Bild von einer Aufklärungskampagne im deutschen Wiesbaden zum Thema Kindesmissbrauchsdarstellungen aus dem Jahr 2019.

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Der Fall Teichtmeister erschüttert Österreich, und das mit gutem Grund. Florian Teichtmeister ist einer der profiliertesten Schauspieler Österreichs, die ihm zur Last gelegte Tat ausgesprochen grauenhaft, und die Gerüchteküche brodelt schon seit über einem Jahr. Entsprechend breit ist die mediale Berichterstattung. Leider verzettelt sie sich dabei immer wieder in Begrifflichkeiten und verzerrt Sachverhalte. Und weil es leider nicht der erste Fall war (siehe der 2021 rechtskräftig verurteilte Christoph Metzelder, der (audio)visuelle Mitschnitte sexualisierter Gewalt an Kindern besessen und verbreitet hat) und nicht der letzte Fall sein wird, müssen wir dringend darüber reden, wie genau eigentlich Bericht erstattet wird und was man dafür wissen sollte:

Einvernehmlichkeit: Ohne Konsens ist es kein Sex, sondern sexualisierte Gewalt. Es existiert kein "Sex gegen ihren Willen" und auch kein "nach anfänglichem Widerstand kam es zu sexuellen Handlungen". Sexuelle Handlungen sind im Kern immer einvernehmlich. Sprachliche Genauigkeit ist hier besonders wichtig. Falls Sie davon nicht überzeugt sein sollten: Stellen Sie sich einfach vor, ich hätte Sie drei Wochen in meinem Keller gefangen gehalten, und die Presse würde darüber berichten, indem sie schreibt, Sie hätten mich "besucht". In den Strafgesetzbüchern in Österreich und Deutschland ist allerdings im Zusammenhang mit dem Sexualstrafrecht noch von "sexuellen Handlungen" die Rede, auch wenn es keine Einvernehmlichkeit gab.

Ephebophilie, Parthenophilie und Hebephilie: Diese Begriffe bezeichnen sexuelle Präferenzen, die sich nicht auf vorpubertäre Kinder, aber auch nicht auf erwachsene Menschen richten. Der Begriff Pädophilie wird leider viel zu häufig synonym für alle möglichen Präferenzen oder auch Delikte gebraucht, obwohl er etwas sehr Spezifisches beschreibt und nur in diesem Zusammenhang benutzt werden sollte.

Digitales Delikt: Teichtmeisters Anwalt lässt mitteilen, dass die Verbrechen seines Klienten "rein digitale" Delikte seien und er "keinerlei strafbare Handlungen gegen Menschen gesetzt" habe. Ganz so einfach ist es nicht. Nehmen wir an, Teichtmeister hätte eine künstliche Intelligenz im Internet beauftragt, entsprechendes Bild- und Videomaterial für ihn zu produzieren, indem es sie generisch erstellt. Dann wäre wirklich die Frage, inwiefern es sich um ein "rein digitales Delikt" handelt. Darum geht es aber nicht. Es geht nach jetzigem Kenntnisstand um eine unfassbare Anzahl von realen Fällen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, deren Aufzeichnungen Teichtmeister besessen und konsumiert hat.

Genialer Künstler: Berühmte Männer, die ein publikumswirksames Talent mitbringen und eine entsprechende Karriere aufbauen, bekommen leider allzu oft eine patriarchale Dividende ausgezahlt. Sie gelten dann als "schwieriger, aber brillanter Regisseur" (Roman Polanski) oder als "genialer Wüterich und exzentrischer Mime" (Klaus Kinski). Sie werden beachtet, gefeiert und verehrt, obwohl sie ein 13-jähriges Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewaltigt (Polanski) oder auch die eigenen minderjährigen Töchter mit sexualisierter Gewalt überzogen haben (Kinski). In der Berichterstattung um potenzielle oder tatsächliche Täter und in der Rezeption spielt ihre "Genialität", Reputation und Beliebtheit häufig eine unangemessene Rolle. "Genialer Künstler", "Aber ich kannte ihn doch aus so vielen Filmen" und "Der war mir immer sympathisch" sind jedoch irrelevant. Wichtig ist: Was ist passiert, und was muss jetzt geschehen?

Grooming: Kontaktaufnahme von Erwachsenen zu Minderjährigen mit der Absicht, ihnen sexualisierte Gewalt anzutun. Grooming und Cybergrooming dienen dazu, diese Absicht zu verschleiern und sich das Vertrauen der Opfer zu erschleichen, indem man nett und freundlich auftritt. In den USA wird dieser Begriff allerdings mittlerweile von rechtskonservativen, evangelikalen Kräften zum Kampfbegriff verzerrt, indem er Sexualaufklärung und die Darstellung queerer Lebenswelten als Grooming denunziert und dadurch moralische Panik schürt (siehe unten).

Kinderpornografie: Pornografie ist die explizite Darstellung von einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen volljährigen Menschen – in diesem Sinne gibt es keine Kinderpornografie, sondern es handelt sich hierbei um (audio)visuelle Mitschnitten sexualisierter Gewalt an Kindern. Doch auch hier: Im Strafgesetzbuch wird von "pornografischen Darstellungen" gesprochen. Doch wenn man Sie überfällt und Ihnen dabei ins Gesicht schlägt, nennt man es ja auch nicht "professioneller Boxkampf".

Moralische Panik: Spätestens seit den 70er-Jahren wird moralische Panik vor bestimmten sozialen Gruppen oder Kategorien immer wieder geschürt: Rockmusik, Drogen, Aids, Satanismus, Videospiel, Rapsongs, das Rollenspiel "Dungeons and Dragons" oder eben auch (sexualisierte) Gewalt an Kindern – es gibt immer wieder Themen, mit denen Stimmung gegen Menschen gemacht werden soll. Dabei wird die eigentliche Problematik zugleich übertrieben und durch Beliebigkeit verharmlost. Dann kann man Kinder "überhaupt nicht mehr auf die Straße lassen", während gleichzeitig politische Gegner:innen reihenweise als "Kinderschänder" und "Groomer" denunziert und mit entsprechenden Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht werden. Erinnern wir uns an "Pizzagate", als 2016 gezielt die Verschwörungserzählung gestreut wurde, die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton würde aus dem Keller einer Pizzeria in Washington einen internationalen Pädophilenring betreiben.

Pädophilie: Pädophilie ist eine Sexualpräferenz. Sie manifestiert sich für gewöhnlich im Jugendalter und sorgt dafür, dass die sexuelle Erregung um den kindlichen Körper kreist. Pädophile haben zudem ein Bedürfnis nach Nähe und sozialem Kontakt mit Kindern. Pädophile begehen nicht zwangsläufig pädokriminelle Verbrechen, und Pädokriminalität wird nicht zwangsläufig nur von Pädophilen verübt. Gerade weil Pädophile nichts dafür können, dass sie sind, wie sie sind, muss sich die Gesellschaft an den wichtigen Grundsatz halten, Menschen gegebenenfalls nicht dafür zu bestrafen, was sie sind, sondern dafür, was sie tun.

Pädokriminalität: Sammelbegriff für sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Da mit Kindern keine Einvernehmlichkeit über sexuelle Handlungen hergestellt werden kann, sind auch vorgeblich wohlmeinende Berührungen mit sexueller Intention Übergriffe und sexualisierte Gewalt. Selbst wenn ein Kind "Ja, ich möchte das unbedingt" sagt, ist keine Einvernehmlichkeit hergestellt, weil Kinder den Inhalt und die Folgen sexueller Handlungen nicht adäquat erfassen können. Jede Formulierung entlang der Linie "Aber das Kind wollte es doch auch" dient demnach der Verharmlosung der Tat.

Pranger und Unschuldsvermutung: In rechtsstaatlichen Systemen hat jeder und jede das Recht auf einen fairen Prozess und auf anwaltliche Verteidigung in einem Strafverfahren. Auch Florian Teichtmeister. Die Unschuldsvermutung ist allerdings kein geeignetes Werkzeug, um sich über die Fassungslosigkeit und das Entsetzen von Menschen über einen Fall zu echauffieren, bei dem der mutmaßliche Täter laut seinem Anwalt bereits geständig ist. Sie sollte auch nicht dafür verwendet werden, die Rufe nach Aufklärung darüber zu skandalisieren, wer wann was über diese Sache wusste.

Hinter jeder Form von Pädokriminalität verbergen sich immer schreckliche Verbrechen. Aber nicht hinter jedem und jeder Pädophilen verbergen sich immer schreckliche Menschen. Und genau so sollte auch berichtet werden. (Nils Pickert, 16.1.2023)