Adrian Goiginger hat sich mit seinem dritten Spielfilm den Traum erfüllt, die Geschichte seines Urgroßvaters zu erzählen.

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"Wir waren auf die Geburtszeiten der Füchse angewiesen. Im Film wächst der Fuchs. Der Dreh hat ihn beim Älterwerden begleitet." Regisseur Adrian Goiginger.

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Der dritte Spielfilm des Salzburger Filmemachers Adrian Goiginger hat ihm und den Schauspielern einiges abverlangt. Die Geschichte von Goigingers Urgroßvater, der als Wehrmachtssoldat zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im besetzten Frankreich einen Fuchswelpen aufzog, ist ab 13. Jänner in den österreichischen Kinos zu sehen.

Hauptdarsteller Simon Morzé habe das Aufziehen von Füchsen und den Pinzgauer Dialekt erlernt sowie als Knecht gearbeitet, erzählt Goiginger im Gespräch mit dem STANDARD. Er selbst arbeite seit seinem 17. Lebensjahr an dem Projekt. Sein nächster Film mit Voodoo Jürgens in der Hauptrolle werde leichtfüßiger.

STANDARD: Ihr dritter Spielfilm "Der Fuchs" feiert am 7. Jänner Vorpremiere in Salzburg. Aber eigentlich hätte er bereits früher anlaufen sollen. Was ist dazwischengekommen?

Goiginger: Corona und die Finanzierung. Das Budget war sehr eng und wäre ein Risiko gewesen. Dann ist im Frühjahr 2020 Corona gekommen. Wir gingen auf Nummer sicher und haben den Dreh verschoben. Wir waren auf die Geburtszeiten der Füchse angewiesen. Füchse kommen nur im Frühjahr zur Welt. Daher haben wir zwölf Monate später im April starten müssen, damit wir im Fuchszyklus sind. Im Film wächst der Fuchs. Der Dreh hat ihn beim Älterwerden begleitet.

STANDARD: Wie war es, mit Füchsen zu drehen?

Goiginger: Extrem anstrengend. Das mache ich nie wieder. Vor allem mit wilden Tieren zu drehen. Ein Fuchs ist ja kein Hund, den kann man nicht dressieren. Das geht nur durch Vertrauen. Die Füchse müssen den Schauspieler kennen. Simon Morzé hat sich zweieinhalb Jahre vor Drehbeginn vorbereitet. Er hat die Füchse mit großgezogen, damit sie, wenn sie erwachsen sind, keine Angst vor ihm haben. Alle fünf Füchse waren an den Schauspieler gewöhnt. Trotzdem war es beim Dreh wahnsinnig anstrengend. Immer alles mit "closed set", also mit ganz wenigen Leuten am Set. Was man normalerweise nur bei Sexszenen macht, hatten wir immer, damit wir die Füchse nicht verschrecken.

"Hauptdarsteller Simon Morzé hat die Füchse mit großgezogen, damit sie, wenn sie erwachsen sind, keine Angst vor ihm haben", sagt Adrian Goiginger.
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STANDARD: Es ist die Geschichte Ihres Pinzgauer Urgroßvaters, der einen jungen Fuchs aufzieht. Hat Ihr Uropa das noch selbst erzählt?

Goiginger: Ja, er hat mir das noch erzählt. Ich habe das auf Band. 2008 hab ich angefangen. Ich war 17 Jahre alt und wollte schon damals einen Film daraus machen. Ich habe viele Fotos gesammelt und über Jahre immer wieder nachgefragt. Für ihn war es sehr aufwühlend, das zu erzählen, aber ich habe es ihm nicht aus der Nase ziehen müssen. 2017 habe ich begonnen, das Drehbuch zu schreiben.

STANDARD: Der Film ist ein irre langes Projekt.

Goiginger: Ja, irre, 15 Jahre. Deshalb bin ich so nervös, viel nervöser als bei Die beste aller Welten. Es ist die allererste Filmidee, die ich je hatte. Mir war klar, das kann nicht mein erster Film sein. Es ist zu aufwendig, zu teuer, zu viel, zu groß. Nach meinem Debüt habe ich gemerkt, jetzt könnte ich die Chance haben, diesen Film zu machen. Viele meinten, er sei unmachbar, weil es ein Arthouse-Film ist, aber ein Budget von einem großen kommerziellen Film hat. Mit 18 Finanzierungspartner und ganz viel kreativer Energie ist es sich ausgegangen.

STANDARD: Ich stell es mir schwer vor, eine Besetzung für eigene Familienmitglieder zu finden. Wie gehen Sie da vor?

Goiginger: Ich habe eine ganz tolle Casterin, Angelika Kropej, die mir da viel hilft. Bei meinem Urgroßvater habe ich mit der Besetzung angefangen. Simon Morzé hat lange casten müssen. Der Tiertrainer aus Niederösterreich musste ihn auch akzeptieren. Auf Fotos hab ich dann gesehen, dass mein Ururgroßvater dem Markovics total ähnlich schaut. Deshalb hab ich den Karl gecastet. Schwierig war noch für meinen Uropa als Siebenjähriger einen Buben zu finden, der das schauspielerisch kann, den Pinzgauer Dialekt spricht und dem Simon Morzé ähnlich schaut. Da haben wir bei einem Casting im Pinzgau den neunjährigen Max Reinwald aus Saalbach-Hinterglemm gefunden. In so einem jungen Alter kann man den Dialekt nicht beibringen, das muss man können.

STANDARD: Musste Simon Morzé den Pinzgauer Dialekt lernen?

Goiginger: Ja, er ist gebürtiger Wiener. In der Vorbereitung ist er für vier Monate auf einen Bergbauernhof bei Taxenbach gezogen, hat dort als Knecht gearbeitet und Pinzgauerisch gelernt. Eine Sprachforscherin hat mit ihm ein Dialekt-Coaching gemacht. Genauso mit Karl Markovics, der es aber ein bisschen leichter hatte, weil es weniger Text war.

Der neunjährige Pinzgauer Max Reinwald spielt Goigingers Urgroßvater als Kind. Doch gedreht wurden die Szene auf der Alm nicht im Pinzgau, sondern im Pongau.
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STANDARD: Wurde auch im Pinzgau und in Frankreich gedreht?

Goiginger: In Frankreich konnten wir nicht drehen wegen Corona. Ich hatte schon Locations in der Normandie, aber mit den Grenzübertritten war das zu gefährlich. An der Nordsee und in Nordrhein-Westfalen wurde gedreht, und Teile Frankreichs wurden in Niederösterreich bei Zwettl nachgebaut. Im Pinzgau haben uns jedes Tal und jeden Bergbauernhof angesehen. Aber es war alles zu neu, zu renoviert oder zu touristisch. Lauter Luxushotels und Chalets. Dann sind wir zum Glück in Großarl fündig geworden.

STANDARD: Aktuell haben Sie mit Voodoo Jürgens bereits den nächsten Spielfilm "Rickerl" in Wien abgedreht. Erstmals eine Komödie. Tut der Genrewechsel gut?

Goiginger: Absolut. Der Fuchs war der Film, der mich emotional am meisten gefordert hat. Die lange Zeit der Vorbereitung und Corona haben uns total erwischt. Das war total anstrengend. Die ersten drei Filme sind Tragödien, wo wahre Geschichten erzählt werden, die zwar hoffnungsvoll enden, aber wehtun. Das macht mit mir selbst auch etwas. Ich habe gemerkt, ich brauche etwas Lustiges. Rickerl ist keine Schenkelklopferkomödie. Voodoo Jürgens sagt, es ist gar keine Komödie – da sind wir uns ein bisschen uneinig. (lacht) Aber es ist jedenfalls eine fiktive und leichtere Geschichte, wo es ums lustvolle Scheitern eines Musikers geht. Es hat Spaß gemacht, das zu drehen.

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STANDARD: Ein Thema, das eine wiederkehrende Rolle spielt, auch bei Rickerl wieder, ist die liebevolle Beziehung zum Sohn. Warum ist das so ein bestimmendes Thema?

Goiginger: Sie sind nicht die Erste, die mich darauf anspricht. Vielleicht weil ich selbst ohne Vater aufgewachsen bin. Dafür war die Mutter der Dreh- und Angelpunkt in meiner ganzen Kindheit. Irgendwie scheint mich das zu begleiten. Bei Rickerl ist es auch inspiriert vom wahren Leben von Voodoo Jürgens, der auch früh ein Kind hatte, um das er sich gekümmert hat. Es macht mir auch wahnsinnig Spaß, mit Kindern zu arbeiten. Es ist erfüllend, mit ihnen zu drehen. Jeder Mensch ist sehr stark von seiner Kindheit und der Beziehung zu seinen Eltern geprägt.

STANDARD: Wie wird es weitergehen? Gehen Ihnen die Verwandten für Filme schon aus?

STANDARD: (lacht) Ja, jetzt ist es mal genug mit den Familiengeschichten. Ich hätte jetzt große Lust, ein Drehbuch zu verfilmen, dass ich nicht selbst geschrieben habe. Es gibt eines, wo ich gerade dran bin: Die Buchvorlage ist von Barbara Pachl-Eberhart, Vier minus drei. Die Geschichte einer Mutter, die bei einem Autounfall ihren Mann und ihre zwei Kinder verloren hat und plötzlich ganz alleine ist. Das Drehbuch wird gerade geschrieben. (Stefanie Ruep, 4.1.2023)