Die Veranstalter der Hahnenkammrennen hatten diesmal nicht mehr zu tun als in anderen Jahren. Eher weniger, weil die Streif und der Ganslernhang – zumindest bisher – nicht von Schneemassen befreit werden mussten. Allerdings war die nervliche Belastung seit Wochen besonders groß, weil die Abfahrten wegen des Tauwetters auf der Kippe standen.

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Vincent Kriechmayr (vor seiner ersten Trainingsfahrt im Starthaus der Streif) hatte wie seine Kollegen nichts an der Piste auszusetzen.

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Kitzbühel – Der Anblick der Streif wirkt verstörend. Ein weißes Band, wie es auch andernorts seit Wochen vorherrscht, zieht sich aus mittleren Höhenlagen bis ins Tal, ringsum dominiert Grau-Braun-Grün. Immerhin sind die Wälder oben angezuckert. Bei Bildern wie diesen und angesichts der voranschreitenden Klimaerwärmung mit den einhergehenden Kapriolen und einer Absagenflut im Weltcup drängen sich förmlich Fragen auf: Wie geht es nur weiter mit dem Skiweltcup, und war es das bald mit der Königsdisziplin Abfahrt?

Michael Huber macht sich seit jeher Sorgen um die Kitzbühel-Rennen. "Als Organisator von Skirennen muss man sehr leidensfähig sein", sagt der Präsident des Kitzbüheler Ski-Clubs (K.S.C., seit 2009) und Vorsitzende des Rennorganisationskomitees (seit 2001) dem STANDARD. "Von den vergangenen 33 Rennen waren nur acht witterungstechnisch problemfrei. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht hoch, dass an diesen Tagen bei minus drei Grad die Sonne scheint und es im Vorfeld genug geschneit hat. Du rechnest mit dem Normalzustand, aber es ist im Prinzip immer ein Ausnahmezustand."

Fluch und Segen

Huber will die Klimaveränderung ("Tatsache") nicht verharmlosen. Heuer sei es speziell und relativ extrem. "Es hat uns viele Nerven gekostet. Aber das Thema Wetter gibt es, seit es Hahnenkammrennen gibt. Es ist eine unendliche Geschichte." Bereits 1907 hat der Skipionier und K.S.C.-Gründer Franz Reisch in einem Tourismusprospekt beschrieben, warum die Hänge um die lediglich auf 762 Metern gelegene Stadt zum Skilauf taugen: wegen der Nordstaulage. Huber: "Wir haben ein Mikroklima, entweder Warmwetter oder viel Schnee." Er könne sich gut an Zeitungsartikel aus den 1980ern erinnern, als nach ein paar schlechten Wintern über das Ende des Skisports geschrieben wurde. 1988 etwa mussten sämtliche Rennen in Kitzbühel wegen Schneemangels abgesagt werden. Wie auch 1964 und 1993. "Mein Vorvorgänger-Präsident in den 1980er-Jahren hat gesagt, ein Hahnenkammrennen kann man nicht budgetieren, weil man nicht weiß, was passiert. Das hat uns als Veranstalter über Jahrzehnte geprägt", sagt Huber.

Traditionell werden hier weder Kosten noch Mühen gescheut, um das Spektakel im Jänner zu ermöglichen. Die Veranstalter haben diesmal aber besonders gezittert. Seit Wochen ist es zu warm, die Kunstschneedecke hat gelitten, immerhin ist die Konservierung geglückt. Trotz erheblicher Komplikationen präsentiert sich die Streif in gutem Zustand. Vier kalte Tage und Nächte vor Weihnachten haben genügt, um ausreichend zu beschneien, ein Schneedepot gab es nicht. Die Sicherheit hinsichtlich der Sturzräume ist gewährleistet. Oder, wie es Fis-Renndirektor Hannes Trinkl formuliert: "Die Stroaf is gewaltig beisammen." Auch Pistenchef Herbert Hauser schwärmt: "Sie ist in einem Topzustand, aber die Streif ist die Streif, sie bleibt gefährlich."

Hauser weiß als Kitzbüheler, dass es zwischendurch immer wieder kalte Phasen gibt. "Man muss sich so aufstellen, dass man dann die Beschneiung erledigen kann. Bei kalten Temperaturen ist auch der Energieaufwand bei weitem weniger." Man solle nicht immer negativ über weiße Schneebänder schreiben, sondern die technische Entwicklung positiv sehen. Der Tourismus sei enorm wichtig, und schließlich seien die Gäste glücklich, wenn sie Ski fahren können.

Die Präparierung der Streif sei diesmal nicht aufwändiger als sonst gewesen, die Verteilung des Schnees zum richtigen Zeitpunkt aber eine Geduldsprobe und eine Herausforderung, die aber dank GPS-Vermessung auf den Maschinen gemeistert werden konnte, sodass überall die erforderliche Schneedicke von 40 bis 50 Zentimeter erreicht wurde.

Warm und kalt

Markus Waldner glaubt nicht, dass es dem Abfahrtsrennsport an den Kragen geht. "Die Meteorologen haben es uns schon prophezeit, dass es immer mehr extreme Schwankungen zwischen warm und kalt geben wird. Aber dass wir keinen Schnee mehr haben, das wird sicherlich nicht sein. Schneearme Winter hat es immer schon gegeben", sagt der Fis-Renndirektor.

Für den Südtiroler macht es Sinn, den Auftakt in Sölden um eine Woche zu verschieben und die Saison um ein bis zwei Wochen zu verlängern. Eine Option sei auch, auf höhere Lagen auszuweichen. "Man muss viel investieren, perfekt aufgestellt sein, um wenige Tage für die Schneeproduktion nützen zu können. Von dem lebt man den gesamten Winter. Wenn das nicht gemacht würde, wären wir heuer keine Rennen gefahren."

Ist Kitzbühel für die Zukunft gerüstet? Huber: "Die Beschneiung ist ziemlich ausgereizt. Bei zu viel Regen oder hohen Plusgraden gibt es keine Rennen mehr. Dann zeigt uns die Natur die Grenzen auf. Das ist dann auch zu akzeptieren." (Thomas Hirner, 17.1.2023)