Spitzenhütte mit aufregend gutem, zeitgemäßem Essen: Elihay Berliner (links) macht das C.O.P. zu einer Wiener Top-Adresse.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Okay, wer dieser Tage aus Schanghai oder einem anderen, künstlich verspäteten Covid-Hotspot eingeflogen kommt, sollte sich einen eigenen Tisch buchen. Für alle anderen gilt die Empfehlung: Am besten zu viert oder zu mehreren im C.O.P. reservieren, sonst sind die Kaffeehaustischerln gar winzig für das Sharing-Konzept. So lässt sich richtig viel aus der mit aktuellem Datum abgestempelten Karte bestellen, was einen konstanten Fluss kleiner Happen sicherstellt. Um die 100 Euro pro Person sollte man einplanen, da sind die Getränke dabei, so man sich von der blendend disponierten Sommelière Friederike Duhme nicht zu Extravaganzen verführen lässt. Klingt nach viel – man bekommt dafür aber Essen von einer Güte, Fülle und lässigen Eleganz, die sich auch vor fortgeschrittenen Luxusetablissements der Stadt nicht zu verstecken braucht.

Ganz im Gegenteil

Wer sich zu jenen Zeitgenossen zählen muss, die Sodbrennen kriegen, wenn sie vor einem Gourmet-Menü den Abend absitzen und sich jeden Gang vom Personal in salbungsvoll gestammelter Ehrfurcht vorbeten lassen müssen, ist hier richtig: fantastisches Essen aus herausragenden, vorzugsweise lokal zusammengesuchten Produkten, das mit Können, Charme und Flair auf die Teller und ohne Brimborium an die Tische gebracht wird. Und flink noch dazu – wenn man erst einmal bestellen durfte. Das kann einstweilen noch dauern.

Zu verdanken ist das Elihay Berliner. Der junge Mann hat bei Eyal Shani, dem Weltstar aus Tel Aviv, gekocht, seitdem er 14 war, wechselte dann nach Paris, bevor er von Haya Molcho nach Wien gelotst wurde. Oberkoch der Neni-Gruppe wollte er irgendwann nicht mehr sein, also entwickelte er im Rahmen privater Caterings seine eigene, sehr europäische Küche, in der von bretonischen Tsarskaya-Austern über hochreife sizilianische Zitrusfrüchte bis zu mächtigen, medium gegrillten Koteletts vom Weinviertler Freilandschwein mit knackiger Sellerie und Beurre blanc (im Bild) alles willkommen ist, was von kompromisslos bester Qualität ist und sich ohne Firlefanz zu mächtigen Geschmackserlebnissen verwandeln lässt. Haya Molcho ist auch in seinem seit einigen Wochen geöffneten eigenen Restaurant mit an Bord – als Investorin, wie Berliner betont, denn "Idee, Gefühl und Konzept des neuen Lokals sind meine Babys".

Abwechslungsreiche Speisekarte

Ein Teller besser als der andere – das bekommt man im C.O.P. serviert.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Berliner selbst hantiert den Abend über an einer mächtigen Marmortheke, schiebt Brot in den Pizzaofen, bricht Austern auf oder schabt Nussbutter von einem riesigen Block in kleine Tiegel. Die eigentliche Action passiert hinter den Kulissen. Von da kommen etwa Ostseeheringe, roh mariniert und herausragend gut. Oder Hendlleber-Pâté, köstlich alkoholisch und von geradezu schlüpfrig luftiger Konsistenz, passt fantastisch zum kräftig gegrillten Brotocnik-Brot. Broccoli, himmlisch frische Ware von Michi Bauer aus Stätten, wird gegrillt und mit Mojo de Ajo, der mexikanischen Salsa aus Chili, karamellisiertem Knoblauch und Zitrone serviert – springt einen beim Kosten förmlich an vor frischer Freude. Dotterraviolo mit knusprigem Salbei überzeugt mit Top-Pasta und flüssigem Inneren, dazu butterige Topinamburcreme – Wohlfühlküche in scheinbar entspannter Perfektion.

So geht es dahin, ein Teller besser als der andere: gegrilltes Ochsenmark mit bissig frischen Kräutern, Schalotten und schwarzen Nüssen, grandios. Gebrannte Rote Rübe mit eingelegter Chicorée und Labneh, nominell ein bissl mittelöstlich, zwischen milder Frische und wilder Rauchigkeit oszillierend. Das Kotelett, ein Monument von einer fein fetten Schweinerei, sollte man nicht verpassen. Für Desserts muss aber Platz sein: Geschmorte Quitte mit Eis von Carlo Gelato und Butterstreusel ist zum Drin-Versinken gut, die bei Tisch katalanisch gebrannte Karamellcreme kann es aber auch. Und das Allerbeste: Speisekarte wechselt dauernd! (RONDO, Severin Corti, 13.1.2023)