Mancherorts kommen Mieterinnen und Mieter nun in finanzielle Engpässe, ein Ausbau der Wohnbeihilfe steht zur Diskussion.

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Gegen Jahresende flatterten den Mieterinnen und Mietern eines gemeinnützigen Wohnbaus in Niederösterreich Briefe unerfreulichen Inhalts ins Haus. Von einer 24-prozentigen Mieterhöhung berichtet Herr R., ein Bewohner des Hauses, dem STANDARD. Und er sagt: "Das ist doch irre."

So wie Herrn R. geht es derzeit vielen. Mitverantwortlich für die starken Erhöhungen dieser Tage sind zwar auch die steigenden Betriebskosten. Der größte Brocken ist in diesem Fall aber auf ein Darlehen zurückzuführen, das flexibel verzinst ist. Dadurch sind die Kreditkosten für die Vermieterinnen und Vermieter gestiegen, "und diese höheren Kosten werden an die Mieter*innen durchgereicht", kritisiert SPÖ-Kommunalsprecher Andreas Kollross, der selbst Bürgermeister einer niederösterreichischen Gemeinde ist. Er berichtete kürzlich in einer Aussendung von mehreren aktuellen Fällen und Mietsteigerungen von bis zu 35 Prozent.

Verzweifelte Mieterinnen und Mieter

Ein weiterer Mieter aus dem Bezirk Scheibbs, der sich nach einem Social-Media-Aufruf beim STANDARD meldete, berichtet von einer Mietensteigerung von 26 Prozent. Bisher bezahlte er 387 Euro, seit Jahresanfang sind es 525 Euro. Auch hier ist der Hauptgrund der Kostensteigerung ein variabler Kredit. Er sei "höchst verwundert, dass die Risikoweitergabe einer variablen Verzinsung so einfach funktionieren kann".

Manche seiner Nachbarn seien nach Erhalt des Briefes "mit Tränen dagestanden", weil sie die Kosten nicht mehr stemmen könnten, manche würden nun in kalten Wohnungen sitzen, weil das Geld zum Heizen fehle. "Es geht um viele Existenzen", ist Herr R. überzeugt. Er selbst zahlt seit Jänner monatlich um 138 Euro mehr für die Wohnung im erst vor einigen Jahren errichteten Haus. "Und in sechs Monaten wird die Miete voraussichtlich noch einmal hinaufgehen", sagt er.

Ist die Errichtung eines geförderten Wohnbaus nämlich mit einem variablen Kredit finanziert, müssen bzw. dürfen die Zinssteigerungen weitergegeben werden. Denn die gemeinnützigen Bauträger unterliegen dem sogenannten Kostendeckungsprinzip, "und müssen mit ihren Kundinnen und Kunden ein angemessenes Entgelt vereinbaren", erklärt Manfred Damberger, Landesobmann der niederösterreichischen Gemeinnützigen. Dieses Entgelt dürfe "nicht höher, aber auch nicht niedriger angesetzt werden", als sich aus den Kosten der Herstellung bzw. der Bewirtschaftung der Wohnhäuser ergebe.

"Fallende Zinsen finanzierten höhere Qualität"

Auch in der Steiermark gab es laut Kollross zuletzt einige solcher Fälle. Der Landesobmann der Gemeinnützigen, Christian Krainer, erklärt dazu im Gespräch mit dem STANDARD, dass ein gewisser Anteil an variabler Verzinsung jedenfalls in der Steiermark in den Richtlinien der Wohnbauförderung durchaus erwünscht sei. Und mit den in jüngster Vergangenheit stetig fallenden Zinsen seien überdies auch zahlreiche bautechnische Verbesserungen finanziert worden, meint Krainer. Mit anderen Worten: Ausstattung und Qualität seien gestiegen, die Kosten im Vergleich dazu nicht so sehr. "Vor 35 Jahren ging ein Drittel des Familieneinkommens fürs Wohnen drauf, heutzutage sind es laut Statistik Austria 18 Prozent."

Wenn die Zinsen steigen, gehe das nun eben wieder in die andere Richtung. Krainer, Obmann des gemeinnützigen Bauträgers ÖWG Wohnbau, nennt eine Faustregel: "Ein Prozentpunkt Zinsanstieg bedeutet bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung eine Mehrbelastung von einem Euro pro Quadratmeter und Monat." Ein zweiprozentiger Zinsanstieg wirke sich somit also mit 140 Euro an Mehrkosten im Monat aus.

Weil sich die Leitzinsen laut Prognosen zumindest noch bis zur Jahresmitte nach oben bewegen und dann möglicherweise für längere Zeit auf einem Niveau von drei Prozent (vielleicht auch etwas mehr) bleiben dürften, denkt man in der Steiermark ohnehin bereits über Maßnahmen nach. Eine solche könnte eine Ausweitung der Subjektförderung sein, also der Wohnbeihilfe, sagt Krainer. Oder Laufzeitverlängerungen bei den Darlehen.

Abhängig vom Kapitalmarkt

Die Förderregime sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich, abhängig vom Kapitalmarkt ist man aber überall. In Niederösterreich besonders stark, sagt Michael Gehbauer, der Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, eines Zusammenschlusses SPÖ-naher Wohnbaugenossenschaften: "Das ist für mich ein Konstruktionsfehler." Gehbauer, im Brotberuf Geschäftsführer der in Wien ansässigen WBV-GPA, betont aber auch, dass Bauträger immer auch die Möglichkeit hätten, mit der Bank zu reden, um eine Lösung zu finden.

Konkret wird bei gemeinnützigen Wohnbauten in Niederösterreich ein Teil über die Wohnbauförderung des Landes finanziert, über die man bis 2022 ein Fördernominale von 1.350 Euro pro Quadratmeter bekommen hat; mittlerweile wurde der Betrag auf 1.600 Euro erhöht. Der Rest wird über Hypothekardarlehen gestemmt, bei denen ein variabler Zinssatz in den letzten Jahren häufig günstiger war als ein fixer, was nun eben zum Problem wird: Betroffen von den Mieterhöhungen sind eher neue Häuser, bei denen die Hypothekardarlehen noch eine relativ lange Restlaufzeit haben, weil sich hier die steigenden Zinsen stärker auswirken.

Erhöhung der Wohnbaufördermittel gefordert

Ein Problem ist für Wolfgang Liebl, Geschäftsführer der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Amstetten, dass die Wohnbauförderung in den letzten Jahren wegen günstiger Zinsen und billiger Kredite zurückgefahren wurde. Sie liegt heute bei 0,4 Prozent des BIP, in den 1990er-Jahren waren es noch 1,3 Prozent. "Das funktioniert jetzt nicht mehr", sagt Liebl. Der Verein für Wohnbauförderung trommelt daher seit Monaten für eine Erhöhung auf ein Prozent des BIP und fordert die Finanzreferentinnen und Finanzreferenten der Länder aus, dies bei den aktuell laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zu berücksichtigen. Auch die Subjektförderung müsse angesichts der Kostensteigerungen weiter ausgebaut werden, sagt Liebl.

Der Wohnzuschuss wurde in Niederösterreich bereits im Vorjahr ausgebaut. Der niederösterreichische Landesobmann Damberger geht daher davon aus, dass es für extreme Härtefälle möglich sein wird, einen Wohnzuschuss zu bekommen.

Große Sprünge

Die SPÖ fordert, wie berichtet, ein bundesweites Einfrieren der Mieten bis 2025. Mit kostendeckenden Mieten, die im gemeinnützigen Wohnbau vorgeschrieben sind, sei das aber nicht vereinbar, sagt VWBF-Obmann Gehbauer. Auch die FPÖ fordert angesichts der jüngst bekannt gewordenen Mietensprünge einen Mieterschutzschirm.

Der erwähnte Scheibbser Mieter hat sich bei seinem Vermieter bereits gemeldet. "Leider kommt er uns nicht entgegen", sagt er. "Zwei unserer vier Nachbarn sind daher zum Auflösen des Mietvertrags gezwungen." (Martin Putschögl, Franziska Zoidl, 13.1.2023)