Neue rote Härte: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach in der Pressekonferenz am Donnerstag von "mehr Kontrolle" bei der Migration, Asylverfahren außerhalb der EU und forderte "schnellere Rückführungen".

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Man ist nicht ganz erfreut in der roten Parteispitze. Da bereitet man sich sorgfältig vor, plant eine "Arbeitsklausur" am Wörthersee; überlegt sich mehrere Themen und den Umgang damit, auf dass es hernach in allen Zeitungen steht; lädt Journalistinnen und Journalisten zur abschließenden Pressekonferenz, um die frohe Kunde vom neuen Fokus der SPÖ zu überbringen; und dann interessieren sich viele doch wieder am meisten für eines: Was macht jetzt dieser Dosko? Wann holt er den nächsten Feitel aus der Tasche? Und startet er bald die Palastrevolution?

Draußen, im Garten des schicken Hotel Seepark in Klagenfurt, macht man Gruppenfotos bei Sonnenschein und milden Temperaturen. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner lächelt in der Mitte, an ihrer Seite die mächtigen roten Landeshauptleute aus Wien und Kärnten, Michael Ludwig und Peter Kaiser. Drinnen, in der Lobby, warten die Medienmenschen auf den Beginn der Pressekonferenz. Ein paar sind auch aus Wien nach Klagenfurt gekommen. Die Gespräche drehen sich aber recht häufig um einen in Eisenstadt.

Verkürztes "Arbeitstreffen"

Denn es kommt nicht oft vor, dass ein Abwesender so anwesend ist wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vor der idyllischen Kulisse des Klagenfurter Viersternehotels mit direktem Zugang zum Wörthersee. Das hat die SPÖ nämlich für die zweitägige Klausur ihres Bundesparteipräsidiums gewählt. Man spricht von einem "Arbeitstreffen". Nach einem gemeinsamen Mittagessen begann es allerdings erst am Mittwochnachmittag, mit der Pressekonferenz Donnerstagmittag war es auch schon wieder vorbei. Und zwischendurch gab es einen Vortrag des Migrationsexperten Gerald Knaus.

Gearbeitet im eigentlichen Sinn wurde in Klagenfurt also wohl eher wenig. Gesprochen dafür viel, formell wie informell. Um den Landesfürsten aus Eisenstadt soll es dabei aber angeblich nicht gegangen sein, glaubt man Aussagen aus der Parteispitze. Die, die da waren, hätten nämlich "das Interesse, inhaltlich was weiter zu bringen", heißt es zum STANDARD. Über den, der nicht da war, will man lieber nicht so viel reden. Das würden vor allem die Medien wollen, heißt es – manchmal auch im vorwurfsvollen Ton.

Ausrichten über die Medien

Die Medien reden und schreiben über Doskozil vor allem aus einem Grund viel: Weil er zwar eher selten bei den Treffen der Parteispitze vorbeischaut, ihr dafür aber immer gerne etwas über die Medien ausrichtet – vor allem dass er selbst der bessere Parteivorsitzende und Spitzenkandidat wäre als die eigentliche Chefin. Wie konzentriert man unter diesen permanenten Attacken eigentlich an den frisch präsentierten Themen arbeiten kann? Man fokussiere sich auf die Inhalte, heißt es. Die Querschläge aus Eisenstadt, die inzwischen "fast schon erwartbar" im Quartalstakt kämen, sei man ja schon lange genug gewohnt. "Das produziert oft eher einen Gähnreflex", sagt jemand der Anwesenden aus der Partei.

"Irreguläre Migration verhindern"

Und was sind nun die neuen roten "Schlüsselthemen", über die man in Klagenfurt so sorgsam referiert hat? Neu ist vor allem, dass sich jetzt auch die SPÖ aktiver den Themen Asyl und Migration widmen will – und das deutlich strenger als bisher. "Es braucht Humanität auf der einen Seite, Kontrolle auf der anderen", sagte Rendi-Wagner auf der Pressekonferenz. Und: eine "europäische Lösung" in der Migrationsfrage. EU-Länder, die von irregulärer Migration ähnlich betroffen seien, sollten zum Thema strategische Allianzen knüpfen. Als logische Partner für Österreich würden sich als Erstes Deutschland und die Schweiz aufdrängen, sagte die SPÖ-Chefin: "Eine Bodenseekoalition, wenn Sie so wollen." Später könnte die Allianz um Länder wie die Niederlande, Spanien oder Dänemark erweitert werden.

Inhaltlich hat man in der SPÖ offenbar keine Scheu mehr vor einer recht harten Linie beim Thema – und gibt damit in zentralen Punkten der ÖVP recht. Irreguläre Migration müsse man "reduzieren und verhindern", sagte Rendi-Wagner etwa. "Die einzig vernünftige Lösung" dafür seien Asylverfahren außerhalb der Europäischen Union.

Mit diesem Vorschlag hatte schon im Sommer Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) für Aufsehen gesorgt. Im August war er nach Dänemark gereist, um sich das dortige Modell auch als Vorbild für Österreich genauer anzuschauen. Dänemark will Asylverfahren in Drittstaaten wie Ruanda auslagern. Interessantes Detail: Das dänische Asylmodell wurde nicht nur von der dortigen sozialdemokratischen Regierung implementiert – auch Doskozil hatte bereits öffentlich Sympathien dafür geäußert.

Rückenwind für türkisen Innenminister

Auch ein gemeinsames europäisches Asylsystem und die Schließung neuer Rückführungsabkommen schweben der SPÖ vor. Überhaupt müssten Rückführungen künftig schneller gehen, betonte Rendi-Wagner. Die neue rote Strenge beim Migrationsthema ist durchaus bemerkenswert. Denn auch wenn man schon früher ein Positionspapier mit teils ähnlichen Inhalten vorgelegt hatte: Bislang versuchte die Sozialdemokratie eher, das Thema elegant zu umschiffen. Nicht zuletzt, weil es sie vor ein nicht ganz einfach zu lösendes Dilemma stellt. Denn einerseits wissen die Genossen, dass der für sie so zentrale Sozial- und Wohlfahrtsstaat künftig nur mit mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt finanzierbar ist. Andererseits weiß die SPÖ auch, dass manche ihrer zentralen Wählerschichten sich sehr vor ausländischer Konkurrenz am Arbeitsmarkt fürchten. Oft selbst dann noch, wenn sie schon in Pension sind.

Abseits der eigenen Bespielung des Migrationsthemas will man sich künftig auch auf die aktuelle Teuerung, Bildung und Gesundheit fokussieren – und nebenbei einen Schwerpunkt auf die Energiewende setzen. Es seien "Themen, die alle Menschen unmittelbar betreffen", sagte die SPÖ-Chefin, "mit denen sie in den letzten Monaten alleingelassen wurden". So will man der Rekordinflation etwa mit dem Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, einem Teuerungsstopp auch bei Mieten und der Einsetzung einer "Antiteuerungskommission" begegnen, die man mit Kontrollrechten wie eine Behörde ausstatten möchte.

Kinderbetreuung und Energiewende

Die SPÖ-Forderungen in der Bildungspolitik wurden auf der Pressekonferenz vom Kärntner Landeshauptmann Kaiser vorgetragen. Sein Bundesland präsentierte er dabei als Vorbild für ganz Österreich. So solle auch im Bund etwas ermöglicht werden, was in Kärnten gerade versucht werde: ein Rechtsanspruch auf ganztägige, kostenlose Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Damit könnten österreichweit rund 100.000 zusätzliche Plätze in der Kinderbetreuung und 180.000 weitere Ganztagsschulplätze geschaffen werden, sagte Kaiser. Denn es dürfe nicht sein, dass Menschen in Österreich ihren Bildungsweg nicht weiterführen können, "nur weil sich ihre Eltern die Unterstützung nicht leisten können", sagte Kaiser.

Um dem herrschenden Mangel an Pädagoginnen und Pädagogen entgegenzuwirken, schlägt die SPÖ vor, den Beruf zu attraktiveren – etwa mit Investitionen in Bildungszentren und einer weiteren Art Akademisierung des Berufs. Auch den Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften würde die SPÖ mit weiteren Ausbildungsplätzen bekämpfen, wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sagte. Den Beruf des Pflegers oder der Pflegerin will die SPÖ als Schwerarbeit anerkannt wissen. Zur Umsetzung der Energiewende schlägt man zudem einen 20 Milliarden Euro schweren Fonds vor, der Investitionen in Ausbildung und Forschung ermöglichen soll.

Keine Ruhe aus dem Burgenland

Und wie geht es jetzt weiter mit dem Konflikt um Doskozil? Im Umfeld der Parteiführung gibt man sich dazu abwiegelnd. Rendi-Wagner sei die gewählte Parteivorsitzende. Doskozil hätte bei diversen Treffen der Gremien Gelegenheit gehabt, eine Abstimmung über die Parteiführung vorzuschlagen. Das habe er aber nie getan. Was aber, wenn man selbst in die Initiative ginge? Von sich aus eine Abstimmung herbeiführe, um die Führungsfrage ein für alle Mal zu klären – und danach ist endlich Ruhe? Rendi-Wagner stehe ja schon an der Spitze der Partei, heißt es dazu. Die Frage stelle sich daher nicht.

Im Umfeld des burgenländischen Landeshauptmanns sieht man das naturgemäß anders. Doskozil sei bundesweit der mit Abstand beliebteste Sozialdemokrat. Rendi-Wagner habe sich trotz krachender Wahlniederlage 2019 und schlechter Umfragewerte starrsinnig in der Löwelstraße einzementiert. "Ihr Sesselkleben ist leider zunehmend parteischädigend", sagt einer aus dem Burgenland zum STANDARD. "Sie soll den Platz für Bessere frei machen, statt die Partei in Geiselhaft zu halten." Nach Ruhe zum Arbeiten für die Parteivorsitzende sieht es also eher nicht aus. (Martin Tschiderer, 5.1.2023)