Das Testen von Einzelpersonen mache aktuell aus virologischer Sicht keinen Sinn, finden Fachleute. Viel wichtiger sei es, mögliche neue Varianten zu screenen.

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Anfang Dezember hat die chinesische Regierung ihre strenge Lockdown-Politik zur Eindämmung des Coronavirus beendet. Am Sonntag sollen die Grenzen für Einreisen wieder geöffnet werden, Chinesinnen und Chinesen gehen ebenfalls wieder auf Reisen.

Indes hat die Zahl der Covid-19-Fälle auf dem chinesischen Festland im Dezember einen Rekordstand erreicht, glaubt man bei der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC. In den vergangenen drei Wochen ist die Inzidenz zwar wieder zurückgegangen, was aber auch daran liegen dürfte, dass weniger Tests durchgeführt wurden. Mit Blick auf mögliche neue Virusvarianten fordern manche Fachleute nun verschärfte Einreisebeschränkungen.

Die EU reagierte darauf am Donnerstag und empfahl, für alle aus China nach Europa Reisenden vor der Abreise einen negativen Corona-Test vorzuschreiben, der nicht älter als 48 Stunden sein soll. Österreich will die Vorgabe schnell umsetzen.

Frage: Wie ist die Situation aktuell in China?

Antwort: Das ist leider sehr schwer zu sagen. Chinas Regierung hat mit dem Ende der Zero-Covid-Maßnahmen fast alle verpflichtenden Tests beendet und die Bevölkerung dazu ermuntert, auch freiwillige Testungen zu unterlassen. Aus diesem Grund gibt es keine glaubhaften Zahlen aus der Volksrepublik, wie auch die Weltgesundheitsorganisation – die mit China-Kritik sonst sparsam umgeht – am Donnerstag bemängelte. Sie teilte mit, die gemeldeten Werte – 22.416 Hospitalisierungen und neun Tote in der Woche vor Silvester – gäben "kein akkurates Bild" der Situation und seien eine Untertreibung der Erkrankungs- und Todeszahlen. Dass daher auch wenige Sequenzierungen stattfinden, nennen einige Staaten als Grund für die Testpflicht bei der Einreise. Schätzen kann man das Ausmaß der Erkrankungen über andere Wege. Als am italienischen Flughafen Mailand-Malpensa vorige Woche die Insassen zweier aus China ankommender Flugzeuge getestet wurden, waren 45 Prozent davon mit dem Virus infiziert. Studierende von der Tsinghua-Universität in Peking haben nachgezählt, für wie viele ihrer Professoren jüngst Nachrufe erschienen sind: Es waren 16 von 1.831. In episodischen Berichten ist von vollen Spitälern und Krematorien im Vollbetrieb die Rede – unabhängig bestätigten lässt sich das aber nicht. Eine besondere Fehlstelle gibt es bei Informationen aus den kleineren Städten und Dörfern in China, die an den globalen Informationsfluss noch weniger angeschlossen sind als die durch Zensur kontrollierten Metropolen.

Frage: EU-Staaten werden "nachdrücklich" dazu aufgefordert, für alle Einreisenden aus China vor der Abreise einen negativen Corona-Test vorzuschreiben, der nicht älter als 48 Stunden sein soll. Passiert das auch tatsächlich?

Antwort: Weil es bisher keine feste Regelung gibt, die für alle europäischen Staaten gleichermaßen gilt, sind die Vorgaben unterschiedlich. Im Wesentlichen werden aber tatsächlich Tests vor der Abreise verlangt – so auch, laut Bekanntgabe vom Donnerstag, in Kürze in Österreich und in Deutschland. Für deren Überprüfung sind die Fluggesellschaften zuständig. Und diese haben auch ein Interesse, hier genau zu sein: Sollte sich bei der Einreise nämlich herausstellen, dass ein Test fehlt, veraltet oder ungültig ist, sind sie für die Rückreise der abgewiesenen Person verantwortlich. Manche Staaten gehen noch weiter. So verlangt Italien neben einem PCR-Test 72 Stunden vor der Abreise oder einem Antigentest 48 Stunden vor der Abreise zusätzlich einen Antigentest bei der Einreise selbst. Sollte dieser positiv sein, müsste die aus China eingereiste Person in Italien in häusliche Quarantäne. Hintergrund ist auch, dass nicht überall volles Vertrauen in die aktuelle Durchführung der Tests in China herrscht. Verzichten will man auf sie aber auch nicht, denn Hintergrund der Testungen ist ja vor allem die Angst vor der Einschleppung einer neuen Variante – und stellt man diese erst im Land fest, ist es womöglich zu spät.

Frage: Was genau macht Österreich jetzt?

Antwort: Österreich wird eine Pre-Departure-Testverpflichtung, also verpflichtende Tests vor dem Abflug, bei der Einreise aus China einführen. Reisende aus der Volksrepublik China müssen künftig vor dem Abflug nach Österreich einen negativen PCR-Test vorweisen. Das Gesundheitsministerium arbeitet bereits an der juristischen Umsetzung, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch am Donnerstag. Die neue Einreiseverordnung werde möglichst rasch vorliegen und voraussichtlich in der kommenden Woche in Kraft treten. Die PCR-Tests müssen vor dem Abflug aus China vorgelegt und von den Fluglinien kontrolliert werden und dürfen höchstens 48 Stunden alt sein. Zusätzlich empfiehlt das Gesundheitsministerium, während des Fluges eine Maske zu tragen. Dazu werde es Gespräche mit den beiden Fluglinien geben, die Direktflüge von China nach Österreich anbieten, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

Darüber hinaus wird seit gestern das Abwasser von allen Flügen aus China auf neue Virusvarianten untersucht. Eine sinnvolle Maßnahme, findet die Virologin Dorothee von Laer. "Man kann dadurch nicht nur ein gutes Variantenscreening machen, sondern bekommt womöglich auch einen guten Überblick, wie hoch die Infektionszahlen bei den Einreisenden sind."

Zudem soll die Kläranlage von Hallstatt ins Abwassermonitoring des Bundes einbezogen werden. Die Kläranlagen von Wien und Salzburg sind bereits Teil des Monitoringprogramms des Bundes. Damit würden alle von chinesischen Touristinnen und Touristen häufig besuchten Orte regelmäßig untersucht, so das Gesundheitsministerium.

Frage: Auf eine verbindliche Testpflicht hat man sich nicht geeinigt, Österreich will sie einführen. Ist das sinnvoll?

Antwort: Das hängt maßgeblich von der Zahl der Einreisenden ab, sagt von Laer. Wenn beispielsweise 100 Menschen pro Tag einreisen und von ihnen jede dritte Person infiziert ist, sind das gut 30 Fälle. Bei täglich knapp 4.000 neu gemeldeten Fällen – und die Dunkelziffer ist ja noch viel höher – spiele das für die Inzidenz keine Rolle. "Wenn die Zahl der Einreisenden steigt und täglich etwa 10.000 Menschen einreisen, sieht die Sache anders aus", sagt von Laer. Aktuell landen pro Woche zwei Direktflüge aus China in Wien, einer von Austrian Airlines aus Shanghai, einer von Air China aus Peking. Ab 16. Jänner erhöht die Austrian Airlines auf zwei Flüge pro Woche.

Zum jetzigen Zeitpunkt sei es aus virologischer Sicht allerdings viel wichtiger zu wissen, mit welchen Varianten Einreisende infiziert sind.

Frage: Besteht die Gefahr, dass durch Einreisende aus China neue Virusvarianten nach Österreich kommen?

Antwort: Ja, allerdings deutet im Moment nichts auf neue Varianten hin. "Viele Länder screenen die Varianten von aus China Einreisenden bereits, insofern gibt es da europaweit schon einen Überblick. Bisher beobachtet man allerdings nur Varianten, die bei uns ohnehin auch vorkommen", berichtet von Laer. Nichtsdestotrotz müsse man das im Blick behalten, sagt sie. "Wenn neue Varianten entdeckt werden, müsste man eventuell mit Quarantäneregeln für Einreisende reagieren."

Auch China selbst hat nun nach internationalem Druck damit begonnen, Sars-CoV-2-Sequenzen in größerer Zahl in einer Datenbank zu hinterlegen. Vom 1. bis 30. Dezember 2022 hat China dort 592 Virussequenzen eingetragen. Diese gehörten hauptsächlich zu bekannten Viruslinien wie BA.5.2 (35 Prozent), BF.7 (24 Prozent), BQ.1 (18 Prozent), BA.2.75 (fünf Prozent), XBB (vier Prozent) und BA.2 (zwei Prozent). Eine neue Variante wurde bisher nicht entdeckt. (Manuel Escher, Magdalena Pötsch, 5.1.2023)