
Beinahe auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass der Unterseevulkan Hunga Tonga-Hunga Ha'apai im südlichen Pazifik ausgebrochen ist. Am 15. Jänner kam es zum größten Ereignis, das mit modernen geophysikalischen Methoden aufgezeichnet wurde. Die Explosionswolke wurde Messungen zufolge bis in die Mesosphäre befördert, 57 Kilometer über der Erdoberfläche. Wie ein Team mit Beteiligung des österreichischen Forschungsinstituts IIASA nun schreibt, dürfte der Vulkan auch die Erderhitzung vorantreiben. Die Wahrscheinlichkeit, die 1,5-Grad-Marke in den kommenden Jahren zu überschreiten, habe sich dadurch um beachtliche sieben Prozent erhöht, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Climate Change".
Weniger Schwefel, weniger Kühlung
Das ist bemerkenswert – immerhin führten Vulkanausbrüche und die damit einhergehenden Aschewolken in der Vergangenheit häufig zu Abkühlungen. Die extreme Explosion des indonesischen Vulkans Tambora 1815 sorgte für kälteres Klima auf der ganzen Welt, das "Jahr ohne Sommer", 1816, inspirierte nicht nur Literatur und Malerei, sondern sorgte durch Kälte und Dauerregen für Missernten und Hunger.

Einen erheblichen Einfluss hatte auch der Ausbruch 2022: Seit der Krakatau-Eruption im Jahr 1883 gab es kein vergleichbares Phänomen auf der Erde. Die markante Serie an Ausbrüchen innerhalb kurzer Zeit katapultierte die Explosionswolke in Rekordhöhen.
Doch wie Forschungsteams bereits im vergangenen Jahr schrieben, sieht es ganz danach aus, als würde der Tonga-Vulkan längerfristig nicht für eine Abkühlung, sondern für eine schnellere Erderwärmung sorgen. Die meisten Vulkanausbrüche hieven vor allem Schwefeldioxid in hohe Luftschichten. Das führt in der Folge eher zur Temperaturabkühlung, weil die Aerosolpartikel Sonnenlicht streuen, schreibt das Team, dem der am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Chris Smith und Kollegen der Universität Oxford angehören.
Motor des Klimawandels
Über mehrere Jahre hinweg sei es aber möglich, dass die Tonga-Eruption einen gegenteiligen Effekt bringt. Man schätzt, dass der Ausbruch rund 0,42 Megatonnen Schwefeldioxid, aber vor allem 146 Megatonnen Wasserdampf in die Stratosphäre geschleudert hat. Damit erhöhte sich der Wassergehalt in dieser Atmosphärenschicht – in etwa 15 bis 50 Kilometer Höhe – um zehn bis 15 Prozent.

Bleibt der Dampf nun über längere Zeit hinweg dort, führe das zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur auf der Erde, schreiben die Wissenschafter. Da am 15. Jänner 2022 zudem relativ geringe Schwefeldioxid-Mengen ausgestoßen wurden, die der Temperaturerhöhung entgegenwirken, könne der Vulkanausbruch zu einem Motor des Klimawandels werden – zumindest für einen begrenzten Zeitraum.
1,5-Grad-Ziel in weiter Ferne
Die Analysen der Forscher beziehen sich auf das Überschreiten der weltweiten Durchschnittstemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um 1,5 Grad Celsius. Die Chance, dass die Welt in den kommenden fünf Jahren ihr erstes Jahr erlebt, in dem diese Marke tatsächlich übersprungen wird, steigen den Berechnungen zufolge durch die Folgen der Tonga-Eruption um rund sieben Prozent.
Das ändere aber nichts daran, dass der bei weitem stärkste Treiber dieser Entwicklung die menschgemachten Treibhausgasemissionen bleiben, schreibt das Team. Fachleute gehen von einer verschwindend geringen Chance aus, die 1,5-Grad-Erwärmung noch durch rechtzeitige Klimaschutzmaßnahmen vermeiden zu können: Die Wahrscheinlichkeit dafür liege bei weniger als 0,1 Prozent. Stattdessen ist der Weltwetterorganisation (WMO) zufolge die Wahrscheinlichkeit, schon bis 2026 mindestens ein Jahr mit einer derart hohen Durchschnittstemperatur zu erleben, bei fast 50 Prozent. (sic, APA, 13.1.2023)