für das Magazin Inserate gekeilt und dafür Gefälligkeiten in Aussicht gestellt zu haben. Hier könnten die Ermittlungen bald eingestellt werden, Wallner sprach stets von einer Lüge. Die finanzstrafrechtlichen Ermittlungen wegen Abgabenhinterziehung laufen allerdings noch weiter. Seit Dezember gibt es ein neues Führungsduo im Wirtschaftsbund.

Seniorenbund: Konsequent blockieren

Worin liegt der Unterschied zwischen dem Seniorenbund Oberösterreich als ausgewiesener ÖVP-Teilorganisation und dem gleichnamigen Verein? Mit freiem Auge lässt sich da nichts erkennen. Dennoch verharrt der Seniorenbund seit Monaten auf dem Standpunkt, dass die Organisationen völlig getrennt voneinander zu betrachten seien.

Diese Frage soll nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat im Kanzleramt endgültig klären. An allerlei Ortsgruppen des oberösterreichischen Seniorenbunds flossen nämlich fast zwei Millionen Euro aus einem Corona-Hilfsfonds für gemeinnützige Organisationen, der explizit nicht für parteinahe Strukturen gedacht war. Das Ressort des grünen Vizekanzlers Werner Kogler prüft seither eine Rückforderung der Zahlungen.

Dagegen lehnten sich auch die Tiroler Jungbauern auf, die man zum ÖVP-Bauernbund zählen kann. Die Organisation bekam 816.752 Euro aus dem Fördertopf. Mittlerweile haben laut Koglers Büro 14 der 119 Jungbauernvereine 80.000 Euro an Fördergeldern zurückbezahlt. (Lara Hagen, Jan Michael Marchart, Stefanie Rachbauer, 28.12.2022)