Es muss ein beeindruckender Anblick gewesen sein: Mehr als ein Dutzend Titanosaurier traf sich an einem Ort zum gemeinsamen Eierlegen. Diese Dinosaurier gehörten zu den größten Lebewesen, die je auf vier Beinen über das Angesicht der Erde wandelten, doch in ihrem Brutverhalten ähnelten sie Vögeln, wie Forschende nun herausfanden.

Über 250 fossile Eier von Titanosauriern wurden nun in Indien entdeckt und dokumentiert. Links oben ein fast vollständig intaktes Ei, rechts ein Abdruck einer Eierschale, die aufgrund des Fehlens von Splittern im Inneren auf ein Ei nach dem Schlüpfen hindeuten könnte.
Foto: Dhiman et al., 2023, PLOS ONE, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Der Riesenwuchs von Titanosauriern ist legendär. Bereits 1828 wurden vom in Indien stationierten britischen Kriminalbeamten William Henry Sleeman erste fossile Knochen gefunden. 1877 wurde die Gattung erstmals beschrieben, doch die Einordnung war umstritten. Heute weiß man, dass die Titanosaurier mit den bekannteren und im Hollywoodfilm "Jurassic Park" zu Weltruhm gelangten Brachiosauriern verwandt sind. Schon die Brachiosaurier erreichten ein Gewicht von etwa 30 Tonnen, die Titanosaurier waren sogar noch größer. Es scheint, als hätten sich die Dinosaurier kurz vor ihrem Aussterben am Ende der Kreidezeit noch einmal zu ungekannter Mächtigkeit aufgebäumt.

92 Nester

Nun gelang ein Sensationsfund, der mehr über die Fortpflanzungspraktiken der Riesentiere verrät. Wie ein Forschungsteam um Harsha Dhiman von der Universität Delhi nun im Fachjournal "Plos One" berichtet, wurden in der Lameta-Formation im Narmada-Tal in Zentralindien 92 Nester mit Dinosauriereiern gefunden, die sich Titanosauriern zuordnen ließen.

Überraschend waren die vielen unterschiedlichen Typen von Eiern. Sechs sogenannte Oospezies konnten unterschieden werden. Damit sind Tierarten gemeint, die nur anhand ihrer Eier beschrieben werden. (Dazu später noch mehr.) Das ist insofern bedeutend, als sich diese Vielfalt nicht in den Skelettfunden der Gegend widerspiegelt, die eigentlich mit besonders vielen Titanosaurierfunden aufwartet.

Ein lebensgroßes Modell eines Titanosaurus in Bolivien, nahe einem Fundort von Dinosaurierfußspuren.
Foto: REUTERS/David Mercado

Laut dem Team zeigt der Fund, dass die Tiere ihre Eier vergruben wie zeitgenössische Krokodile. Außerdem wurde ein besonders seltenes Phänomen dokumentiert, das sich manchmal bei Hühnereiern beobachten lässt. Dabei ist in einem übergroßen Ei ein zweites, vollständiges Ei enthalten. Für die Forschung ist das ein Glücksfall, denn es deutet laut dem Team darauf hin, dass die Physiologie von Titanosauriern jenen von Vögeln ähnelte und dass sie vermutlich wie moderne Vögel ihre Eier nacheinander legten.

Wer sich Dinausaurierweibchen vorstellt, die wie Vögel ihre Eier ausbrüten, ist allerdings auf dem Holzweg, denn neben den Parallelen gibt es auch einige Unterschiede. So liegen die Nester etwa überraschend nahe beieinander – zu nah, um den riesigen Tieren Zugang zu den in der Mitte liegenden Gelegen zu ermöglichen. Verblüffenderweise beschädigten die Tiere die Nester trotz der räumlichen Enge nicht. Vermutlich vergruben die Saurier also ihre Eier und verließen dann das fertige Nest, um Platz für nachkommende Weibchen zu machen. Dass die Titanosaurier tatsächlich gleichzeitig zusammenkamen um ihre Eier abzulegen, ist nicht zweifelsfrei bewiesen. Laut der Studie gibt es aber Hinweise darauf. Heutzutage findet man viele nahe beieinanderliegende Nester vor allem bei Schildkröten oder bestimmten Vögeln, die koloniales Brutverhalten zeigen.

Titanosaurier gehören zu den Sauropoden, von denen immer wieder riesige Skelettreste entdeckt werden, wie etwa 2019 nahe Bordeaux.
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Zweifelhafte Artenzugehörigkeit

Die Beschreibung von Gattungen bei Dinosauriern wie dem Titanosaurus ist keine einfache Angelegenheit. Aufgrund weniger Funde ist die Zuordnung nicht eindeutig möglich. Der Titanosaurus gilt als "Nomen dubium", was sich mit "zweifelhafter Name" übersetzen lässt. Wie schwierig die Lage ist, zeigt auch die Unterscheidung von Arten nur aufgrund von Eiformen. Aus der Zeit der Dinosaurier ist kein intaktes Genmaterial erhalten, das eine genauere biologische Zuordnung von Funden erlauben würde.

Das Gebiet, in dem die Funde gemacht wurden, gehört jedenfalls zu den reichsten Fundstätten für Titanosaurier-Fossilien. Es erstreckt sich über fast tausend Kilometer von der Stadt Jabalpur im Osten bis hin zu Balasinor weiter im Westen.

"Unsere Forschung belegt die Existenz einer ausgedehnten Brutstätte für Titanosaurier-Sauropoden und bietet neue Einblicke in die Brutpflege und die Fortpflanzungsstrategien der Titanosaurier-Sauropoden kurz vor ihrem Aussterben", zeigt sich Erstautorin Dhiman erfreut. (Reinhard Kleindl, 19.1.2023)