Die Polizei muss Vorwürfe klären. Eine Beschwerdestelle zu Polizeigewalt gibt es nach wie vor nicht.

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Wien – Im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten im Dr.-Franz-Koch-Hof in Wien-Floridsdorf in der Silvesternacht – Jugendliche und junge Erwachsene sollen Polizisten mit pyrotechnischen Gegenständen beworfen haben – gibt es nun auch Vorwürfe gegen die Polizei. Handyvideos zeigen, wie Burschen geschubst, von einem Beamten in Zivil mit einem Schlagstock drangsaliert und beschimpft werden. Eine unabhängige Beschwerdestelle, die diese Vorgänge prüfen könnte, existiert nach wie vor nicht.

Dabei hatte das Innenministerium schon im Mai 2020 angekündigt, Fälle von erwiesener oder behaupteter Polizeigewalt würden in naher Zukunft von einer unabhängigen Prüfstelle untersucht. Eine solche wurde für die erste Jahreshälfte 2021 in Aussicht gestellt. Das Innenministerium versprach sich davon "eine Spezialisierung und Professionalisierung bei der Aufklärung von möglichen Polizeiübergriffen", wie es seinerzeit hieß.

Corona verzögert

Darauf angesprochen, bekräftigte das Innenministerium am Mittwochnachmittag, die unabhängige Beschwerdestelle sei Teil des Koalitionsabkommens. Zur Umsetzung sei eine Projektarbeitsgruppe eingerichtet und ein Konzept der Beschwerdestelle geplant beziehungsweise entwickelt worden. Die Corona-Pandemie hätte aber bis zum Spätsommer 2022 eine "zeitliche Verzögerung" bewirkt, zumal der Projektentwurf in unterschiedlichen Gremien und mit Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Grund- und Freiheitsrechte beraten werden musste. Deren Empfehlungen sollten in den Projektvorschlag einfließen – "zur Gewährleistung der Verfassungskonformität der geplanten unabhängigen Untersuchungsstelle", wie das Innenministerium in einer der APA übermittelten Stellungnahme betonte.

Zum aktuellen Stand gab das Ministerium bekannt: "Derzeit ist es so, dass die Verhandlungen fortgesetzt wurden und bereits einige wichtige Punkte final vereinbart wurden." Die regierungsinterne Abstimmung sei im Laufen. Weiter offen scheint damit, wann die überfällige Beschwerdestelle konkret ihre Arbeit aufnehmen soll.

NGOs fordern Unabhängigkeit

Menschenrechtsorganisationen und NGOs verlangen seit Jahren bei Verdacht auf Polizeigewalt unabhängige, weisungsfreie Erhebungen und kritisieren, dass bei entsprechenden Verdachtsfällen von polizeilichen Dienstbehörden gegen Kollegen aus den eigenen Reihen ermittelt wird.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind in dieser Sache aktuell keine Erhebungen anhängig – auch nicht gegen die Teenager und jungen Erwachsenen, die gegen die Polizei vorgegangen sein sollen. Man warte auf den polizeilichen Abschlussbericht, sagte eine Behördensprecherin. (APA, 4.1.2023)