Nick Cave ist kein Fan von Chat GPT.

Foto: APA/AFP/ANNA KURTH

Was Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion im Bereich Bilder können, das leistet die von Open AI entwickelte künstliche Intelligenz Chat GPT bei geschriebenen Inhalte. Sie führt – der Name nimmt es vorweg – Gespräche, beantwortet Fragen und verfasst auf Kommando Texte unterschiedlicher Art. So manche Lehrkraft hat wissentlich oder unwissentlich damit schon Bekanntschaft geschlossen, denn die Software soll sich bei Lernenden als Hausaufgabenhilfsmittel steigender Beliebtheit erfreuen.

Songtexte kann das Programm ebenfalls verfassen und sich dabei auf Wunsch auch am Stil eines bestimmten Künstlers orientieren. Mit einem solchen Werk wurde auch der australische Sänger und Autor durch einen Fan konfrontiert, berichtet Cave auf seiner Website The Red Hand Files. Er ist zeigt sich davon wenig begeistert.

"Ich bin der Teufel, ich bin der Erlöser"

Der Song ohne Titel beschreibt den inneren Zwiespalt zwischen Gut und Böse und besteht aus drei Strophen, dem Refrain und einer Überleitung vor dem finalen Part des Lieds. "Ich bin der Sünder, ich bin der Heilige. Ich bin die Dunkelheit, ich bin das Licht. Ich bin der Jäger, ich bin die Beute. Ich bin der Teufel, ich bin der Erlöser", heißt es übersetzt im Refrain des von "Mark" aus Christchurch übermittelten Werks.

Screenshot: The Red Hand Files

Seinem neuseeländischen Fan hat Cave wenig Positives auszurichten. Viele Leute, viele in "algorithmischer Ehrfurcht", hätten ihm schon Lieder "im Stil von Nick Cave" aus der Feder von Chat GPT zugeschickt. Er fühle bezüglich KI-Technologie allerdings keinen vergleichbaren Enthusiasmus. Dabei sei er sich dessen bewusst, dass Chat GPT noch in einem frühen Stadium seiner Entwicklung sei, aber vielleicht sei ja gerade die Aussicht darauf, dass die Entwicklung immer irgendwie an einem frühen Stand sein werde, ein Teil des "aufkommenden Horrors von KI".

Es werde immer schneller immer weiter und niemals zurückgehen können, während "es einer utopischen Zukunft oder vielleicht unserer totalen Zerstörung entgegengeht". Nachsatz: "Wer kann das schon genau sagen?"

Ohne Leid nur Imitation

Für den 65-jährigen Sänger betreibt Chat GPT "Vervielfältigung als Travestie". Möglicherweise könne die KI "eine Rede, einen Essay, eine Predigt oder eine Andacht" verfassen, jedoch keinen "echten Song". Selbst wenn die Technologie verbessert werde, würden solche Werke zwar oberflächlich nicht mehr von echten unterscheidbar sein, aber stets "eine Replikation" bleiben.

Lieder entstünden aus Leid, basierend auf dem "komplexen, internen, menschlichen Kampf hinter kreativer Schöpfung". Damit könne eine KI nicht aufwarten, denn "Algorithmen fühlen nicht, Daten leiden nicht". Chat GPT fehlen ein inneres Selbst und Erfahrungen mit der Überschreitung von dessen Grenzen. Folglich könne es nur Imitation betreiben, aber werde nie eine "authentische menschliche Erfahrungen" machen, egal wie sehr selbige bis dahin entwertet werden.

Die Qualität eines Songs zeichne sich nicht durch Ähnlichkeit zu schon bekannten Werken aus. Hinter einem guten Lied stehe nicht Nachahmung oder Flickwerk, sondern das Gegenteil davon. Einzigartigen Texten gehe die "atemlose Konfrontation mit der eigenen Verletzlichkeit, Gefährlichkeit und Kleinheit im Angesicht einer plötzlichen, aufrüttelnden Entdeckung" voraus. Dieser "erlösende, künstlerische Akt" sei es letztlich, der "das Herz des Hörers berührt", weil er ihn an seine eigenen Kämpfe erinnert.

"Dieser Song ist Bullshit"

Cave gesteht, dass er den Eindruck erweckt, das Thema "ein bisschen zu persönlich zu nehmen", allerdings sei er selbst gerade dabei, Songs zu schreiben. Und dabei spiele sich ein Prozess aus "Blut und Eingeweiden" an seinem Schreibtisch ab.

"Mark, danke für das Lied, aber mit aller Liebe und Respekt der Welt: Dieser Song ist Bullshit, eine groteske Farce davon, was es bedeutet, ein Mensch zu sein." Nur eine Zeile spreche ihn an: "Ich habe das Feuer der Hölle in meinen Augen – und es ist Chat GPT."

Von malenden Künstlern war bereits ähnliche Kritik zu Bildgeneratoren zu hören. Zeichner wie der auf Fantasymotive spezialisierte Greg Rutkowski stehen der Nachahmung ihres Stils durch KI-Systeme sehr skeptisch gegenüber. In den USA wurde kürzlich eine Sammelklage gegen Midjourney, den Stable-Diffusion-Entwickler Stability AI sowie die Kunstplattform Deviant Art eingereicht. Die Initiatoren sehen ihr Urheberrecht verletzt und fordern eine einstweilige Verfügung sowie Entschädigungszahlungen. (gpi, 17.1.2023)