Vorübergehend geschlossen. Am Hochficht im Böhmerwald sind die Liftanlagen derzeit nicht in Betrieb. Schneemangel. Das kleine Skigebiet im Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien liegt auf gut 1300 Metern und wird im Mühlviertel gerne als Winterwunderland angepriesen. Jetzt hinkt die Realität solchen Bildern hinterher.

Christian Grünbart weiß um die Nöte so mancher Pensionen in unmittelbarer Nachbarschaft der Piste. Gibt es wenig Schnee, zählt er mit seinem Single-Hotel Aviva in St. Stefan am Walde hingegen zu den Gewinnern. "Kurzfristig steigen sogar die Buchungen", sagt Grünbart. Der Hochficht ist eine halbe Stunde entfernt. In St. Stefan geht man wandern und laufen. Schnee und Skifahren ist das Sahnehäubchen.

Ohne Schnee geht Winterurlaub natürlich auch. Aber für viele Gäste gehören verschneite Hänge und Berge einfach dazu.
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In vielen Gebieten ist es umgekehrt. Die Briten, die nach Tirol kommen, erwarten Schnee, so weit das Auge reicht – und keine weißen Streifen, eingebettet in viel Grün und Braun. "Das sind keine schönen Bilder", sagt Mario Gerber. Der Hotelier und Tiroler ÖVP-Tourismuslandesrat ist dennoch guter Dinge. Erstens ist Schnee angesagt, zweitens mangle es in höheren Lagen ohnedies nicht an Weiß, drittens seien die Betriebe breit aufgestellt, und nicht zuletzt sei der Dezember inklusive Weihnachten gut gelaufen. Für die Wintersaison ist er optimistisch, selbst wenn man das Vor-Corona-Niveau nicht erreichen werde.

Kaum Stornos

"Glücklicherweise verzeichnen wir kaum Stornos", bestätigt Maria Hauser vom Tiroler Stanglwirt in Going bei Kitzbühel – wohl auch dank des Publikumsmagneten Hahnenkammrennen. Mit "kaum Auswirkungen auf das Buchungsverhalten" durch Schneemangel rechnet man abseits davon bei der Österreich Werbung. Die Urlaubslaune bei den Menschen sei hoch. Mit 17 Millionen Gästen hat man im Oktober kalkuliert. Im September 2022 ließ man eine Kampagne vom Stapel: "Winterliebe – Jetzt in echt erleben" – unter anderem in Deutschland, Großbritannien und Belgien. Die Nachfrage nach Urlaub im Schnee bleibe stabil, hoffte man da.

Spontane Buchung

Wifo-Ökonom Oliver Fritz sieht das etwas anders. Bleibe die Schneelage so prekär, sei jedenfalls damit zu rechnen, "dass Gäste mit günstigen Stornobedingungen absagen und die Kurzfristbucher auf einen Urlaub verzichten", schätzt er. Gerade außerhalb der Schulferien würden immer mehr Gäste dazu tendieren, ihre Unterkünfte nicht Monate im Voraus zu buchen. Man warte zu und entscheide spontan. Und da kommt der Schnee wieder ins Spiel.

Schneemangel gab es heuer nicht nur in Österreich: Hier ein Bild aus der Schweiz im vergangenen Dezember. Schneearme Winter gab es auch früher schon. Die Wahrnehmung für solche Perioden hat sich verstärkt.
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Völlig flexibel seien Tagesgäste, die im Westen oft aus dem süddeutschen Raum kommen. Fritz rechnet hier fix mit Rückgängen im Vergleich mit einem schneereichen Winter. Mit Folgen für die rund 16.100 heimischen Beherbergungsbetriebe und die tausenden Unternehmen, die ebenfalls am Tourismus hängen. Der Sektor hat in Österreich einiges an Gewicht. 7,3 Prozent trug er vor Corona zur Wirtschaftsleistung bei. Seien es Seilbahnen, Bäcker oder Tischler, die Hotels beliefern, oder Händler, die fast ausschließlich Touristen zu ihren Kunden zählen. "Wir rechnen nicht damit, dass die Branche diese Saison Einnahmen vergleichbar mit der Zeit vor der Pandemie wird erzielen können", meint Fritz.

"Hotels machen jetzt noch ihre Umsätze, Bergbahnen leiden schon", bestätigt Hoteleigner Christian Grünbart, der zudem Tourismusbetriebe berät. Auch Grünbart erwartet Auswirkungen – in Zukunft: "Die Leute wollen inszenierte Landschaften, da gehört in Österreich der Schnee dazu." Das sieht der Tiroler Landesrat Mario Gerber ähnlich: "Schnee ist für den Tiroler Tourismus essenziell."

In den letzten zehn Jahren haben die heimischen Betriebe laut Fachleuten schon viel in Qualität investiert. Auch Seilbahnbetreiber haben erkannt, dass es auch eine Sommersaison gibt.
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Stanglwirtin Maria Hauser betont, man habe "stetig in wetterunabhängige Infrastruktur investiert". Wie viele andere Betriebe stimmt Wifo-Forscher Fritz zu. Wichtig und richtig, nur Schnee bzw. die verschneiten Berge könne das nicht ersetzen.

Angepasstes Verhalten

Fritz sieht ebenfalls eher mittelfristig Probleme. "Die Gäste lernen und begreifen, dass schneearme Winter immer häufiger auftreten. Nachdem Skiurlaube in der Regel keine Billigurlaube sind, werden sie mit frühen Buchungen zurückhaltend sein." Je öfter solche Perioden auftreten würden, umso stärker würde sich das Verhalten der Gäste verändern. Nicht alle Betriebe können sich anpassen. Der Ökonom hält es für möglich, dass in den nächsten zehn Jahren zehn Prozent der heimischen Tourismusbetriebe verschwinden könnten.

Ein Patentrezept hat auch Tourismusforscher Peter Zellmann nicht. Man müsse die Unternehmen jedenfalls dabei unterstützen, die Transformation zum Ganzjahresbetrieb zu schaffen. Da seien vor allem die Sozialpartner gefragt, ist Zellmann überzeugt. Stanglwirtin Maria Hauser freut sich jetzt einmal angesichts der Wetterprognose: "Für die nächste Woche ist Schnee angekündigt." (Regina Bruckner, 14.1.2023)